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Lieber Thomas

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Lieber Thomas Kritik

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Lieber Thomas Kritik
0 Kommentare - 21.11.2021 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Lieber Thomas" ist.
Lieber Thomas

Bewertung: 4 / 5

Anfang der 1950er Jahre siedelt die Familie Barsch, deutsch-jüdischer Abstammung, von England in die noch Junge DDR. Thomas Barsch (Albrecht Schuch) wächst unter der Obhut seines Vaters Horst (Jörg Schüttauf) auf, dem sehr daran gelegen ist, den neuen deutschen Staat aufzubauen. Doch als Intellektueller und Schriftsteller, reibt sich Thomas immer wieder mit dem Staat und der Ideologie seines Vaters. Als sowjetische Soldaten in Prag einmarschieren, nimmt Barsch zusammen mit seiner Freundin Sanda (Ioana Jacob) an Protesten gegen den Kriegsakt teil, der dafür sorgt, daß Thomas in staatliche Ungnade verfällt. Daraufhin verlässt Barsch einige Zeit später mit seiner jetzigen Frau Katarina (Jella Haase) die DDR um im Westen nach Ruhm zu streben.

Eigentlich wäre es für die Figur des Thomas Barsch ein Leichtes, die Dinge um sich herum geschehen zu lassen. Als Sohn eines hohen SED-Funktionärs wächst Barsch in jenen Kreisen auf, die eigentlich davon profitieren, daß die Freiheit des Einzelnen nicht zur Debatte steht. Die noch sehr junge Deutsch Demokratische Republik, brachte all Denjenigen einen Vorteil, die an ihrer Struktur und ihrem Fortbestand mitgewirkt haben. Doch Barsch lehnt sich nicht zurück und lässt das Leben über sich ergehen. Selbst wenn man vielen Intellektuellen und Dichtern sicherlich vorwirft, daß ihr Leben darauf beruht ein System zu kritisieren, von dessen sie Teil sind, so ist Thomas Barsch durchaus ein Rebell, der sich nicht so viel darauß zu machen scheint, wen er gerade verärgert. Ob im Osten, weil er den Einmarsch der Sowjetunion in die Tschechoslowakei kritisiert, oder im Westen, weil den Nationalstolz der DDR nicht ablegt, aber auch die kapitalistische Haltung des Westens zugleich kritisiert, bleibt die Figur selten greifbar.

Trailer zu Lieber Thomas

Das wiederum ist ziemlich erstaunlich, so sind doch gerade Filme dafür prädestiniert ein bestimmtes Bild von einer Figur – sei es ein real existierendes Vorbild, oder reine Fiktion – zu zeichnen. Doch dieser Film wagt es nicht, seine Hauptfigur eindimensional im Kreise vieler Filmhelden aufzunehmen. So ist Barsch nicht nur rein politisch schwer zu greifen, wenn man sich den gegebenen Strukturen analytisch annähert, er ist ein Kritiker und Querdenker im eigentlichen Sinne. Denn während die Rezeption der Ost-West-Teilung im Film oftmals darauf hinauswollte, wie schlimm doch das pseudo-kommunistische System um Menschen wie Erich Honecker und Walter Ulbricht war und wie frei sich der westliche Teil von Deutschland entfalten konnte, so legt dieser Film den Gedanken nahe, die Teilung und Betrachtung beider Lebenswelten eben nicht so simpel zu sehen. Genau das macht die Figur von Barsch so faszinierend, weil er als Rebell im eigenen System gefangen ist, aber nicht zwangsläufig den Utopiegedanken der anderen Seite annehmen möchte. Besonders herausstechend ist dies vor allem in der immer währenden Auseinandersetzung Barschs mit seinem Vater, der als SED und stellvertretender Minister für Kultur, aber auch als jüdisch konvertierter Katholik die Schattenseiten der Deutschen Geschichte hautnah miterlebte.

