Bewertung: 4 / 5
Joker war einer dieser Filme, die ich dieses Jahr mit vorsichtigem Optimismus betrachtet hatte, aber dieser wurde von dem unfassbaren Hype, der um den Film aufgebaut wurde, doch deutlich auf die Probe gestellt. Feiern zu viele Leute einen Film, baut sich in mir unweigerlich diese "So gut kann der doch garnicht sein"-Haltung auf. So auch hier, also ging ich optimistisch, aber mit einer gesunden Portion Skepsis in die OV am Sonntag.
Zur Information: Diese Review setzt sich zwar wenig mit der Handlungsebene, wohl aber mit den Motiven des Films auseinander und sollte daher für das optimale Verständnis erst nach dem Kinobesuch gelesen werden. Ich habe versucht auf Spoiler zu verzichten, aus den Motiven und Ideen könnte man aber sicherlich das eine oder andere Handlungsdetail ableiten. Das Fazit darf aber trotzdem wie gewohnt als Gradmesser dienen, ob der Kinobesuch lohnt oder nicht.
Trailer zu Joker
Kritik:
Den Inhaltsteil möchte ich mir dieses Mal sparen, die Trailer verrieten ausreichend, um in etwa zu wissen, worum es geht - Ein Mann, viele persönliche Rückschläge, eine Bewegung - Joker. Letztlich möchte ich auf den Inhalt des Films generell nur wenig eingehen und mich vielmehr mit den Themen und Implikationen der Story befassen, da hier der bei Weitem interessanteste Apekt des Films liegt.
Doch ein paar Worte vorab zu den Performances, denn insbesondere Joaquin Phoenix hatte natürlich mit der "Hürde Ledger" eine Erwartungshaltung zu erfüllen, die nicht größer sein konnte. Klar, Ledger hat damals 2008 eine atemberaubende Performance hingelegt, genau wie Nicholson damals 1989 der Figur extrem seinen Stempel aufdrückte. Nun möchte ich über Jared Leto nicht zu hart urteilen, er hatte wenig, mit dem er arbeiten konnte und wurde in einen Film gepresst, der nie seiner war. Dementsprechend konnte man bei ihm nie mehr wahrnehmen als eine recht oberflächliche und auf den Look beschränkte Variante der Figur. Entsprechend werden wir nie wissen, ob Leto in einem eigenen Film mehr hätte liefern können. So bleibt uns Phoenix - der hier eine der besten und intensivsten Performances seiner, ohnehin von starken Schauspielleistungen durchzogenen, Karriere hinlegt.
Arthur Fleck ist eine so spannende Figur, so sonderbar in ihren Maneurismen, so klar "off the Rails", dass man von der ersten Minute an gebannt auf all das wartet, was er im Laufe der Geschichte tun wird. Dabei ist die Perspektive sehr subjektiv die von Arthur - der Film richtet das Hauptaugenmerkt auf die verschiedenen Ausprägungen seiner offensichtlichen Geisteskrankheit. Zudem wird alles, was seinen geistigen Zustand ausmacht, noch durch weitere Andeutungen vertieft und wir fragen uns als Zuschauer zunehmend, was nun real ist und was der Wahrnehmung von Arthur entspringt. Todd Phillips - der Mann hat unter anderem die Hangover-Trilogie gemacht und könnte hier nicht weiter entfernt sein von der damaligen Stimmung, obgleich er Ansätze dessen was Joker tut, bereits in Hangover 3 und Alans Geisteskrankheit erforscht hatte, wenn auch nicht annähernd in der Intensität oder Ernsthaftigkeit wie hier. Phillips, der sich unter anderem auch für das Skript verantwortlich zeichnete, beschäftigt sich intensiv mit Flecks Geisteszustand und bleibt dabei in der Inszenierung stets sehr gefasst.
