Bewertung: 3.5 / 5
Mit seinem Science Fiction-Film District 9 hatte der südafrikanische Regisseur Neill Blomkamp die Messlatte für seine zukünftigen Filme hoch angelegt, an der er nun immer wieder gemessen wird. Mit seinem Folgeprojekt Elysium konnte er zwar visuell die Zuschauer für sich gewinnen, doch inhaltlich taten sich etliche Probleme auf. Dies hat auch Blomkamp begriffen, der nun bei Chappie alles richtig machen wollte. Wieder bringt er seine Ideen in einem sozialkritischen Science Fiction-Milieu unter, doch dieses Mal stehen weder Außerirdische noch Menschen im Mittelpunkt, sondern ein denkender und fühlender Roboter.
Das südafrikanische Johannesburg ist in nicht allzu ferner Zukunft ein rauer Ort. Um die Gewalt unter Kontrolle zu bringen, werden seit geraumer Zeit autonome Roboter, sogenannte Scouts eingesetzt. Ziel und Zweck ist es, die Sicherheit der normalen Bevölkerung zu gewährleisten und die ausufernde Kriminalität einzudämmen. Doch der Erfinder der Scouts, Deon Wilson (Dev Patel), will mehr und endlich scheint er in der Lage zu sein, den Robotern nicht nur vorgefertigte Befehlssätze mitzugeben, sondern ein echtes Bewusstsein. Heimlich erprobt er seine Erfindung an dem ausrangierten Roboter Chappie, der kurz darauf von einer örtlichen Gang entführt wird. Chappie soll ihnen helfen, einen ganz besonderen Überfall über die Bühne zu bringen. Doch wie jedes Lebewesen mit Bewusstsein muss auch Chappie erst lernen und selbst entdecken, wer und was er ist. Doch viel wichtiger ist es, gut von böse zu unterscheiden. Dabei macht Chappie eine Entdeckung, die die gesamte Welt revolutionieren könnte...
Trailer zu Chappie
Wer die bisherigen Werke von Neill Blomkamp District 9 und Elysium gesehen hat, erkennt seinen Stil auch umgehend bei Chappie wieder. Absolut harmonisch fügt sich dieser in seine bisherige Filmographie ein. Inhaltlich und visuell wird ein weiterer Film geboten, der ohne große Probleme im selben Universum wie die genannten Werke spielen könnte, dank dezenter Verweise ist dieses Gefühl sogar mehr als eine Vermutung. Vor allem nachdem Elysium nicht der Erfolg wurde, den sich Blomkamp erhofft hatte, wollte er mit Chappie wieder richtig punkten. Ein Film darf nicht nur auf einer guten Idee beruhen, er muss auch stimmig und in sich geschlossen wirken. Was das betrifft, hat Blomkamp auf jeden Fall wieder den Nerv der Zeit getroffen.
Der Beginn von Chappie weckt sofort stilistisch Erinnerungen an District 9, die Unterschiede sind fast marginal. Interviews, ein Rückblick, dann die Geschichte, die klären soll, was diesen Roboter so besonders macht, der ohne weiteres der Bruder von Nummer 5 sein könnte (nicht äußerlich, aber charakterlich). Gerade der Werdegang von Chappie in seinem Lernprozess ist eine der großen Stärken des Films, der den Zuschauer mit auf eine verrückte und manchmal auch lustige Reise nimmt bis hin zum Showdown. Auch hier bleibt sich Blomkamp wieder einmal treu. Ein kleines Gemetzel darf am Ende nicht fehlen, selbst wenn er dieses Mal nicht ganz so der Action frönt und sich auf einen kurzen, dafür sehr ansprechenden Kampf konzentriert. Hier zeigen sich auch die Parallelen zu anderen Filmen, von denen sich Blomkamp inspirieren ließ: Ein wenig Nummer 5 lebt!, eine Prise Robocop, das Ganze mit Blomkamps bisherigen Werken gemixt und dank Hugh Jackman kommt am Ende noch ein Schuss Real Steel dazu.
Doch so gut ihm wieder einmal die künstlerische Komponente gelingt und er dieses Mal auch storytechnisch den Zuschauer bei der Stange hält, hat Chappie auch ein paar Probleme. Ja, der Roboter wurde liebenswert umgesetzt und erneut setzt Blomkamp auf die Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Freund Sharlto Copley, der Chappie seine Bewegungen und seine Stimme leiht. Nur bei den Darstellern passt es nicht ganz. So bleibt Sigourney Weaver viel zu blass im Hintergrund, dafür ist Hugh Jackman immer vorn dabei, dessen Motivation und Absichten auch klar sind, seine Methoden aber mehr als fraglich und unglaubwürdig. Etwas befremdlich wirken besonders Yo-Landi Visser und Watkin Tudor Jones, letzterer auch als Ninja bekannt. Beide bilden die südafrikanische Band mit dem deutsch klingenden Namen Die Antwoord und spielen sich im Film gewissermaßen selbst, nur im Ghettomilieu. Und genau dieser Schauplatz raubt Chappie einige Pluspunkte.
Natürlich will Blomkamp soziale Kritik üben, die Menschen zeigen, die von der Gesellschaft abgehängt wurden. Doch diese Gangster-Yo-Motherfukka-Gruppen, die immer wieder thematisiert werden, verleihen dem Film ein sehr dreckiges Image. Diese Typen sind keine Opfer, in erster Linie sind es Täter, Menschen, die vor Überfällen und Mord nicht zurückschrecken. Sie werden ein wenig zu Helden stilisiert, nur weil die Typen, mit denen sie sich anlegen, noch schlimmer sind. Was zeigt uns dieser Blick in diese Welt, in der scheinbar nur die Starken überleben, indem sie sich über die Schwachen erheben? Was ist die Botschaft von Blomkamp? Gerade weil er sich zu sehr in diesem Milieu verfängt, springt der Funke bei Chappie einfach nicht über, denn die viel spannendere Frage nach dem Bewusstsein eines solchen Wesens geht immer wieder unter. In seinen bisherigen Filmen gab es diese unterdrückten Gruppierungen, mit denen der Zuschauer sympathisieren konnte. Dies geht mit Chappies Familie bis zu einem gewissen Grad zwar auch, aber warum sollte man dies letztlich tun? Sie sind keinen Deut besser als der Rest und dies zeigt sich spätestens in den Werten, die sie Chappie im Vergleich zu Dev Patels Dean mit auf den Weg geben.
Trotz der Schwächen ist Chappie ein sehenswerter Film, der auch als Gesamtwerk runder wirkt als Elysium. Sein recht emotionales Ende tröstet über viele Stolpersteine im Mittelteil hinweg. Insgesamt bietet Chappie wie Blomkamps andere Filme eine gesunde Portion visuelle Effekte, nette Action und dieses Mal sogar etwas zum Lachen. Sein nächstes Projekt darf aber ruhig mal eine andere Richtung einschlagen. Es wird spannend, wie sich Blomkamp mit einem Franchise schlägt, wenn er sich nun Alien 5 widmet. Die visuelle Qualität trauen wir ihm zu, nur beim sympathischen Casting muss er noch mehr als ein paar Schippen nachlegen.