Anzeige
Anzeige
Anzeige

Die Frau des Polizisten

Kritik Details Trailer News
Prädikat: wertvoll

Die Frau des Polizisten Kritik

Die Frau des Polizisten Kritik
0 Kommentare - 11.03.2014 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 3.5 / 5

Eine ganz normale Familie. Uwe ist Polizist, arbeitet im Schichtdienst. Christine ist zuhause und kümmert sich um die kleine Tochter Clara. Doch die gemeinsamen Familienausflüge, die Spieleabende und die harmonischen Abendessen in der Küche können nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Idylle nur Fassade ist. Denn immer schneller wirkt Uwe gereizt und reagiert aggressiv, immer ängstlicher und unsicherer wirkt das Kind und immer mehr blaue Flecken zeigen sich auf Christines Armen und Beinen. Eine Spirale dreht sich nach oben. Ohne Ausweg.

Philipp Gröning ist mit Die Frau des Polizisten eine bedrohlich intensive und verstörende Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt in der Ehe gelungen. Dabei zeigt er die Brutalität des Ehemanns nie direkt. Seine Bilder aber von dem mit blauen Flecken übersäten Körper der Frau sprechen eine deutliche Sprache und lassen das Kino im Kopf des Zuschauers weiterlaufen.

Trailer zu Die Frau des Polizisten

Wie eine zusätzliche Hauptfigur fungiert dabei das Setting. Ein kleines Backsteinhaus, mitten in der Dorfgemeinschaft und doch isoliert von der Außenwelt, zeigt die Enge und Unausweichlichkeit der Situation, aus der Christine keine Flucht gelingt. Dagegen stehen die äußerst sensibel inszenierten Szenen der innigen Nähe zwischen Mutter und Tochter. Der annähernd dokumentarische Stil und die konsequente Einteilung in kurze Kapitel, die durch Schwarzblenden voneinander abgesetzt werden, wahren die emotionale Distanz zum Geschehen. Doch entziehen kann sich der Zuschauer dennoch nicht. Durch das Auge der Kamera wird er zum hilflosen Betrachter einer Situation, die eskaliert. Ein beklemmender und beeindruckender Film, der sich einer Schwarz-Weiß-Zeichnung verweigert und den Zuschauer in jeglicher Form herausfordert.

In 60 Kapitel teilt der Regisseur Philip Groening seinen Film auf, der komplett ohne Drehbuch entstand. Die Formensprache des Films - dokumentarisch anmutende Bilder werden verknüpft mit den Ein- und Ausleitungen der Kapitel durch schwarze Tafeln - lassen in keinem Moment die Handlung des Films in Fluss kommen, sondern wollen sich einprägen, einbrennen auf der Netzhaut des Zuschauers. Versuche, den Verlauf der Handlung mit metaphorischen Bildern oder Szenen auf eine andere Ebene zu heben, wirken oft kryptisch. So lassen vor allem die Szenen mit einem alten Mann, der stumm seinen Alltag lebt, zwar die Interpretation zu, dieser könnte Uwe in seinen späteren Tagen sein. Der in seiner Bildsprache eher dem "cinéma verité" sich annähernde Film widerspricht jedoch dieser Interpretation, die gleichzeitig unterstellt, dass der Film sich über unterschiedliche Zeitebenen vermittelt, was nicht erkennbar ist.

Ähnlich verhält es sich mit dem Einsatz von Tieren, zum Beispiel dem Fuchs, der von Christine beobachtet wird und mehrmals wiederkehrt. Seine Rolle und auch die anderer Wildtiere wie dem getöteten Reh, das Uwe bei einem Einsatz vorfindet, sind nicht zuzuordnen, wirken in ihrer Symbolik rätselhaft. Mehrere Szenen, in denen die Darsteller alleine oder gemeinsam singen, sprengen den Rahmen des Films eindeutig und wirken merkwürdig. Weder ihre Platzierung im Film noch der Zusammenhang zum Gesamtwerk werden deutlich.

Die drastische Überlänge des Films und seine Gestaltung wurden kontrovers diskutiert. Während die einen gerade in der gewählten Form die Qualität und Ausdrucksstärke des Films sehen, wurde andererseits mit der Belastbarkeit eines Publikums argumentiert, das außer der Länge auch mit der minimalistischen Darstellungsform konfrontiert ist, die das Verständnis für die Botschaft des Films nur bedingt fördert. Die Darsteller sind ohne Einschränkung großartig besetzt und nehmen die Gelegenheit wahr, die von ihnen erwartete Typisierung zu erfüllen. Als belebend wird hier die jüngste Darstellerin empfunden, die häufig in Großaufnahmen zu sehen ist.

Die Frau des Polizisten ist ein ungewöhnliches Werk, eher Essay bzw. Versuchsanordnung als Film, dabei wird die Geschichte in Fragmenten erzählt. Der komplette Verzicht auf eine untermalende Musik erlaubt keinen emotionalen Einstieg und erhöht dadurch drastisch die beklemmende Atmosphäre. Gröning bedient sich dabei der gewählten filmischen Stilmittel, so reduziert sie auch sein mögen, mit äußerster Perfektion, und erzeugt so Spannung im Kopf des Zuschauers.

Prädikat: wertvoll

Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung

Die Frau des Polizisten Bewertung
Bewertung des Films
710

Weitere spannende Kritiken

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry Kritik (Redaktion)

Prädikat: besonders wertvoll

Poster Bild
Kritik vom 10.10.2023 von FBW - 0 Kommentare
Im Jahr 1974 wanderte der deutsche Filmemacher Werner Herzog von München nach Paris, um so die todkranke von ihm verehrte Filmhistorikerin Lotte Eisner zu retten. In ihrem Bestseller "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" erzählt die Autorin Rachel Joyce eine ganz &au...
Kritik lesen »

Wochenendrebellen Kritik (Redaktion)

Prädikat: besonders wertvoll

Poster Bild
Kritik vom 17.08.2023 von FBW - 1 Kommentar
Marc Rothemund verfilmt mit Wochenendrebellen den autobiografischen Erfahrungsbericht von Mirco von Juterczenka, der vor zehn Jahren in einem Blog begann, die Erfahrung des "Groundhopping" mit seinem damals sechsjährigen und mit Autismus diagnostizierten Sohn Jason zu schildern. Das E...
Kritik lesen »
Mehr Kritiken
Was denkst du?
Ich stimme den Anmelderegeln beim Login zu!

Forum Neues Thema
AnzeigeY