
Bewertung: 3.5 / 5
Wenn ein neuer Film von Christopher Nolan in die Kinos kommt, so ist dies immer ein besonderes Ereignis. Fast niemand versteht es so gut wie er, das Publikum über so gut wie alles im Dunkeln zu belassen, bis zu dem Zeitpunkt, wo sie den Film im Kino sehen. Gerade bei großen Blockbustern ist dies heutzutage eine absolute Ausnahmeerscheinung. Tenet kommt jedoch eine zusätzliche Bedeutung hinzu: Der Film soll nicht weniger als das gesamte Kino retten!
Ein nur als Protagonist bekannter Agent (John David Washington) besteht einen tödlichen Test und wird daraufhin auserwählt, die Welt vor dem Dritten Weltkrieg zu bewahren. Doch die Bedrohung ist viel größer als er zunächst ahnt und geht über bloße atomare Auslöschung hinaus. Zusammen mit seinem Partner Neil (Robert Pattinson) kommt er der "Inversion" auf die Spur und tut alles dafür, die Bedrohung aus der Zukunft aufzuhalten, auch wenn er dafür völlig neue Wege der Zeit beschreiten muss.
Trailer zu Tenet
Tenet ist der erste große Blockbuster, welcher in der Corona-Zeit in den Kinos startet und wenn die Verschiebungen so weiter gehen, eventuell auch der letzte in diesem Jahr. Das Tenet überhaupt in der aktuellen Zeit in den Kinos startet, ist vermutlich Christopher Nolan selbst zu verdanken. Warner Bros. geht mit dem Kinostart ein enormes finanzielles Risiko ein. Doch für einen Verfechter des Kinos wie Nolan steht aktuell wesentlich mehr auf dem Spiel. Tenet soll die Menschen wieder vor die großen Leinwände locken und somit die Kinos retten. Ob dies gelingt, werden wohl erst die kommenden Wochen zeigen. Doch abseits von all dem: Ist Tenet überhaupt ein guter Film?
Spoilerfrei über einen Christopher Nolan Film zu schreiben, ist schwierig, Tenet macht da wahrlich keine Ausnahme. Versuchen werde ich es dennoch. Wer jedoch gar nichts über den Film wissen möchte, der sollte vermutlich ohnehin sämtliche Kritiken zu dem Film meiden.
Kurz gefasst kann man sagen: Handwerklich sehr gut, bis auf den Schnitt, zu dem ich später noch etwas sage. Von der Story her jedoch eher mittelmäßig. Eine eigentlich einfache Story wurde Nolan-typisch verkompliziert und teils unnötig verwirrend aufgebaut. Schon bei Inception und Interstellar tat er dies, doch hier schießt er damit weit über das Ziel hinaus. Man hat teils den Eindruck, er möchte, dass sich der Zuschauer dumm vorkommt. Dabei ist es keinesfalls etwas schlechtes, einen intellektuellen und anspruchsvollen Film drehen zu wollen, der die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers verlangt und diesen zwingt, aktiv mitzudenken. Doch im Kern ist Tenet nicht so ein Film. Er wirft nur einfach mit kompliziert klingenden Fremdwörtern um sich, um diesen Eindruck zu erwecken. Zudem macht es sich Nolan zu einfach, wenn er durch eine Figur im Film dem Zuschauer erklärt, man könne dies gar nicht verstehen, also versucht es erst gar nicht. Damit gibt sich der gefeierte Regisseur einen Freifahrtschein und versäumt es im Laufe des Filmes, nötige Erklärungen dem Zuschauer an die Hand zu geben. So fühlt man sich stellenweise allein gelassen. Ich kritisiere keinesfalls, dass man sich als Zuschauer die Erklärungen selbst zusammenreimen muss. Sondern viel mehr, das Nolan Sabotage betreibt und wichtige Informationen absichtlich zurückhält und somit Lücken in der Story erschafft, die man als Zuschauer schlicht nicht füllen kann. Dadurch erzeugt der Film selbst ein Paradoxon, das ihm negativ zu gute kommt: Er zwingt den Zuschauer durch seinen komplizierten Aufbau zum mitdenken. Doch sobald der Zuschauer dies tut und den Film durchschaut, erkennt er auch die Lücken und Fehler im Film und stellt sich unweigerlich Fragen, für die der Film schlicht keine Antworten liefert. Dadurch kommt man nach dem Film zu der Vermutung, dass sich Christopher Nolan hier eventuell schlicht zu viel vorgenommen hat und am Ende zum Oper seines eigenen Anspruches wurde. Denn gerade durch das erzwungene mitdenken stellt man fest: So wirklich Sinn macht dies hier alles nicht.
Mit ein Grund dafür ist, dass der Film nie komplett die Regeln erklärt, nach denen er spielt und gleichzeitig die erklärten Regeln nie konsequent genug befolgt.
Hier muss ich auf ein wichtiges Thema des Filmes eingehen, ohne dabei aber etwas von der Story zu verraten: Zeitreisen machen streng wissenschaftlich gesehen nie wirklich Sinn und sorgen bestenfalls für Kopfschmerzen. Die jeweiligen Filme, welche Zeitreisen zum Thema haben, erklären dann aber, was ihre eigenen Regeln Zeitreisen betreffend im Film sind und wie sie funktionieren und daran wird sich dann auch gehalten. Bei Zurück in die Zukunft sind dies andere Regeln als bei Terminator zum Beispiel. Aber in beiden Universen macht es jeweils Sinn, eben anhand der dort erklärten Regeln. Bei Tenet macht es teils keinen Sinn, auch weil die Regeln, wie ich zuvor schon anmerkte, nie genau erklärt werden. Es wirkt sogar zum Teil so, als vergesse der Film immer wieder seine eigenen Regeln. Dadurch wird es einem zum nachdenken angeregten Zuschauer schwer gemacht, hier einen Sinn zu finden und dies kann am Ende zu einem frustrierenden Kinoerlebnis führen. Es klingt verrückt, aber Avengers - Endgame hat hier einen wesentlich besseren Job gemacht.
