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Das Fenster zum Hof

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Das Fenster zum Hof Kritik

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Das Fenster zum Hof Kritik
0 Kommentare - 03.06.2023 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Das Fenster zum Hof" ist.

Bewertung: 5 / 5

Nach einem Unfall sitzt der Pressefotograf Jeff (James Stewart) in einem Rollstuhl mit Gips am Bein. Aus der Langeweile heraus, beginnt er die täglichen Gewohnheiten seiner Nachbarn mit einer Kamera zu beobachten und macht daraus ein Spiel, in dem er seinen Nachbarn neue Identitäten samt ihrer Eigenschaften verpasst. Doch eines Tages glaubt er einen Mord zu beobachten und muss nun um Hilfe bitten. Seine Verlobte Lisa (Grace Kelly) und der befreundete Polizist Thomas J. Doyle (Wendell Corey) glauben ihm zunächst kein Wort, weswegen Jeff versucht, sie zu überzeugen.

Gedankenverloren und versunken blickt man leicht auf Das Fenster zum Hof. Es handelt sich um einen Film, den man nicht rein aus Unterhaltungszwecken gut finden kann, denn dann würde man sich als erschreckend antiintellektuell erweisen und hätte Hitchcock schlicht und ergreifend nicht verstanden. Was im Film häufig als pubertäre Provokation aufgefasst werden kann, ist in den Händen des Meisters der Suspense ein Meta-Werk sonders Gleichen. Denn es geht um das ausspähen, beobachten und das hervorkramen jedweder Mutmaßungen und Vorverurteilungen. So ähnlich funktioniert das auch bei Menschen und ganz besonders funktioniert es so im Film. Die Rolle des Pressefotografen, der hier bedingt durch einen Beinbruch so ausgeliefert scheint, stellt eigentlich die pure Macht dar. Zumindest für einen Teil des Films, besser gesagt dem Beginn des Films. Die Verhältnisse sind klar. Er, der für die Presse arbeitet und eigentlich darin geschult ist, dort hinzublicken, wo außergewöhnliches stattfindet, ist nun gefesselt an seine eigene Sterblichkeit und muss seine eigenen Gedanken spinnen. Was geht in den Leuten vor, wenn sie sich tagein, tagaus in ihrem Zimmern streiten, auf ihren Balkonen liegen oder dem geregelten Dasein nachgehen? Der Film kennt die Antwort darauf, wenngleich nicht jede Antwort sicherlich ein Chaos anrichtet, so ist das Banale, was man eigentlich keineswegs als spannend empfinden sollte im Film, hier das, was die meiste Begeisterung hervorruft.

Vielleicht ist es ein wenig Berufskrankheit. Doch auf der anderen Seite stellt das, was im Film passiert, auch ein gesamtgesellschaftliches Problem da. Nicht nur scheinen die Figuren, die Jeff so lange beobachtet, mit ihrem kleinbürgerlichen Leben überfordert, auch Jeff ist nicht unbedingt glücklich. Was auch immer das heißen mag. Doch das Glück, beziehungsweise das nicht erreichte Glück sind zentrale Fragen in Das Fenster zum Hof. Denn wie erreicht man Glück, wenn man in demselben monotonen Alltag gefangen ist. Die Ehe ist ebenso krisenreich. Nicht umsonst erscheint die Verlobte Lisa als eine Frau, mit der Jeff nicht so viel anzufangen weiß. Vielleicht ist es das Alter, der Altersunterschied. Es ist aber sicherlich nicht nur das. Schließlich ist man hier nicht in einem Bernard Schlink-Roman. Doch so richtig funktionieren will diese Beziehung auch nicht und so scheinen Lisa und Jeff kein Paar zu sein, daß irgendeine Gemeinsamkeit aufweist. Sie geht gerne Einkaufen, er ist mit seiner Arbeit verheiratet und beide flüchten sie sich dann in einen ganz unangenehmen Voyeurismus, der zufolge hat, daß man sich die wahnsinnig seltsamen und doch so simplen Tagesabläufe von anderen Menschen anschaut. Das ist ein nicht wegzudenkender Teil des Films, weil es zum Verbrechen doch erst nach einer ganzen Weile kommt. Vielleicht ist das normale Leben bereits ein Verbrechen, denn auch so könnte man diesen Film lesen. Wieder einmal ist es Hitchcock auch gar nicht wichtig, das Verbrechen als ein Mysterium zum verstehen. Sonst wäre ja nicht sonnenklar, was von Anfang bis Ende passiert. Viel eher ist es der Alltag, der die Menschen irgendwie zu Verbrechern macht, beziehungsweise nur das zutage fördert, was da sowieso schon lange schlummert.

