Anzeige
Anzeige
Anzeige

Sommer der Gaukler

Kritik Details Trailer News
Was für ein Theater

Sommer der Gaukler Kritik

Sommer der Gaukler Kritik
0 Kommentare - 17.12.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 4 / 5

Es ist schon sein zweiter Sommer in diesem Jahr: Nach der Hippiekomödie Sommer in Orange lässt Marcus H. Rosenmüller nun den "Zauberflöten"-Librettisten Emanuel Schikaneder einen Sommer der Gaukler erleben. In einem Kaff an der bayrisch-österreichischen Grenze entwickelt sich 1780 ein beschwingtes, kerniges Lustspiel mit nachdenklichen Untertönen.

Auf Sommer der Gaukler muss man sich einlassen. Marcus H. Rosenmüller inszenierte seinen achten Film in fünf Jahren mit Mut zur Übertreibung, einem vielschichtigen Plot und vor allem: mit theatralisch überhöhten Gesten. Das dürfte ganz im Sinne von Emanuel Schikaneder (Max von Thun) sein, dem Rosenmüller ein charmantes und gewitztes Denkmal setzt.

Schikaneder, vor allem für sein Libretto zu Mozarts "Zauberflöte" bekannt, strandet kurz vor der französischen Revolution in einem Alpendorf. Er ist Theatermann mit Leib und Seele, für den das ganze Leben ist Spiel ist. Dabei merkt er nicht, will nicht merken, dass es in seiner Compagnie rumort. Die Schauspieler sind unzufrieden, und seine Frau Eleonore (Lisa Maria Potthoff) wendet sich dem Star der Truppe zu. Dieser Wallerschenk (Nicholas Ofczarek) will die Truppe eigentlich verlassen - die Schikaneders hatten ihn mit der perfiden Inszenierung einer angeblichen Eifersüchtelei mit Mordversuch gerade noch einmal zur Vertragsverlängerung überreden können.

In dieser Szene am Anfang des Films hebt Rosenmüller die Grenzen zwischen Bühne und wahrem Leben auf. Ein Thema, das er konsequent weiterverfolgt in seiner Hommage an den schillernden Paradiesvogel Schikaneder, dessen Vermächtnis (Theater an der Wien) noch heute Bestand hat. Sommer der Gaukler ist ein quicklebendiges, quirliges Lustspiel, es ist das "Weltentheater", das Schikaneder in der Provinz schreiben will - und in dem er die ganze Zeit lebt. Er macht ganz einfach das Leben zu seiner Bühne.

Hier gibt's alles: die große Tragik, die große Heiterkeit, die große Liebe, die große Eifersucht. Hier wird der Minenarbeiter Georg Vester (Maxi Schaffroth) zum Revolutionsführer wider Willen gemacht, hier entfaltet sich Babette (Anna Maria Sturm), die Tochter des Bergwerksbesitzers zu einer humanistischen Emanze, hier gibt der Kutscher von Schikaneders Compagnie private Shakespeare-Vorführungen im Stall. Sie alle spielen Rollen in einem grandiosen Theaterstück, das sich Leben nennt. Überall sind die Bretter, die die Welt bedeuten in Rosenmüllers komplexem Panoptikum, bei dem sich hinter all den derben Frivolitäten große Ernsthaftigkeit verbirgt: Sommer der Gaukler ist ein kluger Film, eine prächtige Gaukelei, in der die Narren alle Freiheiten haben und mit einer gehörigen Portion Pathos die Wahrheit aussprechen.

Es geht in den düsteren Tälern, die Schikaneder eigentlich hinter sich lassen will, um die Freiheit des Theaters, um das Wesen der Kunst, darum sich entfalten zu können. Das ist hinreißend wahnwitzig inszeniert und mit einem Arbeiteraufstand, einer Liebe, die sich über Standesdünkel hinweghebt, einer komplizierten Dreiecksbeziehung und durchgeknallten Auftritten Mozarts (Florian Teichtmeister) garniert.

Das Publikum will "oan Gaudi, oan Fez", sagt Schikaneder. Rosenmüller und sein brillantes Ensemble liefern ihn. Mit Lust, mit Leidenschaft und zwei surrealen Musicalnummern: einem stampfenden Arbeiterblues, der zufällig entstand, und, weil der fröhlich-exaltiert agierende Hauptdarsteller Max von Thun daraufhin auch unbedingt eine Gesangsnummer haben wollte, einem Song von Schikaneder.

Der Sommer der Gaukler bekommt 4 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Andreas Fischer)

Sommer der Gaukler Bewertung
Bewertung des Films
810

Weitere spannende Kritiken

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry Kritik (Redaktion)

Prädikat: besonders wertvoll

Poster Bild
Kritik vom 10.10.2023 von FBW - 0 Kommentare
Im Jahr 1974 wanderte der deutsche Filmemacher Werner Herzog von München nach Paris, um so die todkranke von ihm verehrte Filmhistorikerin Lotte Eisner zu retten. In ihrem Bestseller "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" erzählt die Autorin Rachel Joyce eine ganz &au...
Kritik lesen »

Wochenendrebellen Kritik (Redaktion)

Prädikat: besonders wertvoll

Poster Bild
Kritik vom 17.08.2023 von FBW - 1 Kommentar
Marc Rothemund verfilmt mit Wochenendrebellen den autobiografischen Erfahrungsbericht von Mirco von Juterczenka, der vor zehn Jahren in einem Blog begann, die Erfahrung des "Groundhopping" mit seinem damals sechsjährigen und mit Autismus diagnostizierten Sohn Jason zu schildern. Das E...
Kritik lesen »
Mehr Kritiken
Was denkst du?
Ich stimme den Anmelderegeln beim Login zu!

Forum Neues Thema
AnzeigeY