Bewertung: 4 / 5
Knapp zwei Stunden im Kino durchgehalten und dem dringenden Wunsch getrotzt, zwischendurch auf die Toilette zu gehen. Nicht etwa, weil der Film so schlecht ist, sondern exakt das Gegenteil der Fall: To catch a Killer gehört für uns zu den Überraschungshits des Jahres, einer der besten Thriller seit langem und erinnert in seinen besten Momenten an Das Schweigen der Lämmer.
Zum Zeitpunkt der Kritik (Mai 2023) steht noch kein deutscher Kinostart fest. Wir haben den Film im englischen Original in Frankreich gesehen, wo er bereits seit Ende April läuft.
To catch a Killer Kritik
Eleanor (Shailene Woodley), eine junge Polizistin in Baltimore, sieht sich mit anderen Kollegen in der Silvesternacht einem Mass Shooting gegenüber. Sie reagiert geistesgegenwärtig und wird vom hinzugezogenen FBI-Agenten Geoffrey Lammark (Ben Mendelsohn) in dessen Team beordert, um bei der Suche nach dem Täter zu helfen. Lammark ahnt, dass sich die schüchterne Polizistin aus einem bestimmten Grund so gut in die Gedankenwelt des Angreifers hineindenken kann und Eleanor muss erkennen, dass ihre inneren Dämonen dabei helfen können, den Killer zu stellen...
Dieser wunderschöne Moment, sich nach einem Film einzugestehen, dass man mit geringen Erwartungen ins Kino gegangen ist und diese um Längen getoppt wurden. Leider erreicht einen dieses Hochgefühl viel zu selten - bei To catch a Killer ist es passiert. Warum noch kein deutscher Filmstart feststeht, erschließt sich uns nicht, denn was Regisseur Damián Szifron hier mit seinem Team geschaffen hat, ist ein Topthriller mit einer absolut überzeugenden Schauspielerriege.
Allen voran Shailene Woodley als junge Polizistin. Ihr zurückhaltendes Schauspiel mit der nötigen Energie im Finale zeigt das Können der 31-Jährigen, deren Eleanor sich nicht schlagartig als Naturtalent entpuppt und der nach persönlicher Ernennung vom FBI-Ermittler alles gelingt, nur weil plötzlich jemand an sie glaubt. Sie bleibt menschlich, fehlbar, und schafft es doch oder gerade wegen ihrer Unbedarftheit und inneren Stärke, bei den Ermittlungen wertvolle Etappenziele zu erreichen. Ihr gegenüber Ben Mendelsohn als FBI-Agent, der seine Teambesprechungen gerne mit Aufzählungen strukturiert und trotz aller Rückschläge bei den Ermittlungen stets versucht, das Ziel der Mission zu erreichen: Den Killer zu stellen und dessen Schema zu erkennen. Auch er kein Übermensch, schlagfertig, ja, ein direkter Typ mit guter Menschenkenntnis, aber ebenso angreifbar und immer auf der dünnen Linie zwischen Erfolg und Misserfolg balancierend.
Beide formen mit Jovan Adepo (Babylon - Rausch der Ekstase) das Ermittlerteam und erinnern in nicht wenigen Szenen an die Kombi Jack Crawford und Clarice Starling aus Das Schweigen der Lämmer. Überhaupt ist die Bild- und Farbsprache sowie musikalische Untermalung passend düster, sodass die Hoffnungslosigkeit vieler Momente wie Blei über dem Film liegt und sich das Leinwandgeschehen tiefer ins Gehirn brennt. Grund dafür ist eine Person, die aus persönlicher Überzeugung tötet - und deren Antrieb auf der einen Seite so hassenswert, auf der anderen Seite so "menschlich" wirkt.
Im Showdown, wenn alle Fäden zusammenlaufen, steht ein Mensch einem Menschen gegenüber, und das ist die besondere Stärke an To catch a Killer. Der Film setzt nicht auf Schwarzweißdenken, spult kein hundertfach gesehenes Thriller-Einmaleins ab. Hier die Guten, da die Bösen. Wir möchten auf keinen Fall zu viel verraten, aber Protagonisten wie Antagonisten werden charakterlich ausgeleuchtet und schaffen so die nötige Tiefe, die den Film so intensiv machen. Auch die Aufnahmen in einem Schlachthaus, trotz ihrer Brutalität, noch weit davon entfernt, den wahren Horror zu zeigen, erfüllen nicht bloßen Selbstzweck und formen mit anderen Szenen den Gedanken (die Erkenntnis?), dass wir mit unserem Verhalten nicht minder misanthropisch handeln - in Anlehnung an den Filmtitel in vielen Ländern.
To catch a Killer hat das Talent, von der ersten Minute an zu packen. Die Attacken inmitten des Alltags sind schockierend, die spannende Suche nach dem Killer voller Hürden und die Auflösung bewegend. Woodley und Mendelsohn sind großartig in ihren Rollen und da wir nichts über ihren Konterpart verraten wollen, schließen wir an dieser Stelle und empfehlen euch definitiv einen Blick. Daumen hoch!
Wiederschauwert: 80 %