Unterdessen ist gerade die Beziehung zwischen Grace Kellys Lisa Carol Fremont. Denn während man hier durchaus die Frage in den Raum werfen könnte, warum die Figur von Kelly so simpel gehalten ist, stellt sie doch etwas dar und sie stellt somit auch den Kontrast zu Jeff dar. Denn während Jeff mit einer abenteuerlichen Geschichte daherkommt, sieht sie in dem Problem zunächst kein Problem. Auch der Polizist Tom Doyle passt in diese Kerbe. Da gibt es immer die einfachen Lösungen für das Problem. Insofern macht die Wahrnehmung der Figuren auch einen Großteil an dem aus, was überhaupt zu dem Problem wird. Dieses Spiel, daß den Zuschauer auf einer Meta-Ebene mit Hitchcocks Hauptfigur verschmelzen lässt, könnte vermutlich auch nicht aktueller sein. Wenn man in die Welt blickt, dann wird so ziemlich jedwede Neuigkeit serviert, die man überhaupt erhalten kann. Berichtenswert oder nicht, spielt dabei keinerlei Rolle. Das Gefallen an Straftaten, aber auch dem ganz banalen Leben und dem Wissen über den Gegenüber funktioniert hier als Macht. Das weckt unangenehme Erinnerungen an seltsame Systeme auf deutschen Boden, an solche, die es in weiten Teilen der Welt noch gibt, an den Einsatz von Medien, um Menschen zu kontrollieren und dem Verlangen der Masse nach immer neuen Informationen. Das Fenster zum Hof ist neben Die Vögel (1963) wohl der Film von Hitchcock, der noch am meisten eine Aussage, über die aktuelle Menschheitsgeschichte treffen kann. Unheimlich und irgendwie finden das alle noch normal.

Dabei kann man sich am Voyeurismus ziemlich stark abarbeiten. Denn tatsächlich liegen da große Ideen drin. Es ist eigentlich ein Film, der einfacher nicht sein könnte. Es gibt da nicht viel. Das gesamte Werk wirkt wie ein Kammerspiel und könnte so vermutlich auch im Theater aufgeführt werden. Und wenn man den Voyeurismus hier als Trieb versteht, als etwas, was die Hauptfigur nicht abschalten kann, dann scheint es da auch eine übergeordnete sexuelle Komponente zu geben. Sex, beziehungsweise Sexualität spielen im Film ohnehin eine Rolle. Besonders ausgedrückt durch Grace Kellys Figur, aber auch der Tatsache, daß Jeff an einen Stuhl gefesselt ist. Also im übertragenen Sinne. Die Figur kann sich eigentlich nur noch monoton, ganz wenigem hingeben. Körperliche Anstrengungen sind untersagt und somit kann es auch keinen sexuellen Akt geben. Doch irgendeine Form von Befriedigung gibt ihm der Voyeurismus, daß Beobachten anderer Menschen. Nicht umsonst wirft er auch sehr genaue Blicke auf eine Frau, die in ihren Räumlichkeiten trainiert. Das als einfaches Macho-Gehabe abzutun, wäre vermutlich auch fehlerhaft und hat der Film natürlich auch etwas von Freud. Tatsächlich ist der Ausdruck der Sexualität auch spannend, weil Jeff seine Lisa, wenn es um wirkliche Körperlichkeit geht, ablehnt. Warum dem so ist, kann man nur spekulieren. Vielleicht liegt es wirklich an den Unterschieden in den Figuren und im Alter. Das war sicherlich zu jener Zeit noch normaler als vielleicht heute. Und dennoch, wenn man die Figuren eben als in ihrer aktuellen Lebenslage ganz unterschiedlich dastehend versteht, dann könnte Freud mit seinen Familien-Thesen über Sexualität durchaus wieder eine Rolle spielen.

Über das analytische Hinaus gelingt es Das Fenster zum Hof aber auch durch ganz andere, vermeintlich banalere Mittel zu überzeugen. So ist er einfach ein spannender Film, weil er dem Zuschauer immer genauso viele Informationen gibt, wie seiner Hauptfigur. Das Geschehen ist klar, doch wie reagieren? Was erwartet man von den Figuren und somit vom Zuschauer? Vielleicht weist der Film auf eine Art Zivilcourage hin, die so selten noch Platz in dieser Welt findet. Zu keinem Zeitpunkt verschwendet der Film dabei seine Zeit mit irgendwelchen Pathologisierungen von irgendwelchen Figuren, deren wahres Drama der Zuschauer verstehen sollte. Hitchcock ist bemüht darin ein Motiv für die Taten zu finden, daß ist aber auch schon alles und für die letztliche Geschichte glücklicherweise völlig egal.

In der Vita eines Hitchcocks ist ein weiteres Meisterwerk fast schon ein müdes Lächeln. Doch Das Fenster zum Hof ist ein solches, weil er für unglaublich große Analyse nutzt. Das Werk ist zeitlos, weil es den Menschen moderner Zeiten vielleicht noch mehr vor Augen führt und teils sogar persifliert. Währenddessen ist das Werk aber nicht nur reine Metapher, sondern als Film einfach und dadurch so spannend. Daß überhaupt eine Geschichte stattfindet, ist dabei fast schon irrelevant und letztlich geht es dann mehr um das, was die Welt mit den Menschen, die dort stattfinden, macht.

Das Fenster zum Hof Bewertung
Bewertung des Films
1010

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