Bewertung: 4 / 5
Im Jahr 1823 steht das Königreich Dahomey unter dem Imperium Oyo. Der König der Dahomey Gehzo (John Boyega) ist dazu gezwungen, Abgaben an die Oyo zu zahlen. Seine Generalin Nancisca (Viola Davis) ist die Anführerin der mächtigen Agojie, einer Elite-Einheit aus Frauen, die für ihre außergewöhnliche Brutalität bekannt sind. Neu in dieser Gruppe ist die rebellische Nawi (Thuso Mbedu), die immer wieder in einen Konflikt mit Nancisca gerät.
Immer wieder erwischt man Hollywoodproduzenten bei einer kleinen, erheuchelten Offenheit. Seit einigen Jahren spricht man von einem Wandel in der Traumfabrik, der vermutlich in dem sogenannten Weinstein-Skandal seinen Ursprung hat. Das Feindbild aller linken Revoluzzer war damit eindeutig definiert. Der weiße alte Mann, der im Falle von Weinstein die Grenzen des guten Geschmacks ja auch deutlich überschritt. Retrospektiv spricht man also hier von einer Art Geburt, die das Kino so ein wenig veränderte. Ob dem wirklich so ist, und ob sich die Machtstrukturen verbessert haben, daß sei mal dahingestellt. Tatsächlich wirkt es ja auch oft eher so, als wäre die These jedweder Rechtfertigung nun mehr Repräsentation, bedeutet bessere Filme. Das ist natürlich Quatsch und eigentlich sollte man, sofern man das denn kann, Kunst und Künstler immer trennen und separiert von der Produktion hinter dem Werk betrachten. Doch das scheint heute eher weniger zu gehen. Tatsächlich ist The Woman King kein Film, der frei von Fehlern ist. Hin und wieder schleichen sich da einige Ideen ein, die das geschulte Auge schon aus dutzenden anderen Filmen kennt. Es ist letztlich der „Ich bin den Vater“-Twist. Wenngleich hier an der Stelle inkorrekt gegendert wurde, trifft das zu. Und gerade das ist schon schade, weil der Film von Sekunde eins auf diese Fallhöhe baut, die in langer Exposition aufgebaut wird, aber darüber hinaus eben genauso schnell verpufft, weil altbekannt.
Trailer zu The Woman King
Wenn es eine Sache gibt, die diesen Film auszeichnet, dann ist es vor allem das Schauspiel. Gerade die Generalin Nanisca, die von Viola Davis gespielt wird, brennt sich sofort in das Gedächtnis. Davis ist ja auch dafür bekannt, aus dem letzten Schrott – *Hust Suicide Squad (2016) *Hust – noch eine absolut überragende schauspielerische Leistung herauszuholen. Wann immer Generalin Nanisca die Leinwand betritt, hat Davis den gesamten Film in ihrer Hand. Ihre Figur ist verschlossen, vertieft in Gedanken und Blicke, voller Wut und einer Vergangenheit, die man vielleicht leicht erahnen kann, die sie aber durchaus interessant macht. Dann wiederum überzeugen auch Lashana Lynch, Thuso Mbedu, Sheila Atim, John Boyega, aber auch Hero Fiennes Tiffin, die relativ interessante Figuren verkörpern. Wenngleich nicht alle die gleiche Komplexität erreichen, so sind doch alle Figuren sehr gut gespielt. Es gelingt dem Film dadurch auch schwerwiegende Themen wie etwa Missbrauch, Macht, aber auch ganz klar den sozialen Stand aufzugreifen. Wenngleich der Film immer wieder auch ein Augenmerk auf den großen Epos legt, verliert er nie die eigentliche Geschichte aus den Augen. Man könnte natürlich hier anmerken, daß es vielleicht ein bisschen seltsam ist, daß Männer in dieser Welt kaum eine Rolle spielen. Wobei das hier wohl kaum einer politischen Agenda vorzuwerfen ist, sondern schlicht und ergreifend geschichtlichen Gegebenheiten. Der Film hat dabei immer den Anspruch, als ernstes Werk verstanden zu werden, in dem es nicht darum geht, irgendwelche Schonungen auf den Zuschauer zuzulassen. Gleichsam ist er aber auch ganz gut darin, nicht etwa das ewige Leidthema Afrikas als Opfer-Kontinent in den Mittelpunkt zu rücken. Natürlich sollte man das auch nicht kleinreden, doch geopolitische Zusammenhänge sind für Filme in dieser Größenordnung vielleicht doch etwas zu komplex.
