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Lara

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Lara Kritik

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Lara Kritik
0 Kommentare - 15.09.2022 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Lara" ist.

Bewertung: 4 / 5

Die unterkühlte Frau Lara Jenkins (Corinna Harfouch) feiert ihren 60. Geburtstag, doch hat sich eigentlich von ihrem sozialen Umfeld entfremdet. Zu ihrem Sohn Viktor (Tom Schilling) hat sie ebenfalls ein gespaltenes Verhältnis und zu allem Überfluss hält dieser auch noch ein großes Klavierkonzert an diesem Tag. Doch Lara wurde nicht eingeladen, während ihr Ex-Mann und Vater von Viktor Paul (Rainer Bock) zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin eingeladen wurde. Nun kauft Lara alle restlichen Konzertkarten auf und verteilt diese an irgendwelche Menschen, um sich selbst ein Geburtstagsgeschenk zu machen.

Gleich zu Beginn kitzelt Jan-Ole Gerster in seinem zweiten Spielfilm schon die Suspense aus dem Zuschauer heraus. Denn das, was dort in den Bildern passiert, ist für das immer porträtierte Leben im Film durchaus ein starker Kontrast. Natürlich eine Finte, natürlich muss es weitergehen oder gar erst losgehen und so ein wenig Anspannung kann gut helfen, die ungeteilte Aufmerksamkeit des Zuschauers zu haben, wenn man einen Film an eben jenen bringen will. Warum Gerster aber zu Beginn gleich ein solches Fass aufmacht, bleibt schleierhaft. In gewisser Weise ist Lara nämlich mit seinem Langspielfilmdebüt Oh Boy (2012) zu vergleichen. Wieder geht es um die Großstadt. Wieder geht es um Einsamkeit. Wieder geht es um eine Sinnsuche, deren Protagonistin mit einem Leben zu hadern hat. Und da tun sich dann auch die ersten Zweifel auf. Schnell wird klar, man kann Dinge bei diesem Film nicht mehr einfach betrachten, was Gerster als Regisseur natürlich auch ziemlich unersetzlich macht, weil Ambivalenzen und Ungereimtheiten eben das Leben ausmachen. Natürlich versucht der Zuschauer diese Lara Jenkins zu greifen, doch so richtig einfach macht der Film einem das nie, weil sie eigentlich auch zu jedem Zeitpunkt wie eine klassische Antagonistin wirkt. Sie hat ihre Familie vergrault, ihren Sohn gescholten und ein wenig plakativ ist das durchaus, wenn das alles mit einem Trauma, daß der eigene Klavierlehrer bei ihr auslöste, begründet wird. Das ist schlicht und schlicht und ergreifend zu wenig.

Trailer zu Lara

Doch letzteres, nämlich ergreifend, ist es auch und Gerster scheint einer der ganz wenigen weltweiten Regisseure zu sein, der die wahren Regeln der Dramatik verinnerlicht hat. Hier gibt es keine Überpsychologisierung von Charakteren, obwohl man ihre Geschichten nicht gänzlich auslässt. Hier gibt es keine Erkenntnis, kein pädagogisches Statement, was der Heldenfigur beigebracht und nun erlernt werden muss, obwohl es natürlich Erkenntnisse gibt. Gerster weiß ganz geschickt, ganz neutral und nüchtern von Leben zu berichten, ohne diese Skurrilitäten und Zustände in Zweifel zu stellen. Natürlich wäre ein Werk über eine Mutter eines Pianisten durchaus eine grandiose Allegorie auf das, was die Academy-Awards gerne auszeichnen, um sich selbst zu bestätigen. Doch dadurch, daß den Zuständen hier keine Wertungen unterliegen, bleibt auch im Auge des Betrachters, ob es das nun wert war. Während Whiplash (2014) noch plakativ das totalitäre Handeln eines Lehrers zugunsten der Kunst für gut hielt, geht es bei diesem Film wieder um Menschen. Um Menschenleben, die allesamt für ein Ziel geopfert wurden und daran erkennt man eine ganz gute Parallele zu einem Trend, der in Zeiten des Neoliberalismus ganz deutlich wird. Jeder kann ein Star sein, zumindest ist es das, was die Werbeindustrie das Individuum gerne glauben lassen will. Zugunsten des Scheins nach außen und einer Form von Prestige für die Nichtsleistenden in diesem Fall, werden dann bei etwaigen, durchaus sehr pervertierten Schönheitswettbewerben Kinder zur Schau gestellt und einer sehr unangenehmen Form von Voyeurismus ausgesetzt. Die Folgen dessen lassen sich – selbst wenn der Vergleich nicht zu einhundert Prozent übertragbar ist – in diesem Film erkennen.

