Bewertung: 2.5 / 5
Was macht man, wenn gruslige Sachen passieren? Die Geisterjäger rufen ist für Leute außerhalb von New York leider keine Option und so bleibt dem Mittzwanziger Micah nichts anderes übrig, als die geisterhaften Phänomene, die seine Freundin Katie schon seit ihrer Kindheit plagen, mit seiner neuen Videokamera zu filmen. Anfangs ist Katie von der Idee noch ganz angetan, doch irgendwann wird klar, dass das Wesen, das Katie heimsucht, auf Micahs Dokumentationsversuche nicht gerade erfreut reagiert. Ein herbeigerufener Experte für Parapsychologie kann auch nicht weiterhelfen, denn bei dem Wesen handelt es sich nicht um den Geist eines Menschen, sondern um einen Dämonen! Auf die Warnungen des Parapsychologen, sich nicht mit dem Dämonen anzulegen, pfeift Micah natürlich – sehr zum Leidwesen Katies, die den Dämonen am Liebsten einfach ignorieren würde...
Als „The Blair Witch Project“ in die Kinos kam, gab es durchaus noch Leute, die den semidokumentarischen Ansatz für bare Münze genommen und ernsthaft gedacht haben, sie würden dort tatsächlich den letzten Tagen der drei Hauptdarsteller beiwohnen. Als zehn Jahre später „Paranormal Activity“ folgte, waren die Zuschauer natürlich ein ganzes Stück weiter, von der Danksagung Paramounts an die Polizei und die Familien der Hauptdarsteller, die den Film eröffnet, ließ sich niemand mehr beeindrucken. Trotzdem entfaltete Oren Pelis Erstlingswerk eine ungeheure Sogwirkung, die dem Streifen ein rekordverdächtiges Einspielergebnis verpasst hat. Unzählige Nachahmer folgten, die den Erfolg des großen Vorbildes aber nicht reproduzieren konnten. „Paranormal Activity“ bleibt ein Unikum, für 15.000 Dollar in Oren Pelis Haus mit Amateurdarstellern und ohne richtiges Drehbuch gedreht, spielte er über 190 Millionen Dollar weltweit ein und beendete mal eben eigenhändig die Folterhorrorwelle. Damit ist er der rentabelste Film der Filmgeschichte.
Seine Anziehungskraft erhält der Film wahrscheinlich daraus, dass das Konzept universell und auf unterbewusste Art bereits bekannt ist. Mittlerweile hat jeder irgendwann irgendein Schockvideo auf YouTube gesehen, das mit einem mal mehr, mal weniger erfolgreichem Jump Scare versucht, den Zuschauer davon zu überzeugen, dort gerade Zeuge einer wirklich echten Geistererscheinung geworden zu sein. „Paranormal Activity“ nimmt dieses Konzept, bastelt eine Rahmenhandlung um eine Abfolge von solchen Videos und schafft es damit beim unbedarften Publikum zu punkten. Am Offensichtlichsten ist diese Vorgehensweise in einer Szene gegen Ende des zweiten Aktes, in der Macho Micah einen Fall im Internet entdeckt, der ganz ähnlich dem von Katie verlaufen ist und bei dem nur ein Exorzismus Abhilfe verschaffen konnte. Peli bedient sich hier sehr dreist bei dem wahren Fall der Anneliese Michel, einer geisteskranken jungen Frau, die bei einem missglückten Exorzismus in den 1970ern in Deutschland ums Leben gekommen ist. Micah schaut im Internet ein Video eines Exorzismus, in dessen Verlauf das berühmte Foto der abgemagerte und geschundenen Anneliese nachgestellt wird. Regisseur Peli benutzt die Bildsprache solcher Videos und Fotos, um seinen eigenen Film beim abergläubischen Publikum realistischer beziehungsweise glaubwürdiger erscheinen zu lassen.
Mit dieser Vorgehensweise ist aber auch das größte Problem des Filmes offengelegt: es hat einen Grund, warum die wenigsten dieser Schockvideos die zwei Minuten-Marke überschreiten. Denn ein Jump Scare um des Jump Scares Willen ergibt kein befriedigendes Filmerlebnis, schließlich wird man nur in unregelmäßigen Abständen erschreckt. Und so lässt sich das Anschauen von „Paranormal Activity“ am Besten mit einer allseits bekannten Jahrmarktsattraktion vergleichen: der Geisterbahn. Ähnlich einer Geisterbahn wird in „Paranormal Activity“ nicht versucht, wirkliche Angst beim Zuschauer zu erzeugen, sondern ihm einfach nur den schnellen Thrill zu verschaffen, der entsteht, wenn jemand um die Ecke gesprungen kommt und „BUH!“ schreit. Klar, „Paranormal Activity“ erscheint auf den ersten Blick subtiler als ein Kettensäge schwingender Psychopath, aber im Grunde funktionieren beide gleich. Damit wird Pelis Film jedoch dem, was die wahren Horrorklassiker ausmacht, nicht gerecht. Denn es reicht nicht, dem Zuschauer zu sagen, dass es in einem alten Haus Geister gebe, oder dass ein Messer wetzender Killer sein Unwesen treibt. Vielmehr bedienen die besten Horrorfilme Ängste, die weiter und tiefer gehen, als die universelle und ziemlich undefinierte Angst vor dem Unbekannten. Friedkins „Der Exorzist“ gibt sich nicht mit der Angst zufrieden, dass es Dämonen geben könnte, er beschäftigt sich auch noch mit der sehr realen Angst einer Mutter, die ihre Tochter für immer verlieren könnte. Genau an dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen, genau hier wird dem Zuschauer ermöglicht, eigene Erfahrungen auf den Film zu projizieren und wahre Furcht zu erleben.
Um sich mit solchen Dingen beschäftigen zu können, muss ein Film dem Zuschauer allerdings Charaktere präsentieren, die eine gewisse Tiefe aufweisen. Katie und Micah bleiben aber platte Abziehbildchen, die abstrakt bleiben und denen man im Falle von Micah, der aktiv daran arbeitet, den Dämonen zu provozieren, irgendwann den Tod wünscht. Interessanterweise ist allerdings in genau dieser Charaktereigenschaft ein Aspekt versteckt, anhand dessen Regisseur Peli durchaus einige Fragen zum modernen Verständnis von Männlichkeit hätte aufwerfen können. Schließlich ist Micahs Drang, den Dämonen wütend zu machen, von der Absicht geleitet, seine Lebensgefährtin zu beschützen, was wiederum nur zur Verschlimmerung der Situation führt und letztendlich sein Schicksal besiegelt. Leider bleibt genau dieser Punkt unbehandelt.
Somit scheint der Erfolg von „Paranormal Activity“ mehr in seiner Machart als in seinen wirklichen Qualitäten begründet. Regisseur Oren Peli war aber als der Produzent von James Wans „Insidious“ an einem wirklich guten Vertreter der „Film als Geisterbahn“-Welle beteiligt. Wenigstens etwas...