Bewertung: 4.5 / 5
Im Jahr 1980 findet Vietnamveteran Llewelyn Moss (Josh Brolin) Leichenteile in der Wüste von Texas. Es handelt sich um Opfer eines Drogenhandels und inmitten der Leichen findet Moss einen Koffer mit zwei Millionen Dollar. Der Auftragsmörder Anton Chigurh (Jarvier Bardem), der ebenfalls um das Geld was, nimmt die Verfolgung von Moss auf und es tummeln sich weitere Leichen auf seinem Weg. Sehr zum Leidwesen von Sheriff Ed Tom Bell (Tommy Lee Jones), der nun Moss das Leben retten möchte.
Ein übles Massaker als Auslöser einer Geschichte um die personifizierte A-Moral folgend, entspinnt dieses Werk seinen Geist mit langsamen Schritten. Unerwartetes erwartet einen, die Symbolik ist vielschichtig, doch klar und wenn etwas sucht, dann findet man auch etwas. Der Film hat Probleme, daß braucht man gar nicht kleinzureden, muss es aber auch nicht als übermäßig schlimm empfinden. Wenn etwas an No Country For Old Men nicht gefällt, dann ist es vielleicht die Trägheit. Nicht die langsame Erzählung, nicht der Zynismus und die groteske Darstellung vieler Dinge, die man als grausam bezeichnen würde. Wie paradox und wenig aussagekräftig ist das doch. Doch tatsächlich haben die Coen-Brüder das Problem, daß ihre Geschichte und Inszenierung zu stilsicher daherkommen. Wenngleich es schwer ist, diesen Film nur einem Genre zuzuordnen, so ist es dennoch fraglich, ob er wirklich in einem Genre brilliert. Die Geschichte ist simpel gehalten, die Charaktere sind simpel gehalten. Denn schließlich sind gerade letztere nur symbolischer Natur, weil sie einen bestimmten Umstand, eine zerstörte Welt, eine Kritik am Zeitgeschehen darstellen sollen. Der Film ist sehr männlich, zitiert freudig das alte Kino. Eben so, wie es die Academy mag. Doch Männlichkeit und Idiotie stehen auch nahe beieinander und so fragt man sich schon das ein oder andere Mal, warum Charaktere das tun, was sie tun, wenn sie doch auch andere Möglichkeiten hätten. So gerät das Werk ins Straucheln.
Für die Coen-Brüder ist No Country For Old Men ein ungewöhnliches Werk. Sind sie doch sonst für eher überspitze Komödien wie Fargo (1995), The Big Lebowski (1998) oder Hail, Caesar! (2016) bekannt. Doch hier findet sich kein dialogischer Humor. Figuren sind witzig, weil die Situation so grotesk und unscheinbar wirkt. Ob das beabsichtigt ist, oder eben nicht, sei mal dahingestellt. Es könnte den Zuschauer jedenfalls entlarven. Tatsächlich ist dieser Film sehr darauf bedacht, vor allem seine Charaktere in den Mittelpunkt zu rücken. Ungewöhnlich, für die Schwere, die der Film sonst so an den Tag legt. Denn während sonst so Bilder für sich sprechen würden, sind es hier Figuren. Und während Figuren sonst viel sagen würden, stehen diese Männer für einen symbolischen Wert. Gleichsam sind sie aber nicht keine Figuren und das ist bemerkenswert. Man versteht, was sie tun. Wenngleich das, was sie tun, einem oft fremd vorkommt und so lässt eine wahrhaft strahlende Hauptfigur lange auf sich warten. Doch das ist erfrischend, weil man moralisch damit involviert wird. Darf man das gut finden? Wen darf man hier gut finden? Das sind so Fragen, die herumschwirren, wenn man Menschen zugunsten von Kapital zurücklässt. Es ist eben eine kaputte Welt, die die eindrucksvolle Kamera von Roger Deakins da für den Zuschauer einfängt. Man will da eigentlich nicht hinsehen und irgendwie ist man da gefesselt, wenn es darum geht, dieser obskuren Gestalt verkörpert von Javier Bardem zu folgen. Und eine Blümchenwelt, nach welcher „Alles gut“ wird, sieht man hier sicherlich auch nicht. Es geht da einen großen Bruch, der etwas unerwartet kommt und dennoch sehr erfrischend wirkt in der Geschichte. Ob man das vielleicht hätte erwarten können? Sicherlich, doch muss man das eigentlich nicht.
