Bewertung: 4.5 / 5
Es ist das zweite Jahr in Batmans Kreuzzug gegen das Verbrechen in Gotham City, als eine schreckliche Mordserie an Politikern und anderen hochrangigen Mitgliedern der Gesellschaft die Stadt in Angst versetzt – und an deren Tatorten der mysteriöse Mörder Riddler an Batman adressierte Grußkarten hinterlässt. Zusammen mit Jim Gordon, einem der wenigen guten Cops im Sündenpfuhl Gotham, versucht Batman den Riddler zur Strecke zu bringen. Ihr Weg führt sie dabei durch Gothams Unterwelt, die mit der Elite der Stadt enger verbunden ist, als beiden lieb ist. Verkompliziert werden die Ermittlungen durch die Diebin Catwoman, mit der Batman eine Art uneasy alliance eingeht, die dabei aber ihre eigenen Ziele verfolgt.
Ganz ehrlich: als ich gelesen habe, dass der neue Batman-Film drei Stunden dauern sollte, da musste ich laut seufzen. Von Regisseur Matt Reeves war ich eh nur semi-überzeugt (die Filmographie reicht von belanglos bis ganz gut – die Schlüssel zum Batman-Franchise hätte ich dem aber nicht gegeben) und bei den sitzfleischzehrenden Laufzeiten, die im Blockbusterkino der letzten Jahre Überhand genommen haben, bei denen aber Geschichte für inhaltsleere Materialschlachten auf der Spur bleiben, rechnete ich mit einer Tortur von Film. Dazu kam die „Neuinterpretation“ des Riddlers, die gar nicht so neu war und spätestens seit „The Dark Knight“ in einschlägigen Internetforen immer wieder von den gleichen unkreativen Fans („Wäre es nicht cool, wenn der Riddler Jigsaw wäre?“) wiedergekäut wurde – ich hatte nach den Trailern schlicht mit einem Edgelordfest gerechnet, das schlichtweg nicht das war, was ich sehen wollte. Und als Protagonist des Universums ist nunmal wichtig, dass hunderte Millionen teure Filme genau auf MICH zugeschnitten sind und auf niemanden sonst. Nachdem ich den kompletten Film gesehen habe, muss ich jedoch zugeben: ich habe mich geirrt...
Trailer zu The Batman
Befassen wir uns zuerst mit dem wichtigsten Punkt: „The Batman“ ist ein Fest für die Augen. Reeves und Kameramann Greg Fraser, der im letzten Jahr schon mit Denis Villeneuve Arrakis zum bildgewaltigen Leben erweckt hat, erzählen die Geschichte mit stilsicherer Hand und erzeugen ein atmosphärisch dichtes wie auch klaustrophobisches Gotham, das irgendwo zwischen 70er-Vigilantenfilm („Ein Mann sieht Rot“ und „Taxi Driver“) und Cyberpunk Megacity angesiedelt ist – tatsächlich sieht Gotham hier mehr nach dem L.A. aus „Blade Runner“ aus als in „Batman Begins“, obwohl letzterer ersteren als expliziten Einfluss nannte. Gerade nach den MCU-Filmen des letzten Jahres ist es angenehm, endlich wieder einen Superheldenblockbuster mit einer visuellen Idenntität zu sehen, mit einem klar definierten Stil, der über Point and Shoot hinausgeht, und in dem jedes Bild mit Fürsorge und einem gewissen Grad an Ästhetisierung gestaltet wurde. „The Batman“ ist ein Film, den man auch ohne Ton genießen kann, in dessen Bilder man wie bei einer guten Graphic Novel versinken möchte.
