Bewertung: 4.5 / 5
Der Barbier Benjamin Barker (Johnny Depp) lebt glücklich mit seiner Frau und Tochter in London. Durch einen Hinterhalt wird er nach Australien zur Zwangsarbeit verbannt. Der mächtige Richter Turpin (Alan Rickman) lockt Barker in einen Hinterhalt, weil er an dessen Frau interessiert ist. Fünfzehn Jahre später kehrt Barker unter dem Namen Sweeney Tood zurück und sinnt auf Rache. Neben seinem Geschäft befindet sich die Bäckerei von Nellie Lovett (Helena Bonham Cater), von welcher er erfährt, daß seine Frau von Turpin missbraucht wurde und anschließend mit Arsen vergiftet wurde, während seine Tochter gefangengehalten wird. Sweeney Todds Hass auf die Menschheit weckt und er beginnt zu Morden.
Die Existenz, so scheint es zumindest, ist an die Endlichkeit gebunden. Sofern wir denn nicht nach unserem Ableben in irgendeiner Form von geisterhaftem Bewusstsein herumspuken, gibt es für alle Menschen nur ein Ende der Reise. Das ist die einzige Sicherheit, die das Leben bietet. Das kann einen zum Zyniker machen und man könnte sich in lethargischer Manie in den tiefsten Löchern der Seele verkriechen. Doch was wäre, wenn der Tod auch etwas Befreiendes zu sich hat und vielleicht das Leben davor nur der Anfang von allem ist. Das ist eine philosophische, wie auch theologische Frage und vielleicht nicht ganz zentral für das Medium Film. Schließlich können Filme gar nicht anders, als das Leben in irgendeiner Weise zu skizzieren. Seien es Dramen, seien Dokumentationen, sei es irgendein Narrativ und schon entsteht ein Film. Auch Tim Burton kann dieser Tatsache nicht entfliehen und dennoch zählte er für lange Zeit zu einem der beeindruckendsten Regisseure des Hollywood-Kinos. Denn Tim Burton hat eine Faszination für das Morbide, für die Gotik und ebenso für das Leben. Mit Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street erzählt Tim Burton eine Geschichte über Rache. Dabei kombiniert er grandios zwei Genres, die unterschiedlicher nicht sein könnten und macht das Werk in Sachen Deutung zur einvernehmlichen Farce.
Trailer zu Sweeney Todd - Der teuflische Barbier aus der Fleet Street
Als der Barbier Benjamin Barker durch eine List zur Zwangsarbeit nach Australien verbannt wird, sinnt er auf Rache, an dem Mann, der ihm seine Familie und damit auch sein Leben nahm. Das ist tatsächlich über weite Strecken ein ziemlich harter Tobak. Dabei ist es erstaunlich, daß gerade dieser Umstand erst mit diesem Film auffiel. Denn obwohl sich Tim Burton seit jeher eigentlich immer mit skurrilem und ernsthaften Themen beschäftigte, ist Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street sein wohl ernsthaftester Film. Klar bedienen auch Werke wie Sleepy Hollow (1999) Geschichten, die auf den ersten Blick mal so gar nicht für eine gemütliche Runde taugen. Doch der entscheidende Unterschied, und damit die Stärke von diesem Film ist, daß Burton trotz seines exzentrischen Stils und dieser skurrilen Kombination aus Slasher und Musical darin brilliert, daß seine Geschichte glaubwürdig ist. Hier gibt es eigentlich nichts zu lachen, weil auch die Schauspieler die Geschichte so ernst nehmen und in jeder Faser dieser Bilder so viel Trauer, Dunkelheit und Wut steckt. Wenn ein Sweeney Todd durch die nächtlichen und kalten Straßen von London spaziert, dann hat das eine Kraft und Brutalität zu sich, weil die gequälte Seele der Figur sich nicht nur in dazu passenden Bildern bewegt, sondern die reine Umwelt durch die Klarheit eben auch greifbar werden.
Dann kommen die Schauspieler und allen voran Johnny Depp. Nun gehört Johnny Depp eigentlich einem Kuriosum an. Denn während Depp gerade in 2010ern eigentlich alles verlor, was ihn zu einem einzigartigen Schauspieler machte, ist er in diesem Film so großartig, weil er für ihn typische Spielweisen völlig zurücknimmt. Klar wirkt das zunächst albern, wenn ein Friseur mit Klinge umhergeht und Leute abmetzelt. Und doch gelingt es Johnny Depp diese Figur, ob ihrer Tragik so glaubhaft zu gestalten. Ein weiterer Pluspunkt ist dabei, daß die Geschichte sich auch Zeit lässt, eben jenen Verfall deutlich zu erklären. Da gab es sicherlich mal einen Optimismus und da gab es all die Dinge, die das Leben so lebenswert machten. Doch dann kam es ganz anders und die Figur spielt über weite Strecken ein wirklich wirkungsvolles Katz und Maus-Spiel mit seinem einstigen Peiniger. Dann wiederum sind auch die meisten anderen Beteiligten großartig. Zwar mögen Helena Bonham Carter, Alan Rickman und Timothy Spall, für sie typische Figuren verkörpern und dennoch merkt man hier eine grundlegende Spielfreude und den Eindruck, etwas Großes auf die Leinwand zu zaubern. Und zumeist, kann man das auch so unterschreiben. Dabei wirken vor allem die Szenen der direkten Gegenüberstellung besonders, weil sich die Figuren nicht nur gegenseitig an die Wand singen, sondern dadurch der Konflikt, der hier geschürt wird, greifbar wird.
