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Der Junge und der Reiher

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Der Junge und der Reiher Kritik

Der Junge und der Reiher Kritik

Der Junge und der Reiher Kritik
0 Kommentare - 07.01.2024 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Der Junge und der Reiher" ist.
Der Junge und der Reiher

Bewertung: 4 / 5

Während eines Luftangriffs auf Tokio kommt die Mutter des jungen Mahito Maki (Soma Santoki) ums Leben. Dessen Vater heiratet daraufhin die Schwester seiner verstorbenen Frau und die Familie zieht aufs Land. Schwere Zeiten für Mahito, der sich überhaupt nicht mit der neuen Situation anfreunden kann. Schon bald trifft er in einem Traum auf einen mysteriösen sprechenden Graureiher (Masaki Suda), der ihm verkündet, daß seine Mutter noch lebt. Als dann noch Mahitos Stiefmutter verschwindet, macht sich der Junge auf den Weg in eine neue Welt.

Mehr als zehn Jahre ist es her, daß Ausnahme-Regisseur Hayao Miyazaki mit Wie der Wind sich hebt (2013) seinen vorerst letzten Film veröffentlichte. Ein harter Schlag für die Filmwelt, die seit den 1970er Jahren mit unzähligen Werken bereichert wurde. Und nun, wie man so salopp und klischiert sagt, will ein großer Künstler es noch einmal wissen und veröffentliche mit Der Junge und der Reiher seinen erneut letzten Film. Nun kann man über jenes Werk wohl nicht reden, ohne überhaupt mal über Miyazaki zu sprechen, denn der japanische Künstler ist wohl einer der besten Regisseure der jüngeren Kinogeschichte. Dabei ist klar, daß dieser Film auch so eine Abhandlung und eine, will nicht sagen Best-Of-Sammlung darstellen soll, doch eine Erinnerung und eine Art Abschiedsbrief für die Kinowelt hinterlässt. Der Junge und der Reiher ist ein wahrlich sperriges Werk, daß durchaus nicht jedem Gefallen wird. Zumal er thematisch auch immer wieder nur andeutet. Es gibt hier für sich genommen kein großes Thema. Nun ist das vielleicht nicht allzu verwunderlich, schließlich war das auch schon in Chihiros Reise ins Zauberland (2001) nicht anders. Dem zu Folgen ist vielleicht auch nicht immer möglich, weil Miyazaki mehr Gefühle transportieren will, als wirklich eine Geschichte zu erzählen.

Trailer zu Der Junge und der Reiher

Insofern eignet sich Der Junge und der Reiher wie kaum ein zweiter Film der jüngeren Vergangenheit dazu, zu analysieren und zu deuten. Im Kern steht zunächst die Beziehung zwischen Vater und Sohn, zwischen Shoichi und Mahito. So wünscht sich der Junge nichts sehnlicher als eine Beziehung zu seinem eher abweisenden und distanzierten Vater. Nun ist das als solches vielleicht nicht gerade originell und nach etlichen Spielberg-Filmen und Star Wars: Episode V – Das Imperium schlägt zurück (1980) nur noch schwer zu ertragen. Allerdings dient jener Konflikt auch wieder nur als Metapher für einen ganz anderen Konflikt, denn Shoichi hat seine Familie von zu Hause fortgerissen, um wichtige Arbeit im Zweiten Weltkrieg für die Japaner zu leisten. Damit handelt Miyazaki wohl den eigenen Generationenkonflikt ab und verdeutlicht, wo hier Schuld und Verantwortung liegen. Ähnliche Anleihen hatte ja bereits der letztjährige Oppenheimer (2023), wobei die Perspektive natürlich eine andere ist. Währenddessen sieht man das Feuer, daß seine Opfer einfordert und vor allem auch wieder die Natur angreift. Hier folgen Analogien auf Analogien und Metaphern auf Metaphern. Nun mag der Konflikt, der sich zwischen Tante und Neffe, in Form der neuen Mutter einbringt vielleicht etwas komisch anmuten, doch die Verwandtschaftsverhältnisse mal beiseite gelegt, überträgt sich das eigentliche Problem ja wieder auf Vater und Sohn.

