Bewertung: 4 / 5
Mit Black Widow erscheint ein Film im Kino, welcher Jahre zu spät ins Kino kommt. Da können wir uns glaub ich alle einig sein. Scarlett Johansson spielt Black Widow im MCU schon 10 Jahre, ihr Schicksal kennen wir bereits aus Endgame. Umso fragwürdiger, dass wir nun noch einen Film bekommen, ein Prequel über eine Figur, die wir eigentlich alle kennen. Man kann darüber urteilen, ob der Erfolg von DCs Figur Wonder Woman diesen Film erst realisierte. Da der Film 2018 angekündigt wurde, sind die Gerüchte, dass Marvel aufgrund der Kritik an der Figur in Avengers - Endgame (im Gegensatz zu Tony Stark bekam sie z.B. kein Begräbnis) als Entschuldigung ihr einen Film spendierte, wohl bei den Haaren herbeigezogen. Und doch wirkt es so, als würde man im Nachhinein Scarlett Johansson eine Plattform bieten, die längst überfällig war. Auch wenn ein Film zu spät kommt oder gar unnötig ist, heißt dies ja nicht, dass man auch schlechten Inhalt serviert bekommt...oder doch?
Handlung
Nachdem Natascha Romanoff im Jahr 2016 Team Cap am Flughafen die Flucht ermöglichte und somit gegen die Sokovia Akkorde verstieß, befindet sie sich auf der Flucht. Als ein Paket aus Budapest sie erreicht und sie wenig später von einem Attentäter attackiert wird, entschließt sie sich eine gefährliche Mission durchzuführen. Denn der "Rote Raum", den sie zerstört zu haben glaubt existiert. Und Natascha muss ihre eigene Vergangenheit konfrontieren um das Schicksal der Welt zu retten - alleine unter Feinden und ohne Hilfe von Göttern und Supersoldaten.
Trailer zu Black Widow
Figuren
Ich möchte nur kurz drauf eingehen, da die Gefahr vor Spoilern doch zu groß wäre. Scarlett Johansson bekommt endlich ihren verdienten Auftritt in einem Solofilm. Spätestens mit Endgame wurde die Figur zu einem Fan-Liebling, ihr letzter (?) Auftritt läutet somit ein würdiges Ende der Figur sein. Doch Marvel wäre nicht Marvel, wenn nicht auch die Zukunft geplant werden würde. Mit Florence Pugh (Yelena Belova) hat der Film einen heimlichen Star. Puppengesicht und tolle Actionsszenen, dazu ein absolut düsterer Humor - von ihr kann man ruhig mehr sehen. David Harbour (Alexei Shostakov) als Red Guardian ist der Comic Relief des Films, hat aber tolle Momente. Rachel Weisz (Melina Vostokoff) kommt krüzer als gedacht vor. Der Taskmeister wird dann die Fans spalten. Ich hätte gerne mehr von ihm gesehen, da Scarlett aber im Fokus steht und der Schurke des Films die Schuld der Vergangenheit ist, passte dies trotzdem. Kritisieren kann man dann noch, dass in diesem Film voller Russen einfach zu wenig Russen vorkommen...bei anderen Nationalitäten wäre dies sicherlich ein Shitstorm wert.
Kritik
Ließt man die Inhaltsangabe erkennt der geschulte MCU-Zuschauer schon, dass dies ein Prequel ist und dass wichtige Elemente der Vergangenheit der Figur thematisiert werden. Immerhin steht Budapest seit 2012 symbolisch für den Wunsch eines Black Widow-Filmes. Und 2016 ist das Jahr des Civil War. Handlungstechnisch bewegen wir uns somit kurz nach Captain America - Civil War und vor Avengers - Infinity War.
Bei der Frage was die Figur da erlebte, hätte die Antwort auch: "Nichts" sein können. Immerhin wissen wir dank des Infinity War Prelude Comics, dass Black Widow als Secret Avenger gemeinsam mit Sam Wilson und Steve Rogers weiterhin Menschen rettete. Trotzdem saugten sich die Schreiberlinge eine Story aus den Fingern, welche dank kurzen Hinweisen tatsächlich eine Daseinsberechtigung besitzt.
Natascha muss ihre eigene Vergangenheit konfrontieren, was Sinn ergibt. Der Film orientiert sich dabei simpel an gewissen Vorbildern, namentlich handelt es sich um Spionagefilme. Ich zitiere Moviejones: James Bond (Plot), Mission: Impossible (bodenständig abgehoben) und den Jason Bourne-Filmen (Kämpfe). Dies gemixt mit den MCU ergibt eine wahrlich launige Mischung. Tatsächlich ergibt dies einen Film, welcher an die James Bond-Filme der 90er erinnert. Russland = Böse, Amerika = Paradies, der Schurke ist quasi 1:1 aus diesen Filmen übernommen und die Action ist komplett übertrieben - eigentlich ein veraltetes Weltbild.
Dabei ist es die Action, an der man sich mittlerweile satt gesehen hat. Nach einem spannenden und nervenauftreibenden Intro kommen nur noch gefühlt 3 Action-Szenen auf uns zu. Und doch handelt es sich um die klassische MCU-Formel, Verfolgungsjagden, Zerstörung und Kämpfe. Wirklich neu ist dies nicht und so erlangt der Film nicht wirklich eine Daseinsberechtigung. Aber wie bei WandaVision macht der Film am meisten Spaß, wenn er MCU-untypisch ist.