Warum sich also die Kritik daran störte, daß Johnny Depp nun nicht der beste Sänger ist, bleibt an der Stelle ein Rätsel. Denn Musik, beziehungsweise Texte, werden erst dann glaubhaft, wenn sie mit wahren Emotionen gefüllt werden. Klar ist das sehr subjektiv, und dazu darf auch jeder eine andere Meinung haben. Allerdings ist Depp, selbst wenn er stimmlich nicht an Bonham Carter oder Rickman heranreicht, rein vom schauspielerischen und der darin eigentlich immer münden sollenden Authentizität, eine Instanz, an der man in diesem Film nicht vorbeikommt. Etwas schwieriger hingegen ist Sacha Baron Cohen, dessen Karriere nach Borat – Kulturelle Lernung von Amerika, um Benefiz für glorreiche Nation von Kasachstan zu machen (2006) auch besser wieder vorbei gewesen wäre. Da kommt es dann zum Streit, zwischen Betrug und Talent. Metaphorisch ist das natürlich in sämtliche Kunstkategorien, insbesondere ins Filmhandwerk zu stecken. Doch Cohen ist hier vor allem eines, nämlich total nervend. Zwar erfüllt seine Figur im Kontext der Handlung eine durchaus wichtige Funktion, dennoch gelingt es Baron Cohen nie konstant auf einem Niveau zu bleiben und wirkt in seiner Ernsthaftigkeit auch mehr gekünstelt.
Übergeordnet versteht sich das Werk als Kombination aus Jack the Ripper und einem Werk von Charles Dickens. Das für sich genommen kann eigentlich nur ein Tim Burton kombinieren, der das an der Stelle auch mehrfach unter Beweis stellt. Denn er gibt den Figuren den Raum, den sie benötigen, um sich glaubhaft anzufühlen. Dann kombiniert er auch tadellos seine Musical- und Slasher-Einlagen. So überraschen die Bilder teilweise in ihrer Drastik, weil Burton sie gekonnt über stilisiert. Da sieht man Blut und dieses Blut und die Groteske wirken eher untypisch für den Künstler, der sich damit noch einmal mehr selbst erfinden konnte. Dabei geht es auch keineswegs um bloße Zweckdienlichkeit oder Schocker, sondern um die bereits angesprochene Ernsthaftigkeit, die den Film noch ein weiteres Mal von anderen Burton-Werken abhebt und dennoch so vertraut scheint. In gewisser Weise kann das auch mitunter als Style over Substance gewertet werden, doch allzu sicher sollte man sich da nicht sein. Denn Burtons Werk kombiniert viele Ebenen der Kunst, neben den offensichtlichen, der Geschichte um Rache und ihrem musikalischen Anteil ist die von Burton geschaffene Ästhetik schon einzigartig und spiegelt den surreal anmutenden Blick auf die Welt wider, ohne sich dabei in einem spätromantischem Zynismus zu verlieren.
Klar gibt es da keinen Ausweg und das Ende macht das auch überdeutlich. Doch gerade, weil es diesen nicht gibt und gewisse Moralgrenzen nicht überschritten werden, kann sich dieses Werk sehen lassen. Denn hier wird zwar in gewisser Weise provoziert, doch ist die Provokation keine reine Provokation, die einfach da ist, um jemanden zu verärgern. Auch zückt der Film dabei alle Register, indem er natürlich musikalisch auch überzeugen kann und auf der anderen Seite im reinen Handwerk, gerade im Hinblick auf die Kamera großartig dynamisch durch das Geschehen leitet.
Tim Burton vereint Welten, die eigentlich nicht zusammenpassen. Gerade mit Sweeney Todd – Der teuflische Barbier aus der Fleet Street stellt er das unter Beweis, weil sein reines Handwerk hier atemberaubend ist. Ob Anfang, ob zweiter Akt und oder das grandiose Ende, alles wirkt auf einem Punkt. Selbst wenn sich inhaltlich manchmal die ein oder andere Länge auftut, überstrapaziert Burton hier nie die Nerven und holt auch aus seinen Schauspielern das Beste raus. Das zeigt sich besonders an Depp, der hier eine große Leistung abgibt, während aber auch Rickman und Carter zu überzeugen wissen.