Bewertung: 0.5 / 5
Dave Skylark (James Franco) und sein Produzent Aaron Rapoport (Seth Rogen) sind bekannt für die beliebte Boulevard-Sendung "Skylark Tonight", die von Millionen Menschen gesehen wird. Doch gerade Aaron ist in letzter Zeit nicht mehr zufrieden damit, keine echten Nachrichten der Welt präsentieren zu können. Dinge können sich aber ändern, denn glücklicherweise hat "Skylark Tonight" einen ganz besonderen Fan: Kim Yong Un (Randall Park) und dieser ermöglicht dem ambitionierten Duo die Chance ihres Lebens: Ein Interview in Nordkorea! Natürlich will sich die Chance, beim Interview mit dem "gefährlichsten Mann der Welt" dabei zu sein, auch die CIA nicht entgehen lassen und so sollen Dave und Aaron die Gunst der Stunde nutzen, ihren größten Fan auszuschalten...
VIDEOKRITIK
Trailer zu The Interview
Bei einem Film wie The Interview fällt es schwer, nach den ersten paar Minuten keine Tränen in den Augen zu haben, wenn ein kleines nordkoreanisches Mädchen das Ende der USA besingt. So schräg, so abstrus wie der gesamte folgende Film, denn The Interview ist vor allem eines: Ein extrem politisch unkorrekter Film, jedenfalls nach Betrachtungsweise. Daher werden wir den Film aus zwei Sichtweisen bewerten, anders kann man diesem nicht gerecht werden.
Nehmen wir The Interview erst einmal als Film, als fiktives Werk von Seth Rogen erdacht. Vollgepackt mit Witzen, wie sie typisch für Koproduktionen sind, die dem Geiste Rogens und Franco entspringen, fast hätte man der Meinung sein können, Judd Apatow hätte ebenfalls seine Finger im Spiel. Drogen, nicht minder viel Fäkalhumor, politisch unkorrekte Sprüche, ein typisch dem Overacting verfallener Franco (hier extrem passend) und eine Gagdichte, die sicherstellt, dass einige der Witze auf jeden Fall zünden. Und das tun sie. Für Unterhaltung ist also auf jeden Fall gesorgt, wenn man sich auf The Interview einlässt und den Film über seine 100 Minuten nicht allzu ernst nimmt. Man könnte fast meinen, dass man ein modernes Top Secret vor sich hat, nur dass das Regieduo Rogen und Evan Goldberg den Zucker-Brüdern und Abrahams nicht das Wasser reichen kann. Denn wo seinerzeit die DDR durch den Kakao gezogen wurde, war die überspitzte Darstellung immer deutlich. Bei The Interview ist diese Kenntlichmachung nicht so offensichtlich, denn die hier betriebene Grat(unter)wanderung und der Tabubruch sind deutlich gravierender. Wäre dies nicht der Fall, The Interview hätte als reine Komödie ohne moralische Deutung seine 3-4 Hüte sofort verdient.
Doch beim Schauen kommt bereits dieses Gefühl in einem hoch, welches nach dem Kinobesuch nicht locker lässt, dieses Gefühl, den Film hinterfragen zu wollen. Uns ist bewusst, dass man deutlich unkritischer sein kann, wenn man nur auf die offenkundig gelungene Unterhaltung Wert legt, aber wir müssen an dieser Stelle anders handeln.
Sobald man nämlich sein Gehirn einschaltet, funktioniert der Film nicht mehr richtig. Und obwohl man gelacht hat, merkt man, dass eine Schwelle überschritten wurde, die nicht überschritten werden sollte. Derart viel moralische Dramatik bei einer Komödienrezension?! Ja. Fassen wir doch noch mal den Inhalt zusammen: Ein Film kommt ins Kino, der zur Unterhaltung von Millionen Menschen die Ermordung eines tatsächlich lebenden Menschen zum Thema macht - und legitimiert, weil wir ja schließlich von einem Diktator sprechen. Natürlich mag dies legitim erscheinen bei Menschen, die einer Weltordnung anheimfallen, in der die Abgrenzung Gut-Böse so einfach ist und kein Denken erfordert. In dieser ist Nordkorea der Feind und wir wollen an dieser Stelle nicht abstreiten, dass das dortige Regime am besten nur noch ein böser Traum der Vergangenheit wäre. Doch aus dieser propagierten Haltung sind Kriege und Leid gemacht, die uns nicht zuletzt in diesem Horrorjahr 2014 gezeigt haben, was eigentlich schiefläuft. Was erdreisten wir uns, allen voran die USA, sich derart als Richter zu erheben bei der eigenen Vita?! Würde The Interview wenigstens ansatzweise selbstkritisch sein - und in den ersten 20 Minuten könnte man als Zuschauer doch glatt auf diesen Gedanken kommen - es wäre fast eine schwarzhumorige Perle, doch kurz darauf ist das Gut-Böse-Schema eindeutig festgelegt.
Natürlich steckt da auch Wahrheit drin, denn was die Herrscher in Nordkorea anrichten, ist perfide und menschenfeindlich. Doch wie der wunderbare Hagen Rether schon bemerkte, nicht Nordkorea hat seit nunmehr 60 Jahren unzählige Angriffskriege geführt, die Welt mehr als einmal an den wirtschaftlichen Kollaps getrieben, aus nationalem Interesse sein Fähnchen in den Wind gehalten, wie es gerade passte und seine "Freunde" ausspioniert. Ja, Nordkorea schreckt vor Folter und Mord nicht zurück und sperrt Menschen ohne juristische Handhabe ein - aber das tun die, die sich hier als moralische Instanz erheben, auch. Wer genauer hinsieht, merkt schnell, wie Gut und Böse ineinandergleiten, wir Teil des Problems sind und nicht selten mit unserer Arroganz das Problem selbst. Die Propaganda Nordkoreas wird zu Recht in The Interview massiv kritisiert und wir möchten dem zustimmen. Doch niemand von uns kann über Nordkorea vollumfänglich urteilen, da die wenigsten dort waren. Natürlich entspricht dieser Staat nicht im Mindesten einem Land, in dem man als geistig Zurechnungsfähiger leben will, aber nichts rechtfertigt die Entscheidung, eine tatsächlich lebende Person zu Unterhaltungszwecken exekutieren zu wollen, von der vor allem eine tatsächliche Bedrohung ausgehen könnte. Sind sich die USA ihrer Sache so sicher? Vielleicht war es einfach der exotische Reiz, auf Kim Yong Un, einen recht geheimnisvollen Diktator einzuhauen. Oder war doch eher ein rationales Angstgefühl im Spiel, einen starken Feind wie Wladimir Putin eher nicht zur Unterhaltung heranzuzitieren? Weil Russland schon zu oft durch Hollywood-Filme geisterte? Sicher nicht.
The Interview strotzt nicht vor Sarkasmus, es ist keine funktionierende Satire. Der Film zeigt uns, wie leicht es geht, Recht zu sprechen und nicht im Recht zu sein. Einerseits wird es (nicht nur in den USA) sehr viele simple Menschen geben, die einfach Hurra schreien werden, andererseits zieht dieser Film mit dem Mordmotiv an einer existenten hochrangigen Person auch Andersdenkende und Extremisten an, die dem Spaß bitteren Ernst folgen lassen können. Nein, man soll und darf sich Extremisten nicht beugen, aber man sollte sensibel genug sein zu erkennen, wenn eine Grenze überschritten wurde. Danke, The Interview, wir haben oft gelacht und uns dafür hinterher umso mehr geschämt.