Ist Avengers - Infinity War super oder ist der Film mies? Je nach Betrachtung ist eigentlich beides legitim. Im folgenden Artikel möchten wir zwei Sichtweisen darlegen, dabei nehmen wir keine Rücksicht auf die Inhalte und geben eine akute Spoilerwarnung ab.
Avengers - Infinity War - Wie geil ist das denn?!!!
Darauf haben wir zehn Jahre gewartet! Endlich sind alle beisammen, die alten Helden und die neuen, und selbst wenn Hawkeye, Ant-Man und einige Randfiguren fehlen, so sind doch ansonsten alle vollzählig. Die Avengers treffen auf die Guardians und in drei Erzählsträngen wird versucht, Thanos Einhalt zu gebieten. Das Tempo ist hoch, als Comicfan kann man sich an den Kämpfen, Explosionen und dem hohen Tempo gar nicht sattsehen. Die Interaktion der Superhelden ist - das Wortspiel passt hier einfach - super. Wo andere Studios versuchen, den Erfolg von Marvel zu kopieren, indem man eigene Stärken verrät und sich anbiedert, gehen Marvel und Disney mutig voran. Man schaut eben nicht, was die anderen anstellen, man macht sein eigenes Ding und das erhobenen Hauptes. Lass die anderen Studios wimmern, wir wissen was wir tun und dieses Mal sind wir sogar radikal!
"Avengers - Infinity War" Trailer 2 (dt.)
Wo die Helden bisher immer unantastbar waren (was mitunter zu berechtigter Kritik führte), ist Thanos eine Urgewalt. Erst tötet er die Überlebenden aus Asgard, selbst Loki kann sich seinem Griff nicht entziehen, dann endlich die Auflösung, wo sich der sechste Infinity Stein befindet. Der Kniff mit Red Skull ist nicht nötig, aber passt ins Konzept. Gerade auch die im Film aufgebaute Beziehung zu Gamora macht Thanos interessant, es zeichnet ein Bild von ihm, welches von den typischen Marvel-Schurken abweicht. Seine Motivation ist schlüssig und nachvollziehbar und stellt sogar das teils idiotische Verhalten der Avengers infrage. Als Zuschauer wird man regelrecht in den Stuhl gepresst, denn Zeit zum Verschnaufen ist nicht. Die beinahe 150 Minuten vergehen wie im Flug und eigentlich hätte dieser Film noch mehr Laufzeit verdient. Hier folgt Schlag auf Schlag ... und dann das Ende. Dass Thanos alle Steine erhält, musste sein, doch wie sehr traut sich Disney, das MCU zu erschüttern! Auf Iron Man haben wir gewettet, es hätte Thor treffen können und sogar Captain America. Aber Disney ist radikal und löscht beliebte Figuren aus wie Spider-Man, Black Panther, Doctor Strange, Nick Fury, Scarlet Witch und weitere, neben 50% der galaktischen Lebewesen. Was bleibt ist eine veränderte Welt, in der Thanos als Sieger in den Sonnenuntergang schaut. Der Abspann rollt, Thanos wird wiederkommen und das MCU ist nicht mehr so wie es zuvor war. Als Zuschauer ratloses Entsetzen, so was können die doch nicht machen! Gerade erst hat Black Panther Rekorde gebrochen und Spider-Man - Homecoming kam im vergangenen Jahr super bei den Zuschauern an - und nun das?!
Dieser Film hat alles, was das Fanherz höherschlagen lässt. Selbst wer wenig mit den Comics anfangen kann, kann sich nur schwer dieser Faszination entziehen. Avengers - Infinity War ist ein atemberaubender Ritt, voller liebgewonnener Figuren, die sich ihrer größten Prüfung stellen müssen. Jeder Augenblick ist ein Moment auf Messers Schneide. Eine Comicverfilmung, wie sie nicht besser sein kann. Es ist schwer, sie nicht zu mögen, aber durchaus legitim, so manche Dinge kritisch zu beäugen.
Avengers - Infinity War - Ernsthaft?!
