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Die Haut, in der ich wohne

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Rache mit Skalpell

Die Haut, in der ich wohne Kritik

Die Haut, in der ich wohne Kritik
0 Kommentare - 15.10.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 2.5 / 5

"Ich habe mich einfach danach gefühlt", sagt Pedro Almodóvar über seinen neuen Film, den Horrorthriller Die Haut, in der ich wohne. Der Meister des Melodrams zeigt sich also in seinem 18. Werk nicht etwa milder, sondern härter und wagt sich auf neues Terrain. Dabei lotet er die Grenzen dieses Genres ohne Schreie und Terror aus. Mit von der Partie ist Antonio Banderas, mit dem Almodóvar in jungen Jahren sechs Filme drehte. 21 Jahre nach der letzten Zusammenarbeit, Fessle mich!, holte er ihn nun wieder vor seine Kamera.

Als Komplize fürs Abseitige überrascht und überzeugt der wie sein Regisseur in die Jahre gekommene Hollywood-Herzensbrecher. Und mit sexuellen Provokationen à la Almodóvar kennt sich Antonio Banderas bereits bestens aus. An seiner Seite spielt Marisa Paredes, eine der "Almodóvar Chicas" (Alles über meine Mutter). Mit ihr als trashige Haushälterin Marilia landet der Regisseur ebenfalls einen Coup in Sachen Besetzung.

Es geht zunächst erstaunlich nüchtern und extrem stylish zu: glänzendes Metall, kaltes Licht und ein Mensch, der sich wie eine fleischgewordene Kunstinstallation durch den Raum bewegt. Banderas spielt souverän und mit Pokerface den plastischen Chirurgen Robert Ledgard. Dieser hat sich auf die Entwicklung von künstlicher Haut spezialisiert, die besonders schmerzunempfindlich und widerstandsfähig sein soll. Hinter seiner geradezu besessen betriebenen Forschung steckt ein tragischer Hintergrund. Bei einem Autounfall erlitt seine Frau schwere Verletzungen und ihr Gesicht wurde so zerstört, dass sie damit nicht weiterleben wollte und sich umbrachte. Roberts neue Haut hätte ihr helfen können - nun soll sie sein Leben retten, oder zumindest das, was von ihm als Person noch übrig blieb.

In einer Spezialklinik in seiner abgelegenen Villa außerhalb von Toledo behandelt Robert versteckt vor der Welt und seinen "neidischen" Fachkollegen die Patientin Vera (fragil und bezaubernd: Elena Anaya). Schnell ahnt der Zuschauer, dass etwas bei dem Aufenthalt der wunderschönen, jungen Frau, die da in einem hautengen Ganzkörperanzug ihre Yogaübungen in einem Raum ohne Fenster absolviert und von Kameras beobachtet wird, nicht mit rechten Dingen zugeht. Zumal Vera von Operation zu Operation immer mehr das Aussehen von Roberts verstorbener Ehefrau annimmt.

Während der spanische Frankenstein sich in der Faszination für sein Geschöpf und seine Fähigkeiten verliert, setzt ein ungebetener Besuch im absurden Tigerkostüm die Dinge eine tragische Kette von Ereignissen in Gang. Bis es so weit ist, verwirrt Almodóvar den Zuschauer gekonnt mit verschiedenen Rückblenden aus dem Leben Roberts zu einer Zeit, als auch seine Tochter (Blanca Suárez) noch lebte. Ein Geheimnis nach dem anderen wird gelüftet, die Personen offenbaren ihre Motivationen und Robert zeigt immer deutlicher seine hässliche Fratze. Gekonnt fügt der Regisseur Bruchstücke zusammen und wartet noch mit einem ordentlichen Schocker auf.

Liebe hat vor dem Hintergrund einer lebenslangen Rachegeschichte keinen Platz. Und Sexualität - gewollte und ungewollte - existiert hier nur in verstörenden Handlungen. Die Personen leben in einem aseptischen Kosmos, in dem Emotionen betäubt zu sein scheinen. Der Zuschauer wird zum entfernten Beobachter degradiert. Eine undankbare, unglückliche Rolle: Weil Die Haut, in der ich wohne seine Pointe nicht zu früh verraten möchte, hält er sich auch gefühlsmäßig fern von seinen Figuren. Almodóvar setzt damit die Empathie des Zuschauers für ein gequältes Geschöpf aufs Spiel. Erst in der letzten Szene erklimmt der zweifache Oscarpreisträger wieder die gewohnte emotionale Höhe. Man merkt, wie sehr man sie in den letzten zwei Stunden doch vermisst hat.

Die Haut, in der ich wohne bekommt 2,5 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Diemuth Schmidt)

Die Haut, in der ich wohne Bewertung
Bewertung des Films
510

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