Dabei ist es schon fast mystisch, retrospektiv, wie diese Geschichte um einen Goldrausch das amerikanische Landleben aufrüttelt. Das hat schon Allüren eines Western, wenngleich man sich hier wohl eher die Italo-Western als Vorbild genommen hat. Gleichsam haben diese natürlich auch immer wieder den amerikanischen Traum dekonstruiert, was hier auch passiert. Das ist nicht so offenkundig, wie es in vielen anderen Werken der Fall ist. Den Coens gelingt eine sehr schleichende Subtilität, weil sie die Geschichte bewusst banal halten, die Konsequenzen daraus entwickeln und weil sie die Frage stellen, wem das Land letztlich gehört. Es scheint fast ein übergeordneter naturalistischer Geist darin zu stecken, weil auch die Figuren immer wieder für eine Überraschung gut sind. So ist Bardems Figur durch nichts zu stoppen, scheint aber in ihren Bedürfnissen immer wieder verschlossen. Man merkt die Gewalt, weil man sie sieht oder von ihr gehört hat, man würde aber nie darauf kommen, daß diese Figur so brutal ist. Dabei ist auffallend, daß die Figur sich irgendwie versucht einer Post-Modernen Psychologisierung zu entziehen. Ähnlich, wie der Joker in The Dark Knight (2008) Dinge einfach tut, weil er sie tut, gäbe es für diesen Anton Chigurh auch die Möglichkeit, seine Ziele vielleicht anders zu erreichen. Doch Chigurh entscheidet sich bewusst für Gewalt, warum dem so ist, daß bleibt offen und reine Spekulation. Es könnte ihm gefallen, es könnte die Dinge beschleunigen, etc. Die Coens liefern hier glücklicherweise keine Auflösung.
Damit zementieren sie die Furcht, die ebenso undurchdringbar bleibt. Gleichsam konfrontiert das die Männer der Ordnung, mit eben jener Kraft. Auch hier gibt es wieder Parallelen zu Christopher Nolans Werk. Denn dieser Charakter von Tommy Lee Jones steht hier natürlich für die Exekutive, für das Aufklärerische. Sein gesamter Job besteht daraus, das Verbrechen, „das Böse“ zu verstehen. Doch daran wird er zwangsläufig scheitern müssen, wenn es keinen Sinn für etwas gibt. Die meisten Figuren in diesem Werk sind immer ausgeliefert, weil sie nach Regeln spielen, also einem System folgen. Insofern greift das Werk eine gewisse Kritik am Kapitalismus auf. Man könnte auch dazu übergehen, dieses Treiben als eine Art Rache zu verstehen. Schließlich spielt das Land, das ländliche Leben eine nicht unwesentliche Rolle. Klar, daß könnte auch eine Karikatur auf den Stillstand der Post-Moderne sein, doch es geht wohl eher darum zu zeigen, wie wenig aufschlussreich jene Existenzen eigentlich sind und wie viel Einfluss sie unbewusst darauf nehmen, daß es eben zu keinem Wandel kommen kann. Der Film wirft dabei Figuren in einen neuen Kontext, indem er die Rollen, die jene Menschen ein lebenslang innehatten, vertauscht und sie vor sich selbst stellt. Eben klassisches Spiegeln. Jäger werden zu Gejagten und umgekehrt. Es ist somit klar, daß es Gut und Böse nur marginal geben kann und daß es auch kein glückliches Ende für die Existenz geben kann, weil die Gefahr immer da ist.
Ist eben eine Rücksichtslosigkeit in jener Welt, die Menschen werden zurückgelassen und man kann sich auf niemanden verlassen. Denn dafür sind diese Menschen zu unterschiedlich und zu fokussiert darauf, sich selbst eine Erfüllung zu verschaffen. Selbstloses Handeln ist dann immer damit konfrontiert, das aktuelle Geschehen kaum noch begreifen zu können. Die wahre Treue zum Staat ist glücklicherweise verschwunden, doch auch der Humanismus kann hier am Ende nicht obsiegen.
Ganz einsam und verlassen zum Kapital und einem Verständnis und gleichsam einer Verständnislosigkeit sind die Figuren in No Country For Old Men ausgesetzt. So ein wenig verläuft sich das mal, kann aber durch beeindruckende Bilder und vor allem starke Symbolik punkten. Schockierend und dadurch faszinierend brennen sich da gewisse Bilder ein, die vielleicht sehr viel mehr über das Leben aussagen, als man sich zugestehen möchte.