Bewertung: 5 / 5
Ich mag Toyota. Ich mag Sony. Ich mag Tokio. Ich mag die Japaner wirklich gern. Aber ihre Animes mag ich eigentlich nicht – bis ich diesen Film gesehen hatte.
Ich war wirklich enorm skeptisch, aber dieser Film ist etwas besonders. Er löst etwas in einem aus, was nur wenige Filme bei mir schaffen.
Ich kann gleich schon mal mit der Tür ins Haus fallen: Jeder Skeptiker oder jeder, der diesen Film noch nicht gesehen hat, sollte das umgehend nachholen.
Nun aber zur eigentlichen Kritik:
Es geht um das Mädchen Chihiro, das mit mit ihren Eltern in eine neue Stadt umzieht. Als ihr Vater vorschlägt mit dem Auto eine Abkürzung zu nehmen, landet die Familie mitten im Nirgendwo vor einer Art Tunnel. Sie beschließen eine kleine Pause zu machen und mal zu gucken, wo der Weg hinführt. Hinter dem Tunnel angekommen, entdeckt die Familie einen verlassenen Vergnügungspark mit einigen Geschäften und Restaurants.
In einem der Restaurants stürzen sich die Eltern auf ein vorbereitetes Buffet, während Chihiro die nähere Umgebung erkundet. Sie wird zunehmend skeptisch und trifft dann auch noch einen jungen Mann, der ihr rät diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen.
Als sie ihre Eltern abholen will, beginnt für das junge Mädchen ein großes Abenteuer voller Höhen und Tiefen...
Der 2001 erschienene „Sen to Chihiro no kamikakushi“, wie er im japanischen Original heißt, entstand unter der Regie von Hayao Miyazaki und ist einer der erfolgreichsten Trickfilme überhaupt (u.a. Oscar für besten animierten Spielfilm).
Miyazaki gilt als „Walt Disney Japans“ und schuf schon bekannte Werke wie „Prinzessin Mononoke“ oder „Das Wandelnde Schloss“.
Die ursprüngliche Geschichte schrieb er eigentlich für ein pubertierendes Mädchen in seinem Bekanntenkreis, um ihr Kraft für diese durchwachsende Zeit zu geben. Es war nie seine Absicht, daraus einen weiteren Film zu drehen, denn er wollte mit seinem Erfolg nicht den kleineren Künstlern im Wege stehen und sich deshalb aus dem Geschäft zurückziehen.
Auch wenn dieses Motiv sehr vorbildlich ist, hat er sich, meiner Meinung nach, glücklicherweise dagegen entschieden.
Der Film an sich ist kurz gesagt ein Meisterwerk des klassischen Trickfilms. Die Ghibli-Studios und Hayao Miyazaki haben ganze Arbeit geleistet. Tolle Kreaturen, verträumte, liebevolle Szenerie und Landschaft , ausgezeichnete Musik und vor allem geniale Hauptcharaktere, mit ganz viel Tiefgang und enormer Glaubwürdigkeit.
Das Setting quillt vor Phantasie über und strotzt nur so vor Poesie und Leichtigkeit. Außerdem gelingt es Miyazaki ein prachtvolles Farbspektrum zu nutzen. Von gedeckten Farbtönen (die Seenplatte mit dem Zug oder der Sumpf) bis hin zu sehr kräftigen Szenenbildern (das Blumenmeer oder das Badehaus) Ganz entscheidend ist hierbei, dass es nie bonbonbunt oder gar kitschig wirkt. Es ist ein in sich stimmiges Konzept und Farbspektrum, immer passend zu Chihiros Geschichte.
Jetzt werdet ihr bestimmt sagen: „So weit so gut sittingbull! Aber was unterscheidet diesen Film jetzt von einem allerwelts Disney-Streifen?“
Nun ja ich würde sagen alles oben genannte und natürlich folgendes:
Es gibt weder „Gut“ noch „Böse“. Man kann also sagen, es gibt keine klassischen Rollenverteilungen wie es in vielen (allen?) Disneyfilmen der Fall ist.
Chihiro trifft auf ihrer Reise viele Fremde, die eigentlich nie zu 100% durchschaubar sind und im Verlauf des Films andere Facetten zeigen (Will hier aus spoilertechnischen Gründen mal auf Namen verzichten)
Das gibt mir als Zuschauer ein Gefühl der Authentizität. Wir Menschen sind immer im Zwiespalt. Wir treffen eigene Entscheidungen oder lassen uns täuschen. Der Film spiegelt diese enorme Komplexität gut wieder und bietet dabei nicht diesen gewissen „Kitsch“.
Ein weiterer Punkt ist die Kritik von Miyazaki an der Umweltