In the shadow of the moon ist eine dermaßen gemischte Tüte, es fällt mir schwer, an einem bestimmten Punkt anzufangen. Gleichzeitig clever und holprig erzählt, mit einem sehr aktuellen Thema, am Ende auch von den Bildern her gut gelöst, und einer sehr fragwürdigen Botschaft. Es gibt da diese eine Szene, in der der Protagonist mit ein paar Schweinekadavern in einem Laster herumgewirbelt wird, und ich dachte unfreiwillig „DAS ist der Film!“. Man weiß, wo es mehr oder weniger endet (auf dem Boden), aber die Charaktere haben nicht viel Spielraum zum selber entscheiden und der Weg dorthin ist ein wenig durcheinander.
Es ist 1988, Philadelphia (die Stadt, nicht der Frischkäse; man muss nicht Vater sein um Dad-Jokes zu machen), und Thomas Lockhard (Locke), gespielt von Boyd Holbrook, ist ein aufstrebender Polizist und werdender Vater. Nachdem sich ein paar mysteriöse Morde ereignen macht er sich mit seinem Partner Maddox daran, den Fall noch in derselben Nacht zu klären, obwohl sein ebenfalls aufstrebender Schwager, Detective „Holt“ (Michael C. Hall), natürlich versucht, Steine in den Weg zu legen. Letztendlich kommen sie der mysteriösen Rya (under-written und unterfordert; Cleopatra Coleman) auf die Spur und scheinen kurz davor, sie zu stellen. ABER DANN!
Trailer zu In the Shadow of the Moon
Was sich jetzt nach einem knackigen ersten Akt anhört, führt uns aber direkt zum ersten Problem: Das Pacing ist nicht gut, der erste Akt endet nach einer halben Stunde in einer scheinbaren Lösung, ohne eine essentielle Problematik für den zweiten Akt zu beschwören. Diese, und der eigentliche Motor des Filmes, ergibt sich erst nach etwa einer Stunde, in der Mitte des Filmes, sodass man als Zuschauer eigentlich auf den Trailer angewiesen ist, um zu wissen, dass es noch spannend ist. Dabei liefert der erste Akt den Aufhänger ganz offensichtlich, nur scheint jeder der Teilnehmer diesen vergessen zu haben. So muss Locke mitten im Film, in einer Szene die man nur als unglückliche Drehbuch-Vorrichtung bezeichnen kann, nochmal in den Ungereimtheiten des Falles wühlen, obwohl die Beweise entweder eindeutig a) in den Händen der Regierung sein sollten b) sich ein paar Leute in den letzten 9 Jahren intensiv mit dem Fall hätten beschäftigen müssen. Ein „Der Fall war geschlossen.“ funktioniert hier nur als schlimmstes Drehbuch-Klischee. Ebenfalls unglücklich ist, dass uns der Film selbst in der ersten Szene einen Spoiler gibt, aber es dann in der ersten Stunde nicht schafft, dieses Bild konkret in die Handlung zu weben (Ich könnte jetzt noch darauf eingehen, dass er an der guten alten Zeitreise-Film Problematik leidet, nämlich dass die Zukunft sich selber erst ermöglicht, aber lassen wir das). Ebenfalls etwas ungelenk ist, dass z.B. einiges doppelt erklärt wird (Auftritt Naveen Rao), und generell ein leichtes Übergewicht an Expository Dialogue.
Die Charaktere sind dagegen funktional geschrieben, die Motivationen sind nicht besonders vielschichtig, aber arbeiten im Sinne der Handlung. Leider haben alle Teilnehmer, und das ist ein wenig der Struktur des Filmes geschuldet, sehr wenig Handlungsspielraum, und die einzige Entscheidung, die Locke am Höhepunkt des Filmes wirklich trifft, ist ein offensichtlicher No-Brainer. Zumindest für ihn, und vordergründig für das Publikum, aber machen wir eine Markierung an die Szene und heben wir sie uns für später auf.
Technisch ist das alles eigentlich fein und kompetent umgesetzt, allerdings auch hier mit ein paar Macken. Die Musikuntermalung kann man als gelungen bezeichnen, hier wurde besonders bei den Actionszenen und dem düsteren ersten Akt etwas bei Blade Runner 2049 gewildert, was nicht schlecht ist. Die Musik ist auch das, was einen in der ersten Stunde oft gut genug bei der Stange hält. Leider wurden bei der Bildgestaltung dagegen ein paar seltsame Entscheidungen getroffen, so gibt es eine komische Split-Screen Einstellung, die den Zweck verfehlt und eher irritierend ist, oder Dialogszenen im Auto, in denen ohne Not von außen durch die spiegelnden Scheiben gefilmt wurde, obwohl es keine Beobachter-Perspektive gibt. Gerade bei den düsteren Szenen im Anfang hätte eine bessere Beleuchtung auch geholfen, und bei einer Verfolgungsjagd später verliert die Kamera ein wenig den Überblick. So, nichts davon ist tödlich, aber diese Irritationen häufen sich leider in einem ansonsten gutaussehenden Film.
Lob dafür an die Schauspier, besonders Holbrook macht hier eine Transformation durch, die nicht nur durch die Maske getragen wird. Hall dagegen überzeugt als ein Charakter, der sowohl der viel-zitierte „Schmerz im Hintern“ ist, nervig und pedantisch, aber doch einen guten Kern hat, und kommt fast daran die Show zu stehlen. Leider bleibt Coleman, wie oben angedeutet, unter allen Möglichkeiten, und wird zu einem simplen MacGuffin in der Story.
Was den Film aber bei allem holpern und stolpern sehenswert macht, sind seine beiden Thematiken, auch wenn diese sich an einem bestimmten Punkt komplett im Wege stehen.
Spoiler-Kapitel
Womit wir es hier, und der Film macht das direkt am Anfang von Akt zwei bei einer Demonstrationsszene klar, zu tun haben, ist im Kern ein weißer Cop, der eine schwarze Frau jagt, um Verbrechen zu verhindern, die sie auf seinen Instinkt hin begehen wird. Man könnte argumentieren, dass die Frau, die er später trifft, die Morde in der Vergangenheit schon begangen hat, aber aus ihrer Perspektive hat sie das noch nicht. Der Film macht außerdem klar, dass er dies durchaus aus ganz eigenen Motiven macht, auch wenn seine persönliche Tragödie nicht direkt mit ihr als Person verknüpfbar sind. Und der Film macht dann den Punkt, dass diese Person letztendlich, wenn auch nicht offensichtlich, ein Teil von ihm ist, und ein Präventivschlag von ihm genau in die rassistisch motivierte Zukunft führt, die Rya vermeiden will. Wenn der Film dann mit der Geburt eines Kindes einer weißen Mutter und eines schwarzen Vaters endet, und dies Bildsprachlich mit dem Auslöschen des anstehenden Bürgerkrieges konnotiert, dann ist das… furchtbar direkt, aber auch furchtbar aktuell. Und treffend.
Und hier ist die Kontroverse: Der Film setzt Locke und Rya auf einen zeitlich verschobenen Kollisionskurs, und beide wollen einen Präventivschlag führen, um Leben zu retten. Das Problem hier ist, dass der Film offensichtlich Attentate „für das übergeordnet Gute“ für völlig legitim darstellt, und quasi als Lösung für die Probleme der Zukunft. Symbolisch pulverisiert Rya die Gehirne ihrer Opfer, was durchaus als Statement verstanden werden kann, was man in einer Gesellschaft mit Meinungsfreiheit als tolerierbare Meinung tolerieren muss. So, dass ist natürlich kontrovers und fragwürdig, aber im Rahmen des Filmes tut sich da ein weiteres Problem auf:
Eigentlich wäre es Lockes’s Pflicht als (Ex)Cop, Rya an der entscheidende Stelle zu töten, denn seine Vermutungen sind völlig korrekt. Diese Überlegung hat natürlich katastrophale Folgen für die Interpretation der #BlackLivesMatter Thematik, und das ist auch die Stelle wo der Film sich thematisch selber auf die Füße tritt. Letztendlich wird man als Zuschauer also mit der Fragestellung konfrontiert: Wessen Motiv ist gerechtfertigter?
Der Film macht dies zumindest für sich eindeutig klar, aber als Zuschauer kommt man an dieser Stelle durchaus ins Grübeln. In the shadow oft he moon ist kein besonders guter Science-Fiction Film, aber er bringt einen zum Nachdenken, und wenn es nur über den Film selber ist. Und das ist mehr, als diverse andere Filme erreichen.