Bewertung: 3.5 / 5
Nachdem Justin Lin ganze vier Teile der Fast & Furious-Reihe inszenierte und nach Fast & Furious 6 wegen Star Trek 3 seinen Hut nahm, ging die Ehre der Regie an James Wan (The Conjuring 1 & 2) über, der nahtlos an die Vorgänger anknüpft. Nahtlos, was kompromisslose Action, Inszenierung und die üblichen Details angeht. Autos, heiße Girls und toughe Kerle - das sind die Zutaten, die seit dem Start der Reihe im Jahr 2001 dazugehören. Ebenso wie das Credo, immer für die Familie da zu sein, selbst wenn wir es inzwischen nicht mehr bloß mit speedliebenden Ganoven, sondern regelrechten Kampfmaschinen zu tun haben.
VIDEOKRITIK
Trailer zu Fast & Furious 7 - Zeit für Vergeltung
Alles ist gut. Dom (Vin Diesel), Brian (Paul Walker), Mia (Jordana Brewster) und die anderen Mitglieder der "Familie" haben sich nach den Abenteuern von Fast & Furious 6, die sie an ihre Schmerzgrenze brachten, erholt und leben ihr gutsituiertes Leben. Niemand ahnt, was ihnen droht, denn der kaltblütige Killer Deckard Shaw (Jason Statham) will Rache an all jenen nehmen, die seinen Bruder Owen (Luke Evans) zur Strecke brachten. Selbst Hobbs (The Rock) gelingt es nicht, ihn zu stoppen und nach dem Mord an Han (Sung Kang) in Tokio bleibt nichts anderes übrig, als noch einmal Dom und seine Crew um Hilfe zu bitten...
Und so sind wir mittendrin in der Handlung von Fast & Furious 7 - Zeit für Vergeltung, der ersten echten Fortsetzung der Reihe seit dem 2006 veröffentlichten The Fast and the Furious - Tokyo Drift. Waren Fast & Furious - Neues Modell. Originalteile., Fast & Furious Five und Fast & Furious 6 letztlich nur Prequels, bewegen wir uns nun endlich wieder auf nicht vorherbestimmtem Terrain.
Ansonsten ist vieles so, wie wir es aus den Vorgängern kennen: Die übliche Crew, bestehend aus Diesel, Walker, Mia, Letty (Michelle Rodriguez), Roman (Tyrese Gibson) und Tej (Ludacris), an deren Seite erneut The Rock als Agent Hobbs zu sehen ist - und der sich wieder nicht scheut, mit coolen Onlinern und Witzen zu punkten. Überhaupt ist die Humorquote in so mancher Szene von Fast & Furious 7 - Zeit für Vergeltung äußerst gelungen (wir sagen nur Triple in der Wüste), auch wenn der Anteil der Actionszenen selbstredend deutlich überwiegt. Man kommt fast nicht zum Durchatmen, so jettet das Team über den Erdball, verfängt sich in Abenteuern in seiner Heimat LA, Abu Dhabi und sogar in Aserbaidschan.
Es kann jedoch nicht verhohlen werden, dass die Action, so perfekt choreographiert auch alles ist, absolut den Kontakt zur Realität verloren hat. Die Aneinanderreihung der Orte und Kämpfe ist für unseren Geschmack einfach over the top und 140 Minuten wirken nach dem zigsten Überholmanöver und Faustschlag in die Fresse dann doch zu lang. 10 bis 15 Minuten weniger, warum nicht? Doch es dominieren überstilisierte Inszenierungen sowie übermenschliche Reaktionsfähigkeit gepaart mit Schnelligkeit - ja, das sieht cool aus, touchiert aber auch die Grenze des Erträglichen. Aus Dom & Co. werden so verkappte Superhelden. Dies passt zur heutigen Zeit, raubt der ganzen Sache irgendwann nur das letzte Fünkchen Glaubwürdigkeit. Wem also der letzte bzw. die letzten Vorgänger schon zu übertrieben waren, der wird sich auch an Fast & Furious 7 - Zeit für Vergeltung reiben. Da hilft es auch nicht, wenn Gangster mit einer fantastischen bösen Vita glänzen sollen.
Apropos Gangster, dieses Mal in der Form von Jason Statham, der seinen Bruder rächen will. Machen wir es kurz, entweder man mag Statham oder nicht. Er ist aus dem modernen Actionkino nicht wegzudenken, aber er holt auch nicht wirklich was aus der Rolle raus. Nur grimmig gucken und den Regieanweisungen folgen, reicht nicht, um eine Chance auf einen Entry in unsere Liste der besten Schurken zu haben. Da war Luke Evans in Fast & Furious 6 ein anderes Kaliber, nicht unbedingt was seine Bösartigkeit angeht - da nehmen sich beide Brüder nichts - aber doch, was seine Präsenz im Film betrifft.
Viele werden sich fragen, ob Universal einen würdigen Abschied für den verstorbenen Paul Walker gefunden hat. Walker, der neben Diesel das Gesicht der Fast & Furious-Reihe war und in einem tragischen Unfall Ende 2013, als die Dreharbeiten mitten im Gange waren, ums Leben kam. Wer die News zum Film verfolgt hat, weiß, wogegen sich die Autoren und Macher des Films entschieden haben und dass seine beiden Brüder gebeten wurden, Walkers Körper in bestimmten Szenen zu doubeln. Ohne Tricks geht natürlich nichts und Weta Digital half Universal in diesen Momenten aus. Eine großartige Leistung, denn bei bestem Willen war nicht zu erkennen, welche Szenen mit höherem Aufwand nachbearbeitet werden mussten. Dessen ungeachtet ist es Fast & Furious 7 - Zeit für Vergeltung gelungen, Walkers Andenken zu ehren und ihm einen wirklich schönen letzten Moment zu gewähren. Die gewählte Herangehensweise zählt zu den größten Momenten des Films. Zwar mag während des Films das ganze Gerede von "Familie" und "Loyalität" irgendwann nerven, doch glaubt man Diesel tatsächlich mit jeder Pore, dass er mit Walker einen überaus geliebten "Bruder" verloren hat - und die letzte Szene unterstreicht dies wirklich ergreifend. Ein schönes Ende und in sich auch gleichzeitig eine wundervolle Metapher.
Für die absoluten Fans der Reihe, die schnelle Autos, heiße Girls und Typen lieben, die irgendwie alles hinkriegen, ist Fast & Furious 7 - Zeit für Vergeltung auf jeden Fall ein Must-See. Er macht nicht mehr falsch oder richtig als viele andere Teile der Reihe, stilisiert Show und Action aber bis zum Äußersten. Wem dagegen schon die vorherigen Teile zu sehr an den Haaren herbeigezogen waren, der wird auch von James Wans Version nicht beglückt werden. Die volle Ladung Action dürfte vielen (jüngeren) Zuschauern gefallen, hat aber nur noch wenig mit dem bodenständigeren Charme der ersten Filme zu tun.