Disney, das wollt ihr euren Zuschauern verkaufen? Und vermutlich werden euch viele das auch noch glauben. Spider-Man, Black Panther, Doctor Strange?! Bei manchen Figuren hätte man es euch ja abgenommen, aber spätestens bei Spider-Man war klar, dass hier Betrug am Zuschauer betrieben wird. Ihr wollt vielleicht radikal sein, dabei ist das nur gut durchgeführtes Marketing. Es steht doch schon fest, Spider-Man - Homecoming 2 ist geplant und nachdem Black Panther über 1,3 Mrd. $ eingespielt hat, soll er tot sein, tot bleiben? Ein PR-Gag erster Güte, auch wenn der Schockmoment aktuell funktioniert. Aber was ist in einem Jahr? Wer ein bisschen Eins und Eins zusammenzählen kann, ahnt bereits, was passiert. Der Joker, den Doctor Strange im Film bereits andeutet, wird auf magische Weise zum Deus Ex Machina. Lasst uns raten: Ant-Man and the Wasp erscheint am 26. Juli und wird vor Avengers - Infinity War spielen. Der Plot wird sicherlich irgendwie auf Captain Marvel hinauslaufen, was zufälligerweise im März nächsten Jahres erscheint, in den 90ern spielt und passend vor Avengers 4 in die Kinos kommt. Die Lösung aller Probleme, in Avengers - Infinity War schon angeteasert.
"Avengers - Infinity War" Trailer 1 (dt.)
Dann war´s das mit dem Schocker, dann wird wieder zurückgerudert, wird an ein paar lukrativen Stellschrauben gedreht und wieder von vorne angefangen. Die nützlichen Superhelden, die die gut vermarktbar sind, werden wiederauferstehen. Die Darsteller, deren Verträge ablaufen, wird man als Knochen den Kritikern hinwerfen. Seht her, wir sind doch forsch! Nein, das seid ihr nicht. Das nennt sich Kalkül.
Was passiert vor allem mit dem Ende von Avengers - Infinity War, wenn nächstes Jahr alles wieder revidiert wird? Die emotionale Auswirkung wird es dann nicht mehr geben. Was jetzt berührt, zerfällt in seine Einzelteile. Und das ist Betrug am Zuschauer. Es geht nicht darum, eine gute Geschichte zu erzählen, sondern einfach nur darum, die nächste Sau durchs Kino zu treiben und als the next big Thing zu verkaufen.
Und da wären wir beim Hauptproblem. Ist das überhaupt noch ein Film? Der Zuschauer wird in die Handlung geworfen, genauso wie er dort herausgerissen wird. In immer kürzer werdenden Abständen mit immer neuen trivialen Inhalten gefüttert. Von einem Filmfluss kann schon lange nicht mehr gesprochen werden. Was Disney hier abliefert, ist Blockbusterkino in Reinform, welches mit viel Getöse versucht, den Zuschauer bei Laune zu halten, aber so nahrhaft wie ein Stück Toast ist. Film und Serie verschmelzen hier zusehends, aber nicht, um das Beste aus beiden Welten zu erzeugen. Wir befinden uns beim MCU in einer Endlosschleife, sehen Filme, die nirgendwo hinführen und immer nur ein MacGuffin für den nächsten Film sind. Dem Zuschauer wird etwas vorgegaukelt, die Spannung scheinbar immer weiter erhöht, ohne aber die befriedigende Auflösung zu bieten. Stattdessen erfolgt die Ablösung durch neue Probleme, neue Herausforderungen, die immer wieder das schlagen müssen, was zuvor war. Der Zuschauer wird zu einem Hamster im Laufrad. Es dominiert das Marketing und nicht der Anspruch einer guten Geschichte, denn was gezeigt wird, ist immer ohne Bedeutung. Echte Spannung gibt es nicht, denn alles bleibt ohne echte Konsequenzen, diese darf es offenbar nicht geben. Alles leicht verdaulich, weswegen es auch kein tief verwurzeltes Leitmotiv in Avengers - Infinity War gibt und das, was es gibt, wird oberflächlich behandelt. Das alles gestreckt auf 150 Minuten, damit jede Figur einmal zu Wort kommt, aber nur selten zur Handlung beiträgt. Die Bierdeckelhandlung ist so simpel gestrickt, dass sie ertränkt werden muss in Effekten. Dabei gibt sich Disney nicht einmal die Mühe, die Messlatte zu verschieben, ordentlich ist ordentlich genug. Niemand schafft hier Sequenzen, die nachhallen. Alles schon mal gesehen und der Zuschauer sieht sich ebenso schnell daran satt. Er merkt es nur nicht, denn das hohe Tempo liefert sofort den nächsten Effekt, die nächste Explosion. Solange man nicht darüber nachdenkt, mag diese Spirale funktionieren, doch sobald etwas Anspruch gesucht wird, offenbart sich die Illusion.