Natürlich ist das altbacken und klischiert, wenn man eine dysfunktionale Familie zeigt. Das ist so alt, wie das Amen in der Kirche. Doch das lässt der Film einen schnell vergessen, weil er unter der Oberfläche stattfindet. Und das in so ziemlich allen Belangen. Die Außenwirkung ist da ganz wichtig. Notgedrungen, vielleicht auch als Zuflucht vor einem etwaigen Scheitern der eigenen Person, kauft diese Mutter in Folge eines geplanten Konzertes alle restlichen Karten auf und verteilt sie wahllos an die Menschen, die ihr auf ihrem Weg begegnen. Das sind keine Freunde und Lara scheint sich dessen auch bewusst zu sein, daß sie keine Freunde hat. Wenngleich die Erkenntnis natürlich schmerzt. Doch den Schein zu wahren, daß ist noch wichtig und so bekommen Menschen, die nicht den eigenen Wertevorstellungen entsprechen, nicht einfach Karten von ihr verteilt. Schließlich ist man optisch, wie auch finanziell gehobener. So gibt es einen Mann, der nach den Maßstäben Laras vermutlich zu ungepflegt aussieht, als daß er das Konzert ihres Sohnes ansehen könnte. Auch der alte Musiklehrer wird hier eingeladen, weil man ihn zufällig, flüchtig auf dem Weg trifft. Aus all diesem Drang, jemandem etwas beweisen zu wollen. Nämlich dem Sohn den Beistand, dem Ex-Mann die Fröhlichkeit und den Lehrern das Talent, entsteht ein Geflecht aus einem Scheinleben, daß sich natürlich auch wieder auf unsere Welt übertragen ließe. Lara ist hochkomplex als Figur und diese Komplexität wird dabei so großartig von Corinna Harfouch getragen.

Denn Harfouch ist eben zu keinem Zeitpunkt wirklich sympathisch, man wird sie als Zuschauer auch im weiteren Verlauf der Geschichte nicht besser leiden können. Sie ist unterkühlt, beharrt auf ihrer Form der Erziehung, ist eitel und scheint keinerlei Interesse am Gegenüber zu haben, obwohl sie sich so bemüht allen zu zeigen, wie gut es ihr geht. Und das alles trägt die Schauspielerin mit einer sehr anmutigen Gravitas. Auf der anderen Seite hat man dann den geschundenen und psychisch fast misshandelten Pianisten Viktor Jenkins, gespielt von Tom Schilling. Schilling hat zwar immer einen jungenhaften Charme, der sein Spiel behindern könnte, doch diesen desinteressierten und hassenden Sohn, kauft man ihm sofort ab. Und sobald Schilling die Leinwand betritt, driftet der Film dabei schon fast in eine Art von erwartbaren Showdown ab. Lange lässt sich der Film Zeit Schillings Sohn zu zeigen und sobald sie dann aufeinandertreffen, sind diese Treffen von einer Kühle durchzogen. Der Aggressor ist hier der Stolz, hauptsächlich durch die Mutter, die nie so richtig verstanden hat, wie sie mit ihrem Verhalten die Familie vergraulen konnte. Doch bei all dieser Härte und all dem Schmerz, den diese Figuren mit sich tragen, gelingt es Gerster abermals überraschend gut, den Film durch wirklich intelligente und humorvolle Szenen aufzulockern. Sei es geschuldet durch die völlige Arroganz der Hauptfigur, oder auch dem Verhalten, mit dem ihr Außenstehende begegnen. Das wechselt so zwischen Mitleid und völliger Illusionierung, weil man vielleicht geglaubt hat, eine ganz andere Wahrnehmung auf Menschen gehabt zu haben, oder diese nicht wichtig sei. Wie man es aber liest, ist es schon sehr amüsant.

Und was dann verbleibt, ist vor allem die Ruhe, mit der Gerster inszeniert. Er nimmt sich wie schon in seinem Vorgängerfilm stark zurück und erklärt abermals die Stadt zu einer eigenen Figur in seinem Film. Natürlich sind die Bilder diesmal nicht so weitreichend und bewegend, wie in Oh Boy. Dafür zeigt der Film viel eher das Innenleben einiger Gebäude, die trostlos und schmerzhaft wirken. Obwohl da natürlich eine gewisse Ästhetik eine Rolle spielt und alles fein säuberlich sortiert und platziert ist, gibt es dort kein Leben. Nicht in den Geschäften. Nicht in den Wohnungen. Das heißt auch diese Hochglanzwelt, die voller Ordnung steckt, braucht die Anarchie um Leben zu können und dieser Konflikt und Kontrast sind abhandengekommen.

Es wäre zu einfach, Lara als eine Kopie von Gersters Erstlingswerk zu begreifen. In manchen Momenten versucht der Film zwar den Zuschauer an der Nase herumzuführen, dennoch ist er über weite Strecken ehrlich und herrlich melancholisch. Die Frage zwischen Wert von Kapital und Mensch wird hier famos aufgegriffen und das während eine hochkomplexe Hauptfigur, die wunderbar gespielt wird, versucht, mithilfe ihres Sohnes, ihre eigenen Traumata aufzuarbeiten.

Lara Bewertung
Bewertung des Films
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