Bewertung: 3.5 / 5
2013 drehte Denis Villeneuve ein Entführungsdrama, das teilweise unter die Haut geht. Die jüngsten Töchter (Anna und Joy) zweier befreundeter Familien werden entführt. Verzweifelt macht man sich auf die Suche. Als der Fahndungserfolg der Polizei ausbleibt, nehmen die beiden Väter die Sache selbst in die Hand. Insbesondere Annas Vater (Hugh Jackman) ist bereit, vor Wut und Schmerz, auch illegale Methoden anzuwenden, um den Entführer dingfest zu machen.
Grundsätzlich konnte mich Prisoners abholen und auch fesseln. Mein Auge wurde mit einer durchweg tollen Kameraarbeit verwöhnt. Besonders die trübe Stimmung, die einem vermittelt wurde, lieferte ein perfektes Fundament für die Handlung. Es ist vor allem die "Hinterwäldler-Atmosphäre" – die Vorstadtstimmung, mit ihren tristen Straßen, umsäumt mit den Häusern der Nachbarschaft, die aber im Gegensatz zu den gängigen "Wohlfühlnachbarschaften" (Schöne Bescherung, E.T., Meine teuflischen Nachbarn, etc.), ständig mit düsterem, grauen Himmel, Regen und Schnee (der Film beginnt einen Monat vor Weihnachten, zu Thanksgiving) getrübt wird. Villeneuve weiß den Zuschauer, mit der nötigen Bildsprache, in eine Art "miese Grundstimmung" zu bringen – toll! Auch die unaufdringliche musikalische Untermalung trifft ins Schwarze.
Trailer zu Prisoners
Schauspielerisch konnten alle Beteiligten eine souveräne Leistung abliefern. Es gibt sicherlich bessere Darbietungen, aber es konnten mich durchweg alle Protagonisten überzeugen. Dem schmerzverzerrten Hugh Jackman nimmt man die Qual und die kochende Wut, die er durchlebt, jeder Zeit ab, auch wenn er grundsätzlich nur ein Gesichtszug bzw. eine Emotion präsentiert. Auch Terrence Howard (Joys Vater) macht seine Sache sehr überzeugend. Auch er kämpft mit Schmerz, aber vielmehr mit Resignation und innerer Zerrissenheit. Für Jake Gyllenhaal, der den leitenden Ermittler der Polizei spielt, hatte ich den Eindruck, war der Film eine reine Auftragsarbeit, nicht mehr, aber auch nicht weniger. So spielt er seine Rolle konsequent bis zum Ende. Meines Erachtens hätte er deutlich mehr aus der Rolle herausholen können, aber letztlich kann er eine mangelnde Ausarbeitung seines Charakters im Drehbuch auch nur bedingt beeinflussen bzw. kann nur innerhalb der, vom Regisseur erlaubten Parameter, improvisieren – diese Methode wird von manchen Regisseuren exzessiv gelebt, von anderen überhaupt nicht. Nicht zuletzt aufgrund dieser dynamischen Umsetzung des Drehbuchs sind solche klassischen Kinomomente entstanden, wie "Sie werden ein größeres Boot brauchen!" (Der weiße Hai) – natürlich gab`s dadurch auch schon Totalflops… Aber ich schweife vom Thema ab.
Mit Gyllenhaal kommen wir auch schon zu einer der Schwächen des Films – diese ist jedoch rein auf das Drehbuch zurückzuführen. Die Polizei wird in diesem Film einfach als absoluter Totalausfall porträtiert. Detective Loki (Gyllenhaal) arbeitet aus nicht näher erklärten Gründen ganz alleine – ohne Partner. Hier wäre eine knappe Erklärung wünschenswert gewesen – und wenn sie noch so trivial gewesen wäre, z.B. sein Vater (Ex-Cop) wurde von seinem Partner verraten, oder sein Ex-Partner wurde im Einsatz erschossen. Aber einfach einen Cop alleine arbeiten zu lassen, ist unrealistisch. Ebenfalls hat er offenbar Narrenfreiheit, darf jeden potentiellen Tatort verunreinigen (ohne Gummihandschuhe, ohne Verstärkung, etc.), bevor die Spurensicherung auch nur den Ansatz einer Chance hat, forensische Untersuchungen anzustellen. So etwas ist in einem Actionkracher à la Schwarzenegger ist okay, aber nicht in einem, sich ernstnehmenden, Drama. Überhaupt stellt sich die Polizei im Allgemeinen, und Gyllenhaal im Speziellen, in jeder Situation (Verhöre, Observierungen, etc.) so dilettantisch an, dass man hofft, die Polizei arbeitet in der Realität effizienter.
Ein weiterer Kritikpunkt war für mich die Vorhersehbarkeit. Irgendwie passierte alles so, wie ich es erwartete. Als der tatsächliche Täter zum ersten Mal in Erscheinung trat, wusste ich direkt Bescheid. Ich erwartete nichts anderes und so geschah es auch. Letztendlich überlegte ich mir - oder besser gesagt - erwartete ich noch die krasse Wendung, da ich einfach viel mehr von diesem stylischen und handwerklich wunderbar produzierten Film erwartete, die aber leider nicht eintrat. Auch der Versuch im Script, mich auf eine falsche Fährte zu locken, war erfolglos.
Fazit: In Erinnerung bleibt mir, trotz der aufgezählten Kritikpunkte, ein spannendes, wenn auch nicht überraschendes, atmosphärisch dichtes Drama, mit tollen Settings und wunderbarer, wie für das Genre geschaffener, Bildsprache. Handwerklich perfekt mit kleinen Schwächen gebe ich dem Film gute 7/10 Punkte, bzw. 3,5 Hüte.