Klingt dies alles bisher wenig schmeichelhaft, so möchte ich nun zu den eher positiven Aspekten des Filmes kommen, denn ich konnte Tenet auch sehr viel abgewinnen. So viel sogar, das ich nur jedem raten kann, ihn sich selbst im Kino auf der großen Leinwand anzusehen, denn dort gehört er definitiv hin. Handwerklich spielt Nolan hier absolut in der ersten Liga. Jedes Bild, jede Szene sieht einfach wunderbar aus und auch die Action kann sich sehen lassen. Dabei achtet er hier besonders sehr auf ganz gewisse Details und es kann sich lohnen, auch schon mal den Hintergrund im Auge zu behalten, wo mehr passiert als man beim ersten mal gucken vielleicht ahnt.
Untermalt ist dies alles von einem der Besten Soundtracks, die ein Nolan-Film bisher hatte und perfekt zum Film passt. Interessanterweise stammt dieser hier nicht wie sonst üblich von Hans Zimmer, sondern vom The Mandalorian-Komponisten Ludwig Göransson.
Äußerst bemerkenswert für einem Blockbuster unserer Zeit ist das fehlen sämtlicher CGI-Effekte. So beeindruckend alles im Film aussieht, es ist umso beeindruckender wenn einem bewusst wird, das alles echt ist. Was Nolan mit seinem Team hier geschaffen hat, sucht seinesgleichen und verdient hohes Lob.
Leider kann der Schnitt, wie eingangs angedeutet, nicht ganz mit diesem hohen Niveau mithalten. Schon in den letzten Jahren war der Schnitt nicht immer die stärkste Komponente seiner Filme, doch hier wirft so manch harter Schnitt sogar Fragen auf und bringt zusätzliche Verwirrung in so manche Szene. Teilweise hat man durch einige harten Schnitte sogar den Eindruck, als würden Teile des Filmes fehlen. Stichwort: Autounfall-Schnitt-Trage.
Auf Seiten der Schauspieler gibt es nicht viel negatives zu finden. John David Washington (BlacKkKlansman) spielt gekonnt den namenlosen Protagonisten und weiß auch in den Actionszenen zu überzeugen. Mit Tenet ist ihm ein weiterer Schritt gelungen, sich neben seinem berühmten Vater in Hollywood einen eigenen Namen zu machen. Nicht unerwähnt bleiben darf Robert Pattinson (Der Leuchtturm), für den es sein erster großer Auftritt in einem Blockbuster seit dem Ende der Twilight-Saga war. Und auch er weiß in seiner Rolle zu überzeugen. Für mich war er sogar das Highlight und bringt den nötigen Charme in einen sonst eher unterkühlten Film.
Beiden gegenüber spielt Kenneth Branagh (Mord im Orient Express) den mysteriösen Bösewicht des Films. Als Russischer Waffenhändler spielt er hier erneut mit fremden Akzent und schafft es auch für die nötige Bedrohung im Film zu sorgen. Als großer Bösewicht wird er aber nicht in die Filmgeschichte eingehen.
Tenet wird für viele Diskussionen sorgen, doch in einem Punkt sind sich hoffentlich alle einig: Es ist gut, dass Christopher Nolan solche Filme macht und auch selbst immer wieder diese originellen Ideen entwickelt. Hinzu kommt seine handwerkliche arbeitet, für die jeder Kinobesucher dankbar sein sollte und für die Kinos einfach gemacht sind.
Mich persönlich stört aber, wie schon bei Interstellar, dieser Eindruck, er wolle unbedingt alle mit seiner Genialität beeindrucken. Und das er mit seiner Machart versucht, dass sich das Publikum für zu dumm für seinen Film vorkommt, obwohl es eigentlich eine simple Story ist. Man wird von ihm dazu gezwungen sich mit einem Rätsel auseinanderzusetzen, zu dem er einem Infos vorenthält und bei dem sich am Ende herausstellt, das es nicht mal ein Rätsel ist. Da fühlt man sich etwas verschaukelt. Tenet ist ein James Bond-Film mit einer simplen Zeitmechanik als Gadget. Hätte er das auch so gefilmt mit all seinem handwerklichen Geschick, wäre ein genialer Film daraus geworden, der extrem unterhalten könnte. So wirkt Tenet leider wie eine große Mogelpackung, die am Ende auch nicht wirklich Sinn ergibt. Ich habe bis zum Ende auf den finalen großen Twist gewartet, durch den alles Sinn ergibt und der Tenet doch noch zu einem großen Film macht. Doch dieser Twist kam nicht. Stattdessen kam einer, den man schon lange vorher kommen sah und daher auch nicht überraschte, wie einiges andere im Film leider auch. Christopher Nolan hat sich selbst zu oft im Film ein eigenes Bein gestellt und stand sich dadurch selber dabei im Weg, einen wirklich großartigen Film abzuliefern.
