Bewertung: 4 / 5
Ein unglaublich heißer Sommer im Jahr 2003. Am Rande der Gesellschaft von Berlin, leben Lukas (Levy Rico Arcos), Gino (Rafael Luis Klein-Hessling) und Julius (Vincent Wiemer). Für sie ist es ein gewöhnlicher Tag, bis sie plötzlich in ein Handgemenge mit einem Drogendealer verwickelt werden, in welchem dieser 500 Euro Schutzgeld von ihm erpresst. Natürlich hat der Junge das Geld nicht und so heckt er zusammen mit seinem Klassenkameraden Snachez (Aaron Maldonado-Morales) einen Plan aus, um die neuen Computer seiner Schule zu klauen und zu verkaufen.
Der deutsche Film ist ein zweischneidiges Schwert. Mal höchst anspruchsvoll, tiefschürfend und wesentlich intellektueller, als das meiste, was aus dem Arthaus-Segment der Vereinigten Staaten kommt und dann wiederum zum Fremdschämen, wenn es etwa darum gehen soll, Humor zu erzeigen, Gefühle zu zeigen und einen breiten Sexismus als voll in Ordnung in Szene zu setzen. In den letzten Jahren hat sich vor allem das Genre-Kino weiterentwickelt und in letzter Instanz zu waschechten Perlen geführt. Wobei man das nicht überinterpretieren sollte, schließlich könnte man argumentieren, daß das Genre-Kino in Deutschland für eine ganze Zeit lang auch schlicht und ergreifend tot war. Nun haben viele deutsche Regisseure das Problem, daß sie anscheinend mit Metaphorik oder wirklich intelligenten Übergängen, also kleinem Handwerkszeug in ihrem Studium nicht konfrontiert werden. Bilder gewinnen da selten doppelten Boden und gerade wenn man dann eine Satire oder ähnlich humoristisch ausgelegte Werke in Szene setzt, zeigt sich recht schnell, ob man wirklich Ahnung von seinem Job hat, oder eben nicht. David Wnendt lässt zum Beispiel hin und wieder daran zweifeln. So ist seine Regie in Sonne und Beton ähnlich verkrampft, wie etwa in Er ist wieder da (2015). Auch das ist natürlich schwierig zu beschreiben und noch schwieriger zu objektivieren, doch was Wnendt mit dem Material anfängt ist irgendwie recht wenig Regie und mehr einfaches Abfilmen von Schauspielern. Wenngleich einige Ideen dort drinstecken, so sind sie doch eher bemüht, als tatsächliches Talent.
Schaut man sich das Mainstream-Kino in Deutschland an, so fragt man sich, wie es um die Dichter und Denker eigentlich steht. Natürlich ist das auch schon lange vorbei, doch diese intellektuelle Verwahrlosung, nach welcher Regisseure in diesem Land Gefühle durch den über dominanten Einsatz von Musik, Witze durch peinliches Machotum oder Weltbilder von tatsächlich mehr als nur gutbetuchten Familien zeichnen, ist extrem anstrengend. Das wäre kein Problem, würden in solch minderwertige und absolut gesellschaftskonforme Pseudo-Komödien nicht endlos viele Fördergelder gehen. Daß der deutsche Film auch anders kann, zeigt sich seit einigen Jahren durch Werke wie Abgeschnitten (2018), Systemsprenger (2019) oder auch Berlin Alexanderplatz (2020). Sowas Ähnliches gilt auch für Sonne und Beton, der sich anschickt tatsächlich schwere Themen vom Heranwachsen im Sozialbau und die sogenannte Abwärtsspirale, nach welcher sich Menschen in ihrem eigenen Trott bewegen und dort nie wieder herauskommen. Das ist tatsächlich ein heikles Thema, daß der Film da anspricht. War es in Fack ju Göhte 3 (2017) noch die Lösung aller Probleme, daß sich Individuen einfach gänzlich ausspielen und reich werden, um ein gutes Leben zu leben, bleibt Sonne und Beton immer auf dem Boden oder Beton der Tatsache. Selten sieht man solch ehrliche Filme, die keinen Schimmer Hoffnung auf eine bessere Zukunft für junge Menschen vermitteln. Und daß das dortige Leben brutal sein kann, zeigt sich an gewalttätigen Vätern, Klassenkämpfen und weiteren ständigen Bedrohungen von Außen.
Doch in all der Schwere, die das Werk vermittelt, ist Sonne und Beton primär ein Coming of Age-Film, über das Heranwachsen in einer Sozialsiedlung, oder wie auch immer man das politisch korrekt nun nennt. Dabei schafft es der Film gekonnt eine ganz eigene Attitüde, ein Lebensgefühl, aber auch einen bestimmten Habitus einzufangen, der selten gelingt. Tschick (2016) biss sich an diesem ja schon die Zähne aus und allgemein ist und auch die Fack ju Göhte-Filme (2013-2017) changierten ja immer wieder zwischen authentischen Gesprächen und völlig überzogenen Dialogen. In diesem Fall hat man den Eindruck, daß da durchaus eine eigene Sprache kreiert wird, diese aber im Zusammenhang der Szenerie steht und aus dieser geboren wird. Das ergibt durchaus einen Sinn und es ist zudem auch sehr gekonnt mit dem Thema der Satire, die sich der Film anschickt zu sein, gekoppelt. Letzten Endes ist der Film aber primär auch als die prollige Variante eines Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers (1986) ausgelegt. Man sollte nicht erwarten, hier unbedingt die nettesten Menschen vorzufinden und allgemein wird auch klargemacht, daß die Umstände es ihnen kaum möglich machen, wirklich nett zu sein. Das harte Leben zu verstehen, daß ist natürlich der erste Schritt, doch davon ist man im Falle dieser Geschichte noch ein wenig entfernt. Und zwar in dem Sinne, daß Menschen von Außen durchaus Mitgefühl für die Situation mitbringen, in denen sich diese Kinder befinden, aber nie snobistisch darauf blicken, als wüssten sie besser, wie es ist in diesen Kreisen groß zu werden.
Spielend leicht verknüpft der Film dann die Umstände, so etwa einen gewalttätigen Vater und kriminelle Familienmitglieder, mit pubertärem Gehabe, nach welchem man selbst der Größte ist. Daß das dann aufgelöst wird, sobald man mit dem eigenen Leben konfrontiert wird, ist bemerkenswert. Es vervielschichtigt diese Charaktere, gibt ihnen eine gewisse Gravitas und dann möchte man ihnen auch weiterfolgen. Gleichsam bremst das Werk in diesen zwischenmenschlichen und charakterentwickelenden Momenten nicht aus und etabliert die ständige Bedrohung von höheren Instanzen und mächtigeren Leuten erwischt zu werden. Und so gelingt es dem Film natürlich auch ein sehr hohes Pacing an den Tag zu legen.
Der Dreck und Morast jenes Lebens, daß Sonne und Beton zeichnet, kann man förmlich riechen. Es ist unterhaltsam, obwohl ehrlich. Es ist hoffnungslos, obwohl zuversichtlich und irgendwie gelingen diese Kontraste immer. Sicherlich ist die Inszenierung nicht gerade sehr gut, davon abgesehen liefert das Werk einen phantastischen Film über das Aufwachsen im sozialen Brennpunkt, ohne dabei einen versnobten und erhabenen Blick auf jene Kreise zu haben.