Wenn man sich nicht von den bunten Bildern ablenken lässt, bleibt nicht viel übrig. Überladene und aneinandergereihte Actionszenen, machen keinen guten Film. Gut gegen Böse. Was bleibt sind Superhelden, die immer nur so stark sein dürfen, wie es die Szene bedarf. Gegner, die immer dann siegen, wenn es die Story voranbringen soll und sterben, wenn ihr Zweck erfüllt ist. Mal ist Vision superstark, dann superschwach, Scarlet Witch darf Großes vollbringen, scheitert aber an Handlangern, die später mit Leichtigkeit bekämpft werden und gegen die sogar eine Black Widow besteht. Ernsthaft? Das alles ist unglaubwürdig, da jegliche Bodenhaftung verlorengeht. Der gesamte Vision-Handlungsstrang und dessen Rettung ist sinnbefreit. Um eine künstliche Lebensform zu retten, wird hundertfacher Tod in einer fragwürdigen und nicht einmal besonders gut choreographierten Schlacht in Kauf genommen. Die Zerstörung des Infinity Steins am Ende, hätte zu Beginn viele Probleme lösen können. Wird aber sowieso mit einem Fingerschnipp revidiert. Darauf hätte man auch früher kommen können. Und was ist mit Thor? Sein Hammer, bisher ein mächtiges Instrument, wird in Thor - Tag der Entscheidung degradiert. Es stecke alles bereits in ihm, doch in Avengers - Infinity War bedarf es auf einmal wieder einer neuen Waffe. Man dreht und wendet es, wie man es braucht. Unterhaltung muss sich nicht immer an schweren Stoffen abarbeiten, aber etwas mehr Größe wäre wünschenswert. Wie lange soll das noch gutgehen, bis auch der letzte begreift, was hier eigentlich gespielt wird? Hier werden nicht Grenzen ausgelotet, hier wird nicht versucht, großes Kino zu liefern, hier gibt es nur Beschäftigungstherapie unter dem Deckmantel eines Eventfilms, der nur so lange ein Event sein soll, bis er durch den nächsten Film abgelöst wird. Gleiche Themen in Endlosschleife.
Einwurf: Ist diese Kritik nicht fehl am Platz, richtet sich denn dieser Film überhaupt an Zuschauer, die so ticken? Nein, denn wie kaum eine andere Filmreihe prägt das MCU die Kino- und Filmlandschaft. Die Superhelden haben längst ihre angestammten Pfade verlassen und prägen stilistisch jeden Film. Produziert Hollywood, was der Zuschauer sehen will oder sieht der Zuschauer was Hollywood produziert? Beides ist richtig, denn die Wechselwirkung ist ein seit Jahren andauernder Prozess und Avengers - Infinity War die Speerspitze eben jenes. Wenn von solchen Filmen nicht mehr verlangt wird, dann richtet sich das Kino mittelfristig zu Grunde. Denn mit leichtverdaulicher Kost lässt sich leichter Geld verdienen und ist die Kuh erst einmal angefüttert, frisst sie dem Bauern aus der Hand. Avengers - Infinity War wird ein fulminanter Erfolg werden, die Fans werden ihn feiern und alle werden gierig dem nacheifern wollen. Die Abwechslung wird noch mehr leiden, Risiken minimiert und noch mehr kopiert. Das, was an interessierten Zuschauern für andere Genres übrigblieb, wird nach und nach dezimiert. Was bleibt, ist eine leicht zu fütternde Zielgruppe, die jetzt Erfolge sichert, aber langfristig kein stabiles Geschäftsmodell mehr. Denn irgendwann hat sich auch der letzte Comicnerd an den bunten Bildern sattgesehen, irgendwann hat jeder genug von diesen Übermenschen und was bleibt dann noch von einer Kinolandschaft, die nur noch von einem Genre dominiert wird?
Eines hat Disney geschafft: Man kann herrlich über diesen Film diskutieren und das mindestens ein Jahr lang. Es wird sich zeigen, was bleibt, wenn alle Karten auf dem Tisch liegen.