
Bewertung: 3.5 / 5
Puristen werden an Ghost in the Shell sicher einiges vermissen, allen anderen dürfte die Version von Rupert Sanders aber gefallen, so man denn ein Faible für düstere Cyberpunk-Visionen hat. Mit "Ghost in the Shell" gelang Masamune Shirow 1989 ein Manga-Klassiker, der inzwischen mehrfach umgesetzt wurde und nach vielen Jahren nun auch als Realfilm vorliegt. Scarlett Johansson überzeugt in der Rolle als Cyborg und im Zusammenspiel mit visuell beeindruckenden Momenten und der passenden Musik ist Sanders eine nicht zu verachtende Verfilmung gelungen.
Ghost in the Shell Kritik
In einer nicht allzu fernen Zukunft ist Major (Johansson) die erste ihrer Art: Ein menschliches Gehirn in einem kybernetischen Organismus, auf Perfektion getrimmt. Sie arbeitet in der Sektion 9, deren oberstes Ziel die Terrorbekämpfung ist, sowohl physisch als auch per Gedankenkontrolle. Per Hacks kann der Verstand einer anderen Person angezapft und beeinflusst werden - und so auch Major selbst. Eines Tages tritt ein neuer Gegner (Michael Pitt) in Erscheinung, der sich Kuze nennt, doch bei dem die Grenzen verschwimmen. Unvermutet muss Major erkennen, dass ihre angebliche Vergangenheit ein Geheimnis ist und man sie und andere betrogen hat. Weitgehend auf sich allein gestellt nimmt sie den Kampf mit einem übermächtigen Feind auf...
Trailer zu Ghost in the Shell
Seit dem Jahr 2009 verfolgen wir die Entstehungsgeschichte von Ghost in the Shell, der ersten Realverfilmung des berühmten japanischen Mangas. Basierend auf der Vorlage sind über die Zeit hinweg verschiedene Animes, Serien u.a. entstanden, doch erst im Zusammenspiel mit Dreamworks und Steven Spielberg, die 2008 die Rechte für eine Realverfilmung erwarben, und Rupert Sanders auf dem Regiestuhl wurde aus der Idee Wirklichkeit. Sanders, der bisher nur mit Snow White and the Huntsman abendfüllend auf sich aufmerksam machte, zeigt auch bei Ghost in the Shell solide Handwerkskunst: Imposanter als 2012 erleben wir ein Spektakel voller ästhetischer Bildsprache, das an Schauwerten nichts vermissen lässt und sogar durch den 3D-Effekt erfrischend unterhält.
Auf der anderen Seite steht ein komplexer, überaus philosophischer Manga, den es zu verfilmen gilt und hier merkt man der aktuellen Version die Annäherung ans breite Publikum an. Das Drehbuch von Jamie Moss und William Wheeler greift viele Details aus der Vorlage auf, aber das Ganze deutlich simpler verpackt und weniger verzweigt. Nun darf man hinterfragen, ob es zu verteufeln ist, wenn ein Film verständlich ist, aber die Frage muss tiefer gehen, denn sowohl Manga als auch beispielsweise die bekannte Verfilmung von 1995 sind in ihrer Gedankentiefe kleine Kunstwerke, die eben nicht alles auslegen. Zudem konzentriert sich der neue Film mehr auf die Identifikation(skrise) und die Selbsterkennung von Major und ist somit zumindest näher dran an Blade Runner als an Matrix, wohingegen der Anime von 1995 ein guter Mix aus beiden ist. So manche Momente sind philosophischer und tiefgründiger und hier werden 2017 teils deutliche Abstriche gemacht.
Nichtsdestotrotz legte das Team um Sanders gerade viel Wert auf eine nahezu korrekte Adaption desselben, aus dem bekannte Szenen und Musikschnipsel aufgegriffen werden. Gerade die Musik macht einen Großteil des Flairs aus, vergleichbar mit Tron - Legacy und Daft Punk, auch wenn es hier noch mehr zelebriert hätte werden können. Abrupte Wechsel in Sound als auch Bild lassen die ganze visuelle Bandbreite nur schwer in ihrer Gänze auf den Zuschauer wirken und das ist schade, denn Ghost in the Shell ist was das anbelangt wirklich ein Augenschmaus.
Trotz aller Zugeständnisse an eine etwas durchschaubare Erzählweise ist Ghost in the Shell weiterhin kein Film für die breite Masse. Deswegen ist es nur folgerichtig, dass der Film mit einer bekannten westlichen Darstellerin besetzt wurde, will man den nicht gerade simplen und allen Zuschauerschichten bekannten Stoff auch weltweit erfolgreich streuen. Scarlett Johansson wirkt als androgyne und dennoch überaus menschliche Agentin sehr überzeugend, an ihrer Seite ebenso Pilou Asbæk als Batou und besonders geheimnisvoll Michael Pitt als Kuze, im Manga als Puppetmaster bekannt.
Kurzum Ghost in the Shell ist eine interessante und mitreißende Cyberpunk-Zukunftsvision und Fans der Vorlage werden viele geliebte Details erkennen und sich stark an den bekannten Anime erinnert fühlen, der bildlich mitreißend nacherzählt wird. Doch wie jener schon deutliche Unterschiede zum Manga erkennen ließ, macht auch das jetzige Ghost in the Shell Kompromisse, was vor allem Puristen befremdlich vorkommen dürfte - vielleicht, weil sie es nicht mögen, vielleicht aber auch, weil sie nicht wollen.