Tatsächlich ist der Film weitestgehend Konservativ gefilmt, wenn man so will, er bedient sich vieler Elemente des klassischen Hollywood, welches auch immer wieder durch Songs von Sinatra oder Ausschnitten aus Chaplins Filmen beschworen wird, und es wird schnell offensichtlich, dass hier Passion für das "Kino als Kunstform" am Werk war. Sicherlich, wenig von dem was der Film zeigt, hat man noch nie gesehen. Man denke an American Psycho oder Taxi Driver, die bereits eindrucksvoll Auseinandersetzungen mit Themen der geistigen Gesundheit ablieferten, aber Phillips exerziert hier alles sehr sauber durch und lässt uns als Zuschauer immer wieder an der Geisteswelt seines "Pro"tagonisten teilhaben.
Und hier liegt in meinen Augen bei all der gekonnten Inszenierung und dem Wahnsinns-Schauspiel von Phoenix dann auch das größte "Problem" des Films: Bei all der Empathie für das und Auseinandersetzung mit dem "Warum" in Arthurs Hintergrund stellt der Film nie die eigentlich recht zentrale Frage, ob es in Ordnung ist, was er tut. Etliche Gründe führen zum Handeln der Figur und tragen dazu bei zu verstehen, wieso und weshalb passiert was passiert. Aber unterm Strich verweigert Phillips seinem Zuschauer seine eigene Position, oder deutet sogar subtil an, dass er all das, was geschieht, mit Arthurs Geisteskrankheit zu einem Grad rechtfertigt. Wenn der Abspann läuft, fragt man sich unweigerlich, ob die politisch sehr linke Position, die der Film einnimmt, nun in Arthur begründet liegt, oder ob man den Aussagen des Films glaubt, dass all das nicht politisch motiviert war.
Wenn ein Film so eindeutig sein "Kill the Rich" als Hintergrund für die Ausschreitungen durch den Film zieht steckt da allerdings schon Programm drin. Und das Programm ist, insbesondere für den unreflektierteren Zuschauer, eben eines, welches potenziell gefährliches Gedankengut vergleichsweise simpel in Gewaltphantasien verpackt. Kann man gut finden, kann man als problematisch ansehen. Ich für meinen Teil hatte damit meine Schwierigkeiten, weshalb dieser Aspekt den Film letztlich auch von einer 9/10 auf eine gute 8,5/10 runterzieht.
Fazit:
Joker ist ein unangenehmer Film, ein provokanter, aber auch ein einfühlsamer, der sich sehr intensiv mit dem zunehmenden Abgleiten seines Protagonisten in den Wahnsinn und den Gründen dafür auseinandersetzt. Politisch gesehen impliziert er viel linkes Gedankengut, bleibt dabei aber zu unreflektiert, um darin kein potenzielles Problem, insbesondere für geistig unbedarftere Zuschauer, zu sehen. Der Score von Hildur Guðnadóttir untermalt die psychische Abwärtsspirale unglaublich intensiv und Phoenix Performance zementiert ihn einmal mehr als Weltklassedarsteller. Phillips emanzipiert sich von seinen recht oberflächlichen Komödien der Vergangenheit und liefert ein handwerklich kompetentes und nachdenkliches Stück Kino, dass zweifellos als potenzielle Origin für einen der interessantesten Comicschurken aller Zeiten hervorragend funktioniert.
Licht und Schatten liegen hier nah beieinander und was man sich letztlich aus dem Film zieht, muss man für sich ausdeuten. Ich persönlich empfand ihn als wirklich sehenswert, aber potenziell problematisch. Welchen Stellenwert er letztlich in der weiteren Filmgeschichte einnehmen wird, muss sich zeigen - fest steht jedoch, dass hier nach Filmen wie Watchmen oder Logan einmal mehr bewiesen wird, dass Comicverfilmungen fernab der Marvel-Formel exzellent funktionieren können, wenn man einen Regisseur und ein Team mit einer Idee und Vision dahinterstehen hat.
Von mir gibt es 8,5/10 Punkte bzw. abgerundet 4/5 Hüte
und obgleich der Film als fokussiertes Charakter-Drama sicherlich tagesformabhängig zu genießen ist, trotzdem eine klare Kinoempfehlung, um sich ein eigenes Bild zu machen.