In Kontrast gestellt wird hier vor allem die Frage, ob ein Individuum alleine Entscheidungen treffen darf, oder sich höheren Instanzen unterwerfen muss. Nun gibt es ja auch in der westlichen Welt seit Jahren immer mehr das Bedürfnis, sich wieder einer Machtposition zu unterwerfen. Aus keinem anderen Grund können Autokratien mehr und mehr an Einfluss gewinnen. In The Woman King wirft Drehbuchautorin Dana Stevens die Frage auf, wann es nötig ist, seine eigene Vorstellung durchzusetzen, wann es nötig ist zu denken und sich gegen die Monarchie zu entscheiden. Gerade hier läuft der Film lange Zeit Gefahr, daß gar nicht zu thematisieren, erklärt es aber im Verlauf der Geschichte zu großen Wandlung der Figuren. Diese werde natürlich aus Sentimentalität getroffen, sind aber dann doch nur allzu gerne gesehen. Spannend ist das zudem auch, weil der Film dabei auch immer wieder Sklaverei zum Thema macht, beziehungsweise diese als Ursprung der Agojie sieht. Das ist historisch wohlbegründet, passt aber auch ziemlich gut in einen Film. Dabei wird The Woman King nie zu einem rein banalen Film, der etwa von Moral oder einem Ideal predigt. Es geht immer um die Zustandsbeschreibung und nicht etwa, wie im modernen Kino so üblich, darum, eine Seite zu lobpreisen und die andere niederzumachen. Gerade hier bieten sich durch Filme wie Birds of Prey: The Emncipation of Harley Quinn (2020) ja durchaus Diskurse über Männerhass an. Doch so banal und plakativ ist The Woman King einfach nicht.
Entscheidend ist auch das Thema der sogenannten Rasse. Was auch immer das sein soll. Und da kommt es eben dazu, daß die von Jordan Bolger verkörperte Figur Malik sehr spannend wird. So kann man sagen, daß er zwar bedingt durch seinen Stand etwas höher angesehen ist, aber durch seine Herkunft, nie so „richtig“ sein kann, wie es ein weißer Mann letzten Endes ist. Es ist natürlich mühselig diese Thematik immer wieder aufzugreifen und man müsste eigentlich auch schon viel weiter sein. Doch bedenke man gerade die letzten Jahre und das, was in den Staaten so passiert ist. Was tatsächlich auch hier passiert, dann fällt auf, daß man immer wieder auf die Herkunft zurückgeführt wird. Es fällt auf, daß es einen systemischen Rassismus gibt, nach welchem Menschen so viel versuchen können, wie sie wollen, doch letztlich nie so behandelt werden, wie Menschen mit vermeintlich weißer Hautfarbe. Man muss sich nur mal überlegen, daß selbst Black Panther-Regisseur Ryan Coogler mal fälschlicherweise von Behörden festgenommen wurde. Überdies gibt es eigentlich nicht mehr viel inhaltlich zu sagen. Das Werk ist vor allem gut, weil es gut inszeniert und gespielt ist. Hier beweist Regisseurin Prince-Bythewood ein unglaubliches Gespür für Ästhetik und einen sehr rauen Ton, der maximal durch ganz subtile Comicreliefmomente mal aufgeheitert wird. Wobei der Film nicht nur Triste ist.
Mit The Woman King ist der richtige Film zur richtigen Zeit entstanden, der es endlich mal wieder wagt ernste Themen und Kunst zu vereinen. Der Film liefert zudem großartige Bilder und eine spannende Geschichte. Gleichsam gelingt es hier allen Akteuren zu überzeugen, wenngleich Viola Davis hier mal mindestens für einen Oscar nominiert werden muss. Alles andere wäre ein Skandal. Es mag ein einfacher Stoff für einen Film in unserer Zeit sein, doch es ist kein einfacher Film, weil er ungeschönt und wunderschön zugleich ist.