
Bewertung: 3 / 5
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs genießt der ehemalige Detektiv Hercule Poirot (Kenneth Branagh) seinen Ruhestand in Venedig, bis er durch seine Freundin, die Autorin Ariadne Oliver (Tina Fay) zu einer Séance des Mediums Joyce Reynolds (Michelle Yeoh) eingeladen wird. Natürlich glauben die beiden nicht an die Verbindung zwischen dem Hier und der Geisterwelt, doch seltsame Ereignisse häufen sich.
Nachdem die großen Beiden ihren Weg erneut auf die Leinwände gefunden hatten, schien eine weitere Fortsetzung nach dem Desaster Tod auf dem Nil (2022) eigentlich erstmal vom Tisch. Doch in Hollywood geschehen wohl noch Wunder und so konnte Kenneth Branagh kurze Zeit nach seinem Flop erneut in die Rolle des belgischen Detektivs Hercule Poirot schlüpfen. Keine besonders originelle Überleitung zum aktuellen Film, aber es stellt sich ja die Frage, ob die Geschichte und eigentlich alles, was mit dem Film etwas zu tun hat, nun dies rechtfertigen. Einem Fan dürfte das relativ egal sein, doch jeder, der sich für Wirtschaft interessiert, musste da doch das ein oder andere Fragezeichen über dem Kopf haben. Und so erblickte also A Haunting in Venice das Leicht der Welt. Eine seltsame Mixtur aus einigen Fehlern, einigen Verbesserungen und einigen, wirklich spannenden Ideen. Nun muss man zum Leidwesen der Geschichte sagen, daß gute Menschenkenntnis schon ausreicht, um zumindest den Mordfall relativ schnell zu lösen. Fast schon beim ersten Auftritt wird deutlich, wer hier für den Mord verantwortlich ist. Das mag jetzt überheblich klingen und vielleicht geht es den allermeisten auch gar nicht so, doch in dem Fall lag ich nach wenigen Minuten schon goldrichtig.
Trailer zu A Haunting in Venice
Dabei stellt sich ja die Frage, was Kenneth Branagh aus seinem CGI-Debakel des letzten Jahres gelernt hat. Nachdem so ziemlich alles am Nil aus dem Computer entstanden war, konnte man zumindest hier sehen, daß Branagh nur in wenigen Momenten tatsächlich auf Computertechnik setzte. Und ja, in dem Fall hat das sogar eine Bedeutung, weil nämlich die Adaptionen der Agatha Christie-Romane immer davon lebten, daß es eben eine gewisse Natürlichkeit gab. Auch die früheren Filme um Peter Ustinov und Albert Finney zeichneten sich nicht gerade dadurch aus, daß sie hochkomplexe Geschichten oder Beweggründe für ihre Charaktere fanden. Auch dort ging es um den Prunk eines großen Casts, die Bilder, die die vermeintlich exotischen Urlaubsorte auszeichneten und eben um einen gewissen Witz und Esprit, den man nur schwer greifbar macht. Aber ja, so richtig komplexe Krimis findet man dort sicherlich nicht. Insofern kann man die Adaptionen oder auch das Schaffen von Christie vielleicht sogar als Mogelpackung begreifen, wenn man eben einen höheren Anspruch an Kriminalgeschichten hat. Nun muss man sagen, daß die Probleme vom Vorgänger keinerlei Rolle mehr spielen. Hier ist bis auf wenige Ausnahmen alles echt, mitunter schaurig und selbst die surrealen und teils abstrusen Momente werden gekonnt vom Film aufgegriffen. Das kann sich sehen lassen, im Vergleich zum ein oder anderen Blockbuster der letzten Jahre.
Und dann ist es eigentlich schon wieder das typische Dilemma. Upper-Class-Probleme, von denen jeder irgendwie ein Motiv hat und dennoch jedem klar ist, daß es jetzt an der Stelle noch nicht so weit sein kann. Also darf natürlich berechtigterweise die Frage gestellt werden, worum es eigentlich in A Haunting in Venice oder Krimis im Allgemeinen geht. Eine tiefgreifende Metaphorik macht der Film da nicht auf und er ist auch zu keinem Zeitpunkt so niederschmetternd, wie das Schaffen von David Fincher in Sieben (1995) oder Zodiac – Die Spur des Killers (2007). Ja, man könnte also wieder fragen, was es eigentlich ist. Sind diese Filme nicht eine bloße Reminiszenz an vergangene Tage, die sie aber nie wirklich erklären? Nun, daß wäre nicht unwahr, doch um genau zu sein ist das moderne Mainstream-Kino ja genauso und insofern stellt sich diese Frage schon fast gar nicht mehr. Der Film ist halt da, kann mitunter mit tollem Schauspiel aufwarten, eine schaurige Atmosphäre liefern und ansonsten gibt es da wenig. Wenngleich das Thema des Mediums, daß Kontakt zur Geisterwelt aufnimmt, tatsächlich auch nicht aktueller denn je sein könnte. Man kennt das ja, irgendwelche Menschen, die irgendwas von irgendwelchen Mindsets, oder Mittel gegen Frust erzählen. Nun ist der Frust, der hier gezeichnet wird, eine deutliche tiefschürfendere Narbe, aber ja, so der Gedanke kann einem da mitunter schon kommen.
Zwar setzt Branagh hier auf einen wesentlich kleineren Cast, wie noch in den beiden Vorgängern, kann dadurch aber seine eigene Hauptfigur in den Mittelpunkt der Geschichte rücken und es wirkt fast so, als sei eben jener Poirot eben nicht mehr nur schmückendes Beiwerk und ein Glücksgriff, der die Geschichte aufgreifen kann. Auch tonal finden sich da deutliche Verweise auf das Horrorkino, die zwar in einigen Momenten durchaus überzeugen können, aber auch ansonsten nie über simple Jump-Scares hinausgehen. Und so verbleibt zumindest dieser Aspekt als vertane Chance. Aber ja, es macht schon Spaß in diesem klaustrophobischen Setting in der Vergangenheit rumzuwühlen.
Stilvoll und aus Fehlern lernend ist A Haunting in Venice eine gelungene Fortsetzung, die zwar nie komplex ist, aber durchaus ihren Reiz hat. Schauspielerisch groß, mit dem Versuch sich als Franchise zu entwickeln, gelingt das Wagnis, wenngleich es natürlich auch nie vollends überzeugen kann. Dafür hebeln die Schauspieler weite Teile der Probleme aus und es bleibt ein recht solider Eindruck.
