
Bewertung: 3 / 5
John Wick ist eine Legende. Ein Name, der Symbolkraft trägt. Für die Figuren, die ihn benennen, für den Film, dessen Titel er bildet. Denn das gleichnamige Werk verschreibt sich nicht nur einer Mythologisierung, sondern im Subtext auch einer Dekonstruktion seiner Hauptperson.
So braucht es bald dreißig Minuten bis zur ersten Actionszene - dreißig Minuten, die zur Charakterisierung der Titelfigur genutzt werden. Bedrückende Bilder illustrieren ein wortkarges, von Verlust geformtes Leben. Auffallende Autos ergänzen einen aufgesetzten Stil. Ein Hund ist die einzige Wärmequelle. Doch nach und nach schleicht sich Bedrohung in die Inszenierung: Wer über John Wick spricht, tut es in Ehrfurcht. Tut es in Angst. Angst, die für einen Vater rechtfertigt, dass sein Sohn geschlagen wurde, weil sich dieser mit John Wick angelegt hat. Ehrfurcht, die auch dann genug sagt, wenn John Wick nichts sagt, wenn seine Fähigkeiten nur angedeutet werden. Auslassungen, Parallelschnitte, Voiceover - nähert sich der Film der Konfrontation, wird die Inszenierung klimatisch. Wechselt angespannte Stille mit pointiert eingesetzter Musik ab. Der Film erzeugt eine Erwartungshaltung - und macht sich bereit, mit ihr zu brechen.
Denn so souverän John Wick in der ersten Actionszene triumphiert, so souverän ist diese auch visualisiert. Wenige Schnitte, welche sich den Bewegungen der Figuren anpassen, eine klar kalkulierte Kameraführung, die stets genau das Geschehen zeigt. Soundtrack, Schüsse und Schläge vereinen sich zu einer treibenden Geräuschkulisse, die anschwillt oder schweigt, wenn es zur Situation passt. Wie auch das Bild an John Wick herankriecht, sobald dieser einen letzten Kraftakt vollbringen muss. Der Film kreiert eine Dynamik, die sich an den Handlungen der Charaktere orientiert, statt plakativ Spannung über Verwirrung stiften zu müssen.
Etwas, das in der nächsten Konfrontation weiter ausgebaut wird: Verfallen Figuren in Panik, wird die Kamera unruhig, halten sie inne, verschnauft auch die Inszenierung. Schüsse ergänzen den Beat der Musik, das Setting taucht das Bild in kühle Farbkontraste. Rot, Blau, Grün, ein grelles Lila. Die Action wird von flackernden Neonlichtern unterstützt, deren Strahlen und Blitze weitere Dynamik erzeugen, ohne die Übersicht nehmen zu müssen.
Trailer zu John Wick
Und John Wick wird verletzt. Es ist die erste Szene, die buchstäblich an der zuvor aufgebauten Legende kratzt. Der, den alle fürchten, ist nicht unverwundbar. Mehr noch, die nächste Actionszene übersteht er nur, weil er gewarnt wird. Die darauf verliert er sogar und muss gerettet werden. Nur, um zum Schluss beinahe zu sterben. Mit jedem Kampf reißt der Film seinen eigenen Mythos weiter ein. Vermenschlicht seine Titelfigur.
Reflektiert in der Inszenierung: Für jede Konfrontation hat John Wick weniger gezeigte Vorbereitungszeit, jeder Konflikt entgleitet mehr seiner Kontrolle. Schließlich findet die erste Actionszene in seinem Haus statt, da wo er sich auskennt, die letzte hingegen mitten in der Hektik eines Gewitters. Die Kamera wird rauer, nervöser, die Kämpfe werden physischer. Brutaler. So klimatisch der Film seine Konfrontationen aufbaut, so konsequent bringt er sie eben auch zu Ende. Bis von dem Leben, das anfangs gezeigt wurde, nur noch der Versuch eines Neuanfangs bleibt.
Dennoch scheitert "John Wick" bisweilen an seiner eigenen Gestaltung. Statt mit unterschiedlichen Farbkontrasten spielen zu können, statt tatsächlich filmische Tristesse auszuarbeiten, trüben das Werk vor allem blaugetönte Bilder. Die Ästhetik der späteren Filme ist in Teil 1 nur bruchstückhaft vorhanden. Zu monochrom sind etliche Aufnahmen, zu verwaschen viele Farben. Gerade zu Beginn beweist das Werk, es sich dahingehend einfach zu machen - aus John Wicks Verlust kann man formal kaum etwas herausholen. Man versucht es nicht einmal wirklich.
6,5 von 10 Enten.