Glücklicherweise sind die Bilder aber kein Selbstzweck, sondern bilden, da ist der Film ganz dem klassischen Kino verhaftet, streng eine Einheit mit Geschichte, Charakteren und Subtext. Viel wurde im Vorfeld von der Nähe des Films zu David Fincher im Allgemeinen und „Sieben“ und „Zodiac“ im Speziellen geredet. Die Parallelen sind kaum zu übersehen, insbesondere in der Figur des Riddlers, der dem echten Zodiac Killer in Aussehen und Manierismen nachempfunden ist, aber die Einflüsse enden nicht dort: über die den Prolog bestimmende Slasherausrichtung geht es zu Hitchcock, aber auch zu Michael Mann, der mit „Heat“ bereits eine Inspiration für einen anderen Batman-Film lieferte, und dessen „Manhunter“ hier zum Vorbild genommen wird. „Manhunter“ ist ein Film der Perspektiven, dessen entscheidende Wendung darin besteht, sich über deren Inhalte hinweg mit ihrer Entstehung auseinanderzusetzen. Wir erinnern uns: erst als Will Graham erkennt, dass die Super 8-Filme im gleichen Labor entwickelt wurden, kann er die Zahnfee stoppen. In „The Batman“ geschieht etwas ganz ähnliches: die Bilder, die die verschwörerischen Verstrickungen der Stadt zeigen, sind aus der Wohnung des Riddlers heraus aufgenommen worden – nur erkennt Batman dies nicht.
Hierin zeigt sich die Nähe der Charaktere Batman und Riddler, die den gleichen narzisstischen Antrieben folgen. Batman hat sich bereits so sehr mit dem Blick des Riddlers identifiziert, dass er gar nicht mehr in Frage stellt, aus welcher Richtung der Blick kommt. Er muss erst auf ganzer Linie scheitern (Spoiler), um sich von genau diesem Blick zu lösen und eine Art Vogelperspektive („You are not seeing the bigger picture!“ heißt es mehrmals) einnehmen, um sich und seine Rolle in der Stadt über- und neuzudenken. Die Identifikation mit dem Blick des Sadisten ist dabei bereits von Anfang an in den Film eingebrannt, beginnt er doch mit einer voyeuristischen Point of View-Einstellung durch ein High Tech-Fernglas, das sowohl vom Riddler als auch von Batman sein könnte. Insofern kann man den Film auch als subversiv verstehen, indem er unseren Wunsch nach einem Batman, der Vergeltung verschafft, mit der nihilistischen Zerstörungswut des Riddlers gleichsetzt.
Trotz all seiner thematischen Dichte und formalen Ausgeklügeltheit ist „The Batman“ jedoch keine Übung in Didaktik, sondern ein von einem trockenen Humor („Thumb... drive.“) durchzogener Film, der seine vergleichsweise wenigen Actionsequenzen wohldosiert einzusetzen weiß und sie, bis auf das leider etwas zu konventionelle Finale, mit dem gleichen Stilbewusstsein ausstattet, wie den Rest des Films. Besonders hervorzuheben ist eine Szene, in der Batman nur durch Mündungsfeuer beleuchtet wird und so die einzelnen Actionbeats zu Momentaufnahmen werden. Das darf man abwechselnd als Übersetzung von Comic Panels in Bewegtbilder oder als Anspielung auf „Equilibrium“ mit Ex-Batman Christian Bale verstehen.
Die Darsteller sind, bei dem Kaliber aber auch nicht anders zu erwarten, durch die Bank weg gut aufgelegt. Vor allem Pattinson überzeugt als obsessiver und traumatisierter Batman, es ist beeindruckend, wie viel er alleine durch Blicke in einer Halbgesichtsmaske kommunizieren kann. Aber auch der nahezu unerkennbare Colin Farrell ist eine Freude („Why you showin me dis, eh?“), ich bin dann doch froh, dass man nicht einfach Richard Kind gecastet hat. Besonders hervorheben möchte ich übrigens Michael Giacchinos Score, der sich irgendwo zwischen Elfman/Walker und (believe it or not) Miles Davis bewegt. Gerade das Batman-Theme hat sich in meine Gehörgänge eingefräst und will immer und immer wieder gehört werden.
Mit „The Batman“ hat WB neben „Dune“ zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres einen großen, stilsicheren Blockbuster hingelegt, der an längst vergangene ambitionierte Großproduktionen von Gestern erinnert. Wenn Intellectual Properties schon in Hollywood herrschen müssen, dann bitte so und nicht anders. Abzüge in der B-Note gibt es für kleinere Logiklücken, die den Sehgenuss aber kaum schmälern.