Ob hier Freudsche Themen abgehandelt werden oder nicht, sei mal dahingestellt. Nun ist Miyazaki sicherlich nicht der erste Regisseur der am Rande eines Krieges und der Gewalt auf den eigenen Straßen eine Flucht in eine andere Welt wagt. Das taten auch filmische Werke wie Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia (2005) bereits und insofern mag das als solches nicht verwundern. Allerdings ist Miyzaki ein weitaus beeindruckenderer Künstler als es C. S. Lewis wohl jemals war. Die Genialität und Leichtigkeit wie Miyazaki hier vergangene Verbrechen mit gegenwärtigen Verbrechen kombiniert, die Beziehung zwischen Mensch und Natur, aber auch die der Generationen untereinander her vorstellt, ist bemerkenswert. Kaum ein anderer Film kann so viele komplexe Themen mit Leichtigkeit kombinieren und trotz dessen immer noch den Anschein erwecken, als hätte man nur an der Oberfläche gekratzt. Das ist sperrig und ja, in jedem Fall auch keine leichte Kost. Doch im Gegensatz zu manch anderen Pseudointellektuellen in Hollywood, deutlich anspruchsvoller und durchdachter. Gleichsam wirft der Film die Frage in den Raum, wie die eigene Rolle im Zusammenspiel mit aufkommenden Naturkatastrophen aussieht. Und die wahrlich größte Leistung ist es wohl, daß es Der Junge und der Reiher bei all der Fülle an schwierigen und tiefschürfenden Themen dennoch gelingt optimistisch und offen in die Welt zu blicken. Es ist fast so, als habe Miyzaki einen infantilen Blick auf die Schönheit des Lebens. Diese Behauptung wird ja schließlich durch die grundsätzliche Fantasterei und deren Auswirkung auf die reale Welt gestützt. Gleichsam ist es erstaunlich wie die juvenile Entdeckung der Welt im Hinblick auf den Verlust der Mutter gesucht wird. Das heißt, hier geht es vor allem auch darum zurückzukehren zum einfachen Unverständnis. Insofern haben der Beginn des Lebens und das Ende des Lebens ja ohnehin viel gemeinsam.

Miyazaki hat das auch alles genial bedacht und selbst wenn es nicht offenkundig ist, so muss man natürlich die Frage in den Raum werfen, welche Rolle eben der Kapitalismus und der damit verbundene moderne Imperialismus in diesem Kontext haben. Denn klar spiegelt Der Junge und der Reiher auch eine andere Zeit wider, dennoch gibt es kein Kunstwerk, daß dem Menschen nichts über seine eigene Zeit verriete. Und somit, auch im Hinblick auf Umweltthemen und Generationenkonflikte, ist natürlich klar, daß da auch die eigene Rolle in der Welt hinterfragt wird. Die Frage wird ja ohnehin aufgeworfen, ob sich seit den Waldbränden damals und der Gewalt so viel getan hat. Schließlich könnte auch hier die Parallelwelt, daß aufkommende Paradies als Metapher dafür herhalten, daß man ja eigentlich nur die Probleme vor sich herschiebt und in eine andere Welt flieht: Doch der Unterschied zu vielen anderen ist wohl hier auch, daß Miyazaki seinen Figuren die Zuflucht nimmt, wenn sie eben nicht handeln. Es ist eine deutliche Warnung, die hier ausgesprochen wird.

Fazit: Etwas sperrig ist Der Junge und der Reiher. Und dennoch handelt es sich um einen großartigen Film, der so nuanciert Trauer, Verantwortung, Flucht oder Generationenkonflikte vereint. Miyzaki gelingt ein ungewöhnlicher Film für seine Zeit, aber ein sehr gewöhnlicher für den Ausnahme-Künstler. Es ist ein schweres und tiefsinniges Werk, daß man ohne einen analytischen Blick nicht in der Lage ist zu begreifen.

Der Junge und der Reiher Bewertung
Bewertung des Films
810

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