Bewertung: 3.5 / 5
Jeder Mensch hat seine Geheimnisse: Dinge, die zu schmerzhaft sind, um sie mit anderen zu teilen. Dinge, die zu grausam sind, um sie zu gestehen. Und Dinge, die man aus ganz persönlichen Gründen nicht preisgeben will. In István Szabós (erhielt 1981 den Oscar für Mephisto) vielschichtigem Kammerspiel Hinter der Tür, das auf dem gleichnamigen Bestseller der 2007 verstorbenen Ungarin Magda Szabó basiert, scheint sich vordergründig alles um die Rätsel zu drehen, die die spröde Haushälterin Emerenc (Helen Mirren) ihren Mitmenschen aufgibt. Doch in der Essenz geht es um etwas ganz anderes: Die Beziehung zwischen zwei grundverschiedenen Frauen. Allerdings verlangt die abrupte, abgehackte Erzählweise dem Publikum einiges ab.
Nicht nur einmal entscheidet sich Szabó für einen überraschenden Szenenwechsel, einen nicht vorhersehbaren Schnitt. So wirkt die Geschichte an vielen Stellen unzusammenhängend. Kombinationsgabe ist gefragt, wenn es darum geht, das Verhältnis von Emerenc und ihrer Arbeitgeberin Magda (Martina Gedeck) zu begreifen. Denn als sich die beiden Frauen im Budapest der 60er-Jahre das erste Mal begegnen, stehen die Zeichen auf Konfrontation.
Um in Ruhe an ihrem Roman zu arbeiten, engagiert die Schriftstellerin Magda die introvertierte, bärbeißige Emerenc als Haushaltshilfe. Die sonst so strahlende Helen Mirren ist kaum wiederzuerkennen: Verlebtes Gesicht, ein kalter Ausdruck in den Augen, eine kühle, abweisende Aura. Ihre starke Präsenz schüchtert ein, ihre bewusst gewahrte Distanz verunsichert - auch Magda, die nicht so recht weiß, wie sie mit der eigensinnigen Frau umgehen soll. Nur, wenn diese sich unbeobachtet fühlt, gönnt sie sich ein schüchternes Lächeln - und lässt den Panzer aus Eis, der sie umgibt, schlagartig schmelzen.
In angenehm warm ausgeleuchteten Bildern, die durchweg von einem dezenten Soundtrack aus klassischer Streichmusik begleitet werden, führt Szabó seine Darstellerinnen behutsam aneinander heran - um sie im nächsten Moment hart am Gegenüber abprallen zu lassen. Nur sehr langsam erschließt sich, weshalb Emerenc zu der Person wurde, die sie ist. Zum einen liegt der Schlüssel zu ihrem Wesen hinter ihrer Wohnungstür, deren Schwelle niemand übertreten darf. Zum anderen liegt er bei ihr selbst - in dem, was sie erzählt, oder eben nicht erzählt.
In beinahe enervierend kleinen Häppchen fügt sich das Puzzle zusammen, das ein Bild von Emerenc entstehen lässt. Bis es allerdings so weit ist, ist man als Zuschauer mit seiner Geduld fast am Ende. Zu lange zieht sich diese Entwicklung hin, zu anstrengend wird es, den abrupten Handlungssprüngen und den Bemühungen Magdas, zu ihrer guten Fee durchzudringen, zu folgen. Ohne die herausragende schauspielerische Leistung von Gedeck und Mirren würde Hinter der Tür zu einem zwar pittoresk inszenierten, jedoch sehr zähen, stillen Drama verkommen.
Hinter der Tür bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Christina Freko)