Nun ist Barsch als Teil der 68er-Bewegung schließlich der naiven Romantik verfallen, er könne die Welt ändern, und verliert sich dabei nach und nach in Arbeit. Interessant sind seine Gedichte und rhetorisches Können alle mal. Schließlich versetzt er Kritiker, aber auch Freunde dabei immer wieder regelrecht ins Staunen, wenn er die Welt, aus seiner kleinen Absteige betrachtet. So rebellisch wirkt das gar nicht, wenn man die Figur in ihrem eigenen Leben begleitet. Eine recht spartanisch eingerichtete Wohnung, viele Partys, viele Frauen und viele Exzesse. Gerade diese Art der Rebellion ist nicht besonders selten und auch die Schlußfolgerung einer Überflutung aus all den bekannten Eindrücken und Handlungen wirkt dabei nicht besonders originell. Was hingegen gut funktioniert ist die Darstellung expliziter Szenen, die voller kraft und Stärke stecken. Das analytische und langsame Betrachten der Welt, wie es in den einzelnen Bildern durch die Kamera von Johann Feindt gelingt, ist fabelhaft. Über poetisch, leere Bilder, bis hin zu reiner Gewalt durch animalisches Aufschreien, Begehren oder Surrealem Wahn, schafft es die Kamera die Gefühlslagen in jedem Fall adäquat, aber auch die eigentliche Umwelt des Geschehens treffend in Szene zu setzten.

Überhaupt ist die Figur Thomas Barsch auch in der reinen Psyche nicht immer zu begreifen. So streut der Regisseur in teils grotesk anmutenden Bildern und Szenen immer wieder den Zweifel, ob des psychischen Gesundheitszustandes seiner Hauptfigur. Ob Träume, ob tatsächliche Geschehnisse, oder einfach nur weitere Exzesse, wird hier einfach mit der Wahrnehmung und Deutung der Zuschauer gespielt, und dabei eine Charakterstudie präsentiert, die voller Explizität, Poesie steckt. Ohnehin ist das Leben als Solches, auch nebens einer Rebellion, eines, welches für Thomas Barsch von existentiellen Fragen nicht mehr abkommen kann. Wer er als Mensch ist, und wie er die Welt sieht, so versteht auch der Zuschauer die eigentliche Sinnkrise, in welcher die Figur über weite Strecken zu stecken scheint. Es ist nicht nur eine rein, polemische Antihaltung, wie sie vielleicht in sondern substanzielle Systemkritik, die sich unermüdlich und nie zufrieden gibt. Dabei schafft es Albrecht Schuch erneut zu brillieren. Nach Filmen wie Systemsprenger (2019), Berlin Alexanderplatz (2020), Fabian oder der Gang vor die Hunde (2021) und Schachnovelle (2021) hier nun wieder eine Leistung, die sich mit den zuvor erwähnten Werken zum einen nicht im mindesten Vergleichen lässt, zum anderen aber auch die gleiche Kraft zu sich hat. Sowohl Frauenheld, Intellektueller Kritiker, als auch manische Schübe transportiert Schuch hier spielend leicht auf die Leinwand.

Zwar wird man auch in manchen Momenten das Gefühl nicht los, die Geschichte könnte ein wenig straffer erzählt werden, dennoch schaffen es aber auch die anderen schauspielerischen Leistungen neben dem Hauptdarsteller weitestgehend davon abzulenken. Jella Haase ist überzeugend als Schauspielerin Katarina, die zunächst auch dem Charme von Thomas verfällt, sich aber auch mehr und mehr mit dem Verfall ihres Mannes vor ihm zu fürchten beginnt. Jörg Schüttauf als Vater, der sich einer für Thomas sehr fremden Ideologie verschrieben hat, schafft es indes in ein zwei Momenten auch die vermeintliche Notwendigkeit jener – also den Glaubens einer eigenen Figur – großartig rüberzubringen. Nun ist eigentlich auch der restliche Hauptcast durch die Bank weg gut besetzt, aber auch hier wird man in manchen Momenten das Gefühl nicht los, man habe hier sehr tief in der Klischeekiste der einzelnen Beziehungen und klassischer Rollenmuster gesucht. So passiert dahingehend auch wenig unerwartetes und die Figuren bekommen eben nicht die Tiefe, die eben der Hauptcharakter hat.

In weiten Momenten schafft es Lieber Thomas ein poetischer Zündstoff für einen Rebellen wahren Formates zu sein. Albrecht Schuch stellt abermals unter Beweis, daß er zu den besten deutschen Schauspielern seiner Generation gehört, während der Film sich zu einem philosophischen Diskurs über Existenz, staatliche Kontrolle und Macht, im Zusammenspiel mit einer Generation, die viele Fragen hat, mausert. Auch wenn die Geschichte ab und zu ins stocken gerät, schafft sie es ab einem gewissen Punkt immer wieder aus ihrem Tief und präsentiert ein andersartiges Biopic, über eine längst vergessene Gallionsfigur der Rebellion.

Lieber Thomas Bewertung
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810

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