
Bewertung: 3.5 / 5
Die Außenseiter Billl Denbrough (Jaeden Lieberher), Richie Tozier (Finn Wolfhard), Eddie Kaspbrak (Jack Dylan Grazer), Beverly Marsh (Sophie Lillis), Ben Hanscom (Jeremy Ray Taylor), Stanley Uris (Wyatt Oleff) und Mike Hanlon (Chosen Jacobs) leben in einer Kleinstadt namens Derry. Dort verschwinden immer wieder Menschen. Als im Laufe des Sommers Bills Bruder Georgie (Jackson Robert Scott) von einem Monster verschleppt wird, beschließen die sieben Kinder, die sich fortan Club der Verlierer nennen, das mysteriöse Wesen namens Pennywise (Bill Skarsgård) zu jagen.
Es ist eigentlich erstaunlich, dass eine Verfilmung zum Horror-Roman Es so lange auf sich warten ließ. Sicherlich, es gab da mal diese Mini-Serie und Horrorfilme haben ja häufig das Problem eher gewagtere Produktionen zu sein, weil sie durch ihren Härtegrad eben nicht jeden gleich ins Kino locken können. Doch 2017 war es dann endlich so weit und Es erblicke das Licht der Welt. Im Horrorfilm geht es in der Regel um die Angst, um die Angst vor dem überirdischen, oder als Projektionsfläche von Dingen, die eigentlich eine Klarheit zu sich haben, diese aber nicht in rationaler Art und Weise ausgedrückt werden kann. Dabei eröffnet sich bei diesem Werk durch Regisseur Andy Muschietti gleich zu Beginn die Frage, ob man denn Angst vor diesem Werk haben muss. Dem ist nicht so, zumindest wenn schon eine ganze Menge von Filmen gesehen hat, wird man sich die Frage stellen, ob dieser hier nun das ist, für das er im Vorhinein und teilweise auch noch im Nachhinein gehalten wird. Ganz sicher ist der Film dabei aber nicht frei von Fehlern und so hat man stellenweise schon das Problem, daß der Film seine eigene Geschichte nicht so gut ins Rollen bringen kann, weil er zu Teilen gar kein Horrorfilm sein will und weil er eben auch Dinge wiederholt, die man sich letzten Endes auch vorstellen kann. Es hat also ein Pacingproblem, nach welchem man auch die Tatsache hinnehmen muss, daß wirklich alle Charaktere um die Kinder herum, irgendwie nicht gerade zu Menschen gehören, mit denen man sich näher befassen möchte, weil sie, ganz salopp gesagt, irgendwie Arschlöcher sind.
Zu Beginn hatte ich mir die Frage gestellt, ob eine Gruppe von Mobbern, die hier durch den Sadisten Henry Bowers angeführt wird, wirklich noch zeitgemäß ist und nicht eher daran krankt, in endlosen Klischees zu ersticken. Nun, je mehr ich mich damit befasse, desto mehr habe ich auch den Eindruck, daß dem nicht so ist. Mobbing hat heutzutage andere Ausdrucksformen bekommen. Warum dem so ist, weiß ich nicht zu beantworten und gehört auch nicht zu meinen Aufgaben, ich kann das allerdings interpretieren. Die Tatsache, daß Menschen sich eher mit etwaigen Statussymbolen und Drohungen, als mit tatsächlicher physischer Gewalt über andere erheben, scheint ja gerade durch das Internet massenhaft verbreitet zu sein. Insofern ist das vielleicht eine Erklärung, weil man ohnehin nicht mehr soviel unter Leute geht – je nach Generation – und weil man zunehmend auch wesentlich mehr in Institutionen wie der Schule ahndet und darüber hinaus auch wesentlich schneller zu einem Anwalt geht. Das ist eben dieser ewige Konflikt zwischen Vulnerabilität und Resilienz, der seinen Ausdruck in einer zutiefst kranken Gesellschaft findet. Daher ist es vielleicht sogar sinnvoll, daß die Macher von Es die Geschichte in der Vergangenheit ansiedeln und damit auch die Möglichkeit haben, daß Innenleben einzelner Figuren, besser gesagt deren harte Schicksale so zu zeigen, wie sie unter dem, was sie durchleben müssen, immer wieder einen Katalysator in Pennywise finden, der für all das steht, was sie verachten, hassen und fürchten.