Black Widow hat zahlreiche ruhige, emotionale Momente. Die "Familie" und die "Konfrontation mit der Vergangenheit" sind essentielle Themen und führen zu tollen Charaktermomente. Gerade kurz vor dem Finale fühlt man sich an die tolle Szene aus Avengers 2 in Bartons Landhaus erinnert. Hier macht der Film dann tatsächlich Spaß, da er uns die Figuren näher bringt - selbst eine Natascha, die wir kennen. Der Film ist somit eher charakterbezogen. Anders als ein Iron Man 3 orientiert man sich dann glücklicherweise an einem weiteren Spionagefilm des MCU: Captain America - Winter Soldier. Auch Elemente von Logan lassen sich wiederfinden. Der Film ist dabei für MCU-Verhältnisse äußerst düster. Er geht mit der grausamen Geschichte der Natascha Romanoff natürlich nicht R-Rated um, trotzdem gibt es Szenen, die ich so noch nicht im MCU sah. Der Marvel-Humor kommt natürlich nicht zu kurz, aber manchmal muss man beim schwarzen Humor doch schon schlucken.
Fazit
Man erkennt es schon, ich bin sehr zufrieden mit dem neusten Produkt. Der Film ist meiner Meinung nach dabei viel besser als ich erwartet habe. Böse gesagt, sogar besser als er sein sollte. Denn es bleibt der fade Beigeschmack, dass dieser Film komplett unnötig ist - zu spät kommt er sowieso. Ich will erklären weshalb ich dies so sehe:
Ich war nie gegen die Idee eines Black Widow-Films. Auch wenn die Figur zu Beginn immer als Nebenfigur agierte, so war die Hintergrundgeschichte sicherlich interessant genug für einen eigenen Film. Immerhin war sie eine Feindin von Shield. Ein Shield-Film mit Fury, Natascha und Hawkeye wäre logisch und passend gewesen - auch heute noch wo Black Widow ihren eigenen Film nun bekommen hat. Denn da dieser Film nicht erschien und auch erhoffte Cameos in Agents of Shield ausblieben, wählte man einen anderen Weg. So erfuhren wir in Marvels Avengers mit einigen Andeutungen mehr über Nataschas dunkle Vergangenheit. Szenen mit Loki und Barton gaben uns Puzzle-Teile, der Kop arbeitete dies aus. In Avengers - Age of Ultron wurde dies weitergesponnen: wir sahen den Roten Raum, lernten in einer emotionalen Szene ihre grausame Vergangenheit kennen und Joss Whedon nutzte bereits Horror-Elemente um dies darzustellen. Der Rote Raum und dessen Ursprung war dann auch Thema in Agent Carter. Wie Frauen zu Black Widows gemacht wurden, wurde hier großartig dargestellt - Elemente davon nutzte nun auch dieser Film. Schlussendlich ergab sich ein komplettes Bild über Nataschas Vergangenheit, bei dem dieser Film nun weitere Elemente hinzufügte. Doch unsere Sichtweise ändert dieser Film nicht, wir werden die Figur nicht mit anderen Augen sehen und letztendlich zielt der Film wohl nur ab uns eine neue mögliche Black Widow vorzustellen. Der Film kommt somit zu spät, da wir genug von Nataschas Vergangenheit wussten und er ist unnötig, da er uns zu wenig gibt. Man fühlt sich an Solo - A Star Wars Story erinnert - nett aber unwichtig.
Die Frage ist dabei wie es weitergeht. Der Film spielt 2016, Natascha stirbt 2023. Dazwischen gibt es tatsächlich Möglichkeiten eines Sequels, was sicherlich zur Sprache kommt, wenn der Film Gewinne einbringt - Bedingung ist natürlich, dass Scarlett Johansson dies will. Das Ende ist ein bisschen unrund und tatsächlich wirkt es, als würde eine wichtiige Szene fehlen. Auch die Verbindung zum Winter Soldier, Hydra und den Russen, kurz thematisiert noch in Agent Carter (da gab es ja auch noch dieses offene Ende!) wurden leider nicht thematisiert. Missionen mit den Secret Avengers oder Natascha als Anführerin der Avengers nach dem Snap - Potenzial wäre genügend da.
Aber es wäre wie bei diesem Film - zu spät! Und möglicherweise ebenfalls unnötig. Deshalb liegt die Zukunft wohl bei Disney+, frei nach dem Motto "All is connected" könnte sogar ein geniales Event auf uns warten. Auch wenn dieses Fazit wohl streng und unfair klingt, so bleibe ich dabei: der Film hätte nicht sein müssen. Wohl wegen Perlmutter, ehemaliger CEO von Marvel Entertainment, kam es früher nicht dazu. Und danach war es wohl auch der Erfolg von WW, die diesen Film pushte.
Auch wenn der Film somit zu spät kommt und unnötig erscheint, hat dies ja keinen Einfluss auf die Handlung. Und die ist gut, der Film weiß zu gefallen und kann überzeugen. Die Action-Pieces sind bombastisch, die emotionalen Szenen der Familie (wegen Fast&Furious natürlich ein Grinsen wert) ein Highlight des Films und nach The Falcon & The Winter Soldier hab ich gemerkt, dass mir diese geerdeten Spionagethriller im MCU-Style sehr gefallen. Der Film ist für MCU-Fans sowieso ein Muss und Fans der Figur bekommen, auf was sie sicherlich schon lange warteten. Alle anderen kommen meiner Meinung nach aber auch auf ihre Kosten, es sei denn man ist Marvel-Purist. Und so beschehrt Marvel uns einen Schwanengesang auf die Figur der Natascha Romanoff und einen würdigen Abgang von Scarlett Johansson, die endlich mal im Scheinwerferlicht stehen darf.