
Bewertung: 4 / 5
In den 1930er Jahren ist Korea durch japanische Invasoren besetzt. Die junge Taschendiebin Sook-hee (Kim Tae-Ri) wird durch den Heiratsschwindler Graf Fujiwara (Ha Jung-woo) in das Haus der reichen Erbin Hideko (Kim Min-Hee) und deren Onkel Kouzuki (Jin-Woong Cho) eingeschleußt. Dort will sie zusammen mit Fujiwara an den Reichtum der jungen Frau gelangen.
Es gibt Filme die durch ihre Bildsprache bereits vieles über sich preisgeben. Während gerade Filme wie Blade Runner, oder auch die Studio Ghibli-Filme mit einer phantastischen Optik daherkommen, gibt es wiederum Filme die sich im tiefen Morast der Dunkelheit suhlen. Regisseur Park schuf selbst einige dieser tristen Werke voll von Melancholie, da verwundert es fast, daß gerade Die Taschendiebin im starken Kontrast zu anderen Werken Parks steht. Sicherlich gibt es hier und da auch düstere, melancholische Einblicke in die Welt, allerdings ist die gesamte Szenerie noch wesentlich fröhlicher als zuvor.
Trailer zu Die Taschendiebin
Darüberhinaus ist dieses Erotik-Drama zu jedem Zeitpunkt sinnlich. Wenn man dieses schwierige Genre angeht, läuft man oft Gefahr zu plakativ zu werden, so aber nicht bei Die Taschendiebin. Denn diese Sexszenen sind einerseits mit einer unglaublichen Würde den Geschlechtern gegenüber gefilmt, aber auf der anderen Seite auch mit der nötigen Rabiatheit, um die wörtliche Fallhöhe zu betonen. Es bedeutet etwas die Haut zu zeigen.
Ähnlich wie vieles an diesem Film eine tiefere Bedeutung hat, so kann man diesen Film als feministisches Werk im besten Sinne verstehen. Frauen übernehmen die Führung und sind keinesfalls nur das Objekt der Begierde, um den Plot voranzutreiben. Hier wird das Lecken an den Glocken zu einer unglaublich starken, wie auch provokanten Botschaft und symbolisch für den Sieg des weiblichen Geschlechts über das männlich dominierte Patriarchat verwendet.
Man könnte diesem Film ankreiden, er sei theoretisch Männerfeindlich. Denn die von Ha Jung-woo und Cho Jin-woong verkörperten Graf Fujiwara und Onkel Kouzuki stehen zu keinem Zeitpunkt in einem guten Licht. Doch während Filme wie Birds of Prey in mitten des 21. Jahrhunderts stattfinden, so haben wir bei Die Taschendiebin ein Period-Piece der 1930er Jahre. Eine Zeit, die sehr wohl im Zeichen männlicher Dominanz stand. Darüberhinaus bietet Park auch einen Einblick in die Geschichte Koreas unter der Führung japanischer Besatzung. Gerade das Verlagern in so eine brisante Zeit, zeigt überdeutlich wie tief die Problematik des Sexismus, aber auch der Heimat und all ihren Negativkontexten verankert ist.
Dabei führt der Regisseur seine Zuschauer auf mehrere Finten und weiß - wie so häufig im südkoreanischen Kino - zu überraschen. Das Einteilen in Teile, bzw. ersichtliche Akte dient dem Zuschauer einem größeren Verständis für die Handlung. Es ist in sich simpel, aber auch (wie so selten heutzutage) stimmig. Der Zuschauer versteht die ganze Handlung. Der Zuschauer versteht die Charaktere und ihre Motivation. Und der Zauschauer kann zu fast jedem Zeitpunkt keine Theorie über die Handlung streuen, die letztlich nicht ins Leere führt.
Doch gerade im Einteilen der Akte finden sich auch Probleme des Films wieder. Denn nach dem fulminanten Abschluß des ersten Aktes dümpelt der Film so vor sich hin und erzählt das gleiche nochmal aus anderer Sicht. Nur während sich Regisseure wie Tarantino in seinem The Hateful Eight dabei kurz fassen, und uns nur das Verständnis um ihr Konstrukt geben, wird der Film hier zur Mitte ein wenig langweilig. Es hätte vermutlich nicht geschadet den ein oder anderen Moment zu kürzen, um die Geschichte schneller voranzutreiben. Man könnte dem Film in dieser Hinsicht Faulheit, oder gar Vorwerfen er traue seinen Zuschauern nicht so viel zu, allerdings gehe ich nicht von dieser These aus.
Dennoch gleicht der Film das mit seinem rundem Abschluß im dritten Akt wieder aus und bietet in seinen besten Momenten unglaubliche Charakterstudien.
Daher ist Die Taschendiebin sehenswerter Film des modernen Kinos. Ein femnistisches Werk, samt poetischen Bildern, wie auch gekonnter Explizität. Wenngleich der Film meines Erachtens eine etwas strafferer Erzählstruktur gebraucht hätte, so kann man sich in der Metaphorik wie auch dem tollen Schauspiel, dem Geschlechterkampf und den Überraschenden Wendungen verlieren.
