Bewertung: 4 / 5
Ottway (Liam Neeson) verbringt noch wenige Stunden in Alaska, wo er wie viele andere Männer, die das Wort Zivilisation lange nicht mehr aussprachen, für eine Ölbohrfirma tätig ist. Der Verlust seiner Partnerin schmerzt ihn und es fehlt nicht viel, dass er seinem Leben in dieser Einöde ein Ende setzt. Kurz darauf steht der Rückflug an und die Jungs finden sich in einem kleinen rumpeligen Charterflugzeug wieder. Doch dieser Flug verläuft alles andere als komplikationslos, die Maschine stürzt über einer Schneewüste ab und nur wenige Insassen überleben. Bald wird klar, dass keine Hilfe zu erwarten ist und die Männer die Absturzstelle verlassen müssen. Kälte ist jedoch nicht der einzige Feind in dieser unwirtlichen Einöde: Ein Rudel Wölfe macht schnell deutlich, dass dies ihr Jagdrevier ist und so bleibt den Männern nur, sich dem Schneesturm und den Jägern zu stellen...
Wer sich an dem Prinzip "Zehn kleine Negerlein" stört, das in The Grey - Unter Wölfen zum Tragen kommt, der sollte wahrlich nicht weiterlesen. Nach der Pressevorführung trafen wir einige Medienvertreter, die genau das dem Film vorwarfen, denn "schließlich hätte man alles schon mal gesehen". Sicherlich, doch so sprechen Leute, denen das Gefühl der Unterhaltung bei jedem Popcornfilm abgeht. Zurückgefragt: Wie soll so ein Film anders funktionieren, der an die Urängste in uns appelliert? Insofern ist nicht relevant, was gezeigt wird, sondern wie die altbekannte Story diesmal in The Grey umgesetzt wird - und die geht nahe.
Wir erleben anfangs einen unglaublich resignierten Ottway (Neeson), dem die ersten 10, 15 Minuten des Films gewidmet sind. Bekommen mit, wie er am Rande der "Gesellschaft" in Alaska jeden Tag versucht, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich aus Trauer um seine Frau von allem abkapselt. Doch bevor der Film ein stilles persönliches Leiden wird, wird man auch schon mitten in die Kälte der nordischen Welt katapultiert, die die wenigen Überlebenden nach dem Absturz umfängt. Schnell zeigt sich, welches Gebaren Menschen in Extrem- und Katastrophensituationen an den Tag legen, doch es bleibt nicht viel Zeit zum Überlegen, denn die Natur greift unerbittlich an. Was nützen GPS-Empfänger, Thermoskannen und putzige Taschenmesser, wenn man verletzt, hungrig und gejagt in einer unwirtlichen Umgebung überleben muss?!
Die Macher hinter The Grey - Unter Wölfen - Regisseur Joe Carnahan (Das A-Team - Der Film) und die Produzenten, darunter Ridley und Tony Scott - haben ein großartiges Händchen bei der Darstellerwahl bewiesen. So wie Neeson den einsamen Grauen in der Gruppe spielt, der sich zu so etwas wie einem Anführer entwickelt, so verkörpern die anderen Darsteller ihre Rollen mit aller Überzeugung. Da ist beispielsweise Dermot Mulroney, den wir immer noch als aalglatten Typen an der Seite von Julia Roberts in Die Hochzeit meines besten Freundes in Erinnerung haben, der hier jedoch - altersbedingt weise? - einen äußerst sympathischen, zurückhaltenden Talget spielt. Auch Dallas Roberts (Todeszug nach Yuma) bewahrt noch das letzte bisschen Zivilisation in dieser Einöde. Und natürlich gibt es auch den Aufsässigen, gespielt von Frank Grillo (Warrior), der viel dafür tut, um am Ende des Tages als Hassfigur Nr. 1 dazustehen, doch so einfach machen es sich die Macher nicht. Kurzum, die Charaktere in The Grey - Unter Wölfen sind nicht so dahingerotzt, und die ein, zwei Längen im Film sind der Charakterzeichnung geschuldet. Dies nimmt dem Film kurz das Tempo, aber wir empfanden dies auch als Gewinn.