Bewertung: 4.5 / 5
Bevor man beginnt, einen Film zu bewerten, dem eine Romanvorlage zugrunde liegt, muss man sich wohl zuerst ein paar Fragen selbst beantworten:
- Ist es überhaupt möglich, einen komplexen Roman 1-zu-1 zu verfilmen?
- Wie soll ein Film die Überbrückung größerer Zeiträume im Buch abhandeln?
- Kann ich einen Film vernünftig bewerten, der sich offenbar nicht 100%ig an die Vorlage hält?
Dass sich Ready Player One von Steven Spielberg nicht zu 100% an die Vorlage hält, war mir bereits nach Sichten des ersten Trailers klar. Grundsätzlich konnte ich es mir auch damals schon nicht vorstellen, als ich das Hörbuch zum ersten Mal durchhatte.
Trailer zu Ready Player One
Ich bin ein großer Fan des Buchs – habe es direkt ein zweites Mal angehört, nachdem ich durch war. Meine Rezension des (Hör-)Buchs findet man im Hörbuch-Thread. Als ich die ersten Kommentare und die Überschrift der Moviejones-Kritik gelesen hatte wurde mir eins sofort klar: Das ist ein Film, bei dem ich mein Wissen über das Buch komplett ausblenden muss, um eine halbwegs faire Bewertung des Films zu ermöglichen.
Ich saß also im Kino und versuchte mir einen Film anzuschauen, dessen Handlung ich zum aller ersten Mal zu Gesicht bekomme. Das Gehirn arbeitet ständig und so sprangen mir immer wieder Gedanken in den Kopf, die mir sagten: "Moment, das war im Buch aber anders!"… trotzdem gelang es mir, diese Gedanken stets wieder loszuwerden und mich voll und ganz auf den Film zu konzentrieren.
Dennoch möchte ich zu Beginn meiner Review noch kurz am Buch festhalten. Grundsätzlich finde ich die Umsetzung hervorragend gelungen. Klar, es gibt teils extreme Abweichungen vom Buch, die Adaption – das Umbauen zu einem funktionierenden Film – hat aber bestens geklappt. Viel besser bekommt man das Buch wahrscheinlich nicht in einem knapp 2,5-stündigen Film abgearbeitet.
Es kam mir vor, als hätten die beiden Drehbuchautoren Zak Penn und Ernest Cline himself das Buch Kapitel für Kapitel, Satz für Satz und Wort für Wort auseinandergenommen, komplexe Handlungsstränge entschlackt, entfernt oder gegen andere ausgetauscht (ja sogar Logiklücken des Buchs beseitigt) und erfolgreich wieder zusammengebaut. Es ist ein Drehbuch entstanden, auf dessen Grundlage ein spannender Abenteuerfilm produziert wurde, der stets das richtige Tempo vorlegt, perfekte emotionale Bindung zu den Protagonisten erzeugt, den Groll gegen die Antagonisten wunderbar anheizt und mit Charme, Witz (der aber nie ins Alberne abdriftet) und viel Herz den perfekten Spannungsbogen um die Geschichte zieht. Meine Worte, als ich das Kino verließ: "Spielberg hat`s noch drauf". Der Film funktioniert als eigenständiges Werk und versteht es, den Duft des Buches zu atmen und dennoch eine neue Geschichte zu erzählen.
Die Effekte sind natürlich überwältigend und – sagen wir mal – "schlecht genug" um zu verdeutlichen, dass wir uns in einer virtuellen Welt bewegen. Die Anspielungen an die Popkultur der 80er/90er lässt natürlich dem Kind der 80er das Herz höherschlagen. Letztlich versteht man den Film aber auch, wenn man sich nicht so gut in dieser Zeit auskennt – auch ich kannte diverse Anspielungen nicht. Da es jedoch ausreicht zu akzeptieren, dass es sich hierbei um Fantasy-Kreationen in diesem "Second Life" namens OASIS handelt, lässt sich das problemlos verschmerzen. Es werden einfach die verschiedensten Zielgruppen angesprochen: Der Nerd, der Abenteurer, der Fantasy- und Science-Fiction Fan, der Nostalgiker. Bei mir persönlich wurden alle dieser Reizsensoren angesprochen. Der Film Ready Player One ist für mich zusammengefasst eine Science-Fantasy-Variante der Goonies.
Die ohnehin schon spannende und fantastische Geschichte wird dabei durch einen tollen Score von Alan Silvestri untermalt, der nicht nur aus Anspielungen an die bekannten 80er Filme besteht. Silvestris Handschrift ist durchgängig erkennbar und man merkt, dass er ein Kind der alten Schule ist. Die Musik düdelt nicht einfach nur so im Hintergrund, sondern weiß durch Tempi, Dynamik und Stil (fröhliche Flöten, traurige Streicher, spannende Marschrhythmen, etc.) sämtliche Gefühle zu untermalen und Szenen unterstützend zu begleiten. Ich fühle mit den Helden, bin euphorisch, angespannt, amüsiert - und letztlich gehe ich aus einem absoluten "Wohlfühlfilm" nach Hause.
Zwei Punkte möchte ich ansprechen, die mich gestört haben: Zum einen werde ich wohl in diesem Leben kein Freund mehr dieser unausgereiften 3D-Technologie werden. Das Ghosting war absolut furchtbar, das Bild dunkel und die Bewegungen - gerade im Vordergrund - einfach nur "störend scharf". Diesen Makel kann ich jedoch nicht dem Film als Manko vorwerfen. Das ist wahrscheinlich ausschließlich der Inkompatibilität meiner Augen zuzschreiben. Aller Kritik zum Trotz, fand ich die 3D-Effekte zuminidest nicht zu aufdringlich.
Das andere ist tatsächlich eine abwertende Kritik, die ich aus spoilergründen entsprechend markiere. Auch "Nichtkenner" des Buchs - zumindest jene, die das Buch noch lesen möchten - sollten hier nicht weiter lesen: Das Extraleben, das Wade von Og bekommt verzerrt das Spiel. Es ist zu einfach und im Grund kann man behaupten, dass Og Wade dabei hilft, zu cheaten, da es klar war, dass Wade die Wette gewinnen würde. Im Buch musste sich Wade dieses Extraleben hart erarbeiten, in dem er ein "perfektes Pac Man Spiel" spielt (einmal komplett durch). Die Münze ist letztlich nicht mehr, als ein weiteres hart erarbeitetes Artefakt, das erst mal nichts mit der Jagd nach dem Easteregg zu tun hatte. Auch als Buch-Nichtkenner finde ich diese Umsetzung im Film etwas störend.
Dies ist Kritik auf hohem Niveau. Grundsätzlich ist und bleibt dieser Film ein riesiges Abenteuer, das mir wahnsinnig viel Spaß gemacht hat. Es ist ein eigenständiger Film und ich weigere mich einen direkten Vergleich mit dem Buch herzustellen. Man machte die, für mich, beste Adaption, die man, bei der Vorlage, mit einem 2,5h-Film machen kann. Einfach toll.