Und da spart der Film wirklich nichts aus. Wer sich einmal mit Kindern befasst hat, die wirklich aus prekären Verhältnissen stammen, der wird in Es einiges wiederfinden und schlucken müssen. Von verprügelten Kindern, über teils gefolterte Kinder, den radikalen Erwartungen der Eltern, latent ödipale Mütter, Rassismus, bis hin zu sexuellem Missbrauch innerhalb der Familie lässt der Film keinen Stein auf dem anderen und schafft seinen wahren Horror immer wieder in der Realität. Dadurch wird Pennywise auch nie zur gruseligsten Figur im gesamten Film, was einem die angenehme Gewissheit gibt, daß man zumindest nichts Schlimmeres als den Menschen auf Erden finden wird. Das Thema Kinder ist dabei ein gutes Stichwort, dafür zu erläutern, was in Es tatsächlich tadellos funktioniert. Und das sind eben die überzeugenden Kinderdarsteller. Besonders hervorheben möchte man eigentlich keinen von ihnen, weil sie allesamt ziemlich ausdrucksstark daherkommen. Am ehesten erscheint mir der Sarkasmus und die ständige Hänselei durch Finn Wolfhard noch besprechenwert, weil das zum einen die unglaublich authentische Freundschaft der Kinder unterstreicht, von denen viele ihre Zuneigung auch gerne mal durch Beleidigungen zeigen, zum anderen ist das aber auch interessant, weil der Sarkasmus und die Härte seiner Sprache eben einen Ursprung hat, den der Zuschauer sich auch sehr gut erklären kann.
Die Vergleiche auf andere Filme, im Besonderen dieser zu Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers (1986) kommen dabei auch nicht von ungefähr. Man sieht da ähnliche Dynamiken und ein ähnlich hartes Schicksal, daß diese Menschen vereint. Im Coming-of-Age-Aspekt des Films liegt auch die eigentliche Stärke. Denn während gerade der Horror doch häufig erschreckend generisch, erahnbar und effektlos daherkommt, ist es gerade das Zusammenspiel, wie der Club der Verliere zusammenkommt und sich mögen lernt, herzerwärmend. Gleichsam vergisst man dann zu Teilen sogar, daß es hier irgendwann auch noch mal um Pennywise gehen soll. Und wenn sich die Mitglieder dann tatsächlich in den Kampf gegen den Clown begeben, eilt dem noch ein netter Kriminalplot voraus, der ebenso gut gemacht wird. Sobald dann wirklich nur noch Pennywise im Zentrum des gesamten Geschehens steht, erweist sich vor allem Bill Skarsgård als absoluter Traum im Albtraum. Sein Spiel ist so einprägsam, weil er sich zwischen einem klassischen Clown und dem wahren Bösen hin- und herbewegt. Blitzschnell hat man eine eigentlich lustige Szene, wie man sie sich eben mit einem Clown vorstellt und dann wird sie wieder in wahren Schrecken verwandelt. Tatsächlich funktioniert die Figur hierbei am besten, wenn sie eben nichts tut, außer eine Präsenz aufzuweisen. Es sollte nie darum gehen, die pure Gewalt zu zeigen, denn darin ist der Film mehr bemüht, als wirklich talentiert.
So ganz wird Es sicherlich nicht seinem Ruf gerecht. Dafür ist das Werk stellenweise wirklich zu zäh. Und dennoch, der Film fokussiert sich in weiten Teilen genau auf die Aspekte, die eine gute Geschichte ausmachen. Schocker gegen Charaktere und letztere gewinnen. Ein Segen nur, daß diese Dramatik dann auch von einem phantastischen Cast getragen wird, der das auch tragen kann. Es ist faszinierend und durch seine Fragen an den richtigen Stellen hin und wieder gar recht philosophisch.
Trailer zu Es
