
Bewertung: 3.5 / 5
Martin (Mads Mikkelsen) ist frustriert. Als Geschichtslehrer befindet er sich mitten in einer Phase des Zweifels. Ähnlich verhält es sich mit seinen Freunden und Kollegen Tommy (Thomas Bo Larsen), Nikolaj (Magnus Millang) und Peter (Lars Ranthe), die nun eine Theorie testen wollen. So hat der norwegische Psychiater Finn Skårderud überlegt, daß der Mensch mit einem Blutalkoholwert von 0,5 Promille auf die Welt käme. Beeindruckt von dieser Theorie testen die vier Freunde diese im Alltag und beginnen nun regelmäßig während der Arbeit und ihrer Freizeit zu trinken. Das Experiment glückt zunächst und auch Martins Beziehung zu seiner Frau Anika (Maria Bonnevie) entflammt zunächst wieder. Doch die Folgen dieses Versuchs lassen nicht lange auf sich warten.
Wenn man einen Film über Alkholkonsum schaut, dann entwickeln alle Beteiligten am Film, oder auch die Zuschauer in der Regel ein moralisches Verständnis für richtig und falsch. Es ist falsch sich während der Arbeit zu betrinken, es ist falsch sich in der Öffentlichkeit zu betrinken und es ist falsch sogar Freude daran zu finden. Ebenso falsch ist es das Trinken zu verteufeln. Es ist falsch Angst zu schüren. Es ist falsch zu tabuisieren. Diese Aussagen lassen Abstinenzler und Punker vermutlich in die Luft gehen. Und darum ist Der Rausch in so vielen Bereichen eben cleverer als andere Genrekollegen. So schafft es Regisseur Thomas Vinterberg eben Primär als Beobachter zu fungieren, ohne dem Zuschauer seine eigene Meinung penetrant aufzuschwatzen. Sicherlich bewegt der Film sich dabei in eine bewusste Richtung und es ist letzten Endes auch klar, wie sich das Drehbuch entwickeln würde, doch die große Belehrung bleibt am Ende glücklicherweise aus.
Trailer zu Der Rausch
Weiterhin kann der Film mit einem großartigen Cast aufwarten. Mads Mikkelsen, der in Hollywood gerne mal für griesgrämige, mürrische Antagonisten verheizt wird, kann hier sein ganzes Können unter Beweis stellen. Während er als Lehrer in einer desinteressierten, teilweise respektlosen Klasse unterrichtet, merkt man ihm die Frustrierung und das Leiden in jedem Moment an. Auch unter seinen Freunden scheint er zunächst einfach keine Freude mehr am Leben zu haben, was sich auch in seiner scheiternden Ehe widerspiegelt. Sein Freund Peter - wunderbar gespielt von Lars Ranthe - überredet ihn doch mal einen Schluck zu probieren und so nimmt das Drama seinen Lauf. Allgemein sind die vier Freunde an dieser Stelle sehr gut gecastet und man spürt förmlich die enge Verbundenheit zueinander.
Diese Freundschaft wirkt so echt und lebensnah, daß es einen fast verwundert das es sich hier um einen Film handelt. Die Charaktere werden dabei in juveniler Art geschrieben, was an der Stelle eine der größten Schwächen des Filmes bedeutet. Und so kommt das große Thema der Midlifecrisis auf den Plan. Sicherlich können Menschen, die diese "Phase" des Lebens durchlebt oder beobachtet haben, wesentlich besser darüber urteilen als meine Wenigkeit. Tatsache ist aber, daß die Charaktere in diesem Spiel eben etwas albern wirken. Doch darin liegt auch eine Stärke des Films. Denn der Film ist nicht zuletzt auch deswegen so unterhaltsam, weil er tolle Dialoge und einen bemerkenswert pointierten Witz aufweisen kann.
Dabei gelingt es trotz des ernsten Themas die Ernsthaftigkeit zu großen Teilen aus dem Film herauszuhalten. Das macht den Film für die Zuschauer unglaublich zugänglich, wenngleich das Drehbuch auch an manchen Stellen einfach zu viel will. Große Filme über Alkoholkonsum gibt es ja zu Hauf und auch moralische Werke wie der brillante Das verlorene Wochenende von Billy Wilder zeigen in starken Szenen auf, wie penetrant sich das Suchtverhalten auf den Alltag auswirken kann. Doch diesen Anspruch hat Vinterberg gar nicht, sondern er wählt eher einen satirischen Blick auf die Welt des Konsums. Dabei nimmt er sich auch dem ein oder anderen Klischee vom depressiven, überarbeitetem Lehrer an, der seinen eigentlich Job eigentlich nur noch mit Alkohol genießen kann.
Allgemein ist die Entwicklung des Filmes dabei sehr interessant. So mag man meinen, daß der Film ob seiner Prämisse eigentlich dafür prädestiniert ist, ein Lehrfilm für Schüler zu werden. Und auch der Plot entwickelt sich zunächst in diese Richtung. Gerade wenn man glaubt man habe durchschaut wohin die Reise gehen wird, schafft der Film es mit seiner Mischung aus erwartbarem und überraschendem Ende dennoch zu fesseln. Der Alkohol ist hier lange nicht das Einzige, was berauschend wirkt und so sind es gerade die beeindruckend klaren Bilder von Kameramann Sturla Brandth Grøvlen, die den Film sehr vertraut wirken lassen.
Ein Guss aus Klischees, vermischt mit Überraschungen macht Der Rausch zu einem unterhaltsamen Werk über die Freude am Leben. Manchmal klischeebeladen schafft es der Film dennoch durch seine überzeugenden Hauptdarsteller und seine rasante, nicht zu moralisch werdende Inszenierung zu unterhalten.
