Bewertung: 4.5 / 5
"Captain Fantastic" ist nicht etwa die x-te Superheldenverfilmung aus dem Hause Marvel oder DC, sondern ein Film über eine Aussteigerfamilie mit Viggo Mortensen in der Hauptrolle und einer Gruppe von talentierten Jungschauspielern als seine Kinder. Erinnert sich noch jemand an die "Herr der Diebe"-Realverfilmung? "Riccio" George MacKay verkörpert hier Mortensens ältesten Sohn.
- Anmerkung zum Trailer: Schaut nur die erste Minute ;-)
Seit zehn Jahren leben Ben (Mortensen) und Leslie mit ihren sechs Kindern in einer Hütte im Wald. Sie haben einen eigenen Garten, Fleisch erjagen sie sich selbst. Sie besitzen kein Internet, kein Telefon und keinen Fernseher, ihr einziger Kontakt zur Außenwelt ist ein alter Linienbus, der wahlweise auch zu einem Wohnmobil umfunktioniert werden kann. Auf dem Tagesplan stehen hartes körperliches und geistiges Training, den von Kapitalismus- und Konsumkritik durchzogenen Schulunterricht übernehmen die beiden Elternteile selbst. Auf die Probe gestellt wird die Familie, als sich Leslie das Leben nimmt und Leslies Vater die "Hippiespinner" von der Beerdigung fernhalten will.
Trailer zu Captain Fantastic - Einmal Wildnis und zurück
Ich habe "Captain Fantastic" letzten Dienstag gesehen und seitdem versuche ich mich an einem Text, mir wollen aber keine Beschreibungen einfallen, die dem Film gerecht werden. Daher möge man mir verzeihen, wenn ich mich diesmal kurz fasse. Matt Ross’ Bilder entfalten eine eindrucksvolle Wucht und das nicht nur wegen der Farbenpracht. Die Introszene im Wald könnte auch aus Iñárritus "The Revenant" stammen, die eingespielten oder vom Cast eingebrachten Lieder vermitteln in Kombination mit den Bildern ein ultimatives Gefühl von Freiheit und Wildnis. Während dem Zuschauer und den Stadtbewohnern die Verschrobenheit der Familie auffällt, empfindet sie ihr Auftreten selbst als würdevoll, Ross bringt beides filmisch sehr gut in Einklang, ohne in die eine oder andere Richtung abzudriften. Kein arroganter Spott, keine naive Huldigung.
Dieser Einklang macht "Captain Fantastic" auf inhaltlicher Ebene zu einem großartigen und lehrreichen Film. In seinen 120 Minuten diskutiert Ross zwei verschiedene Lebensphilosophien, wägt Vor- und Nachteile dramaturgisch manchmal etwas zu vorhersehbar gegeneinander ab und beendet die Diskussion schließlich mit einem gelungenen, angemessenen Fazit. Falls man die Charaktere als Zuschauer bis dahin nicht liebgewonnen hat, dürfte man ihr Handeln zumindest nachvollziehen können, denn Ross beleuchtet sie von beiden Standpunkten aus.
Sehr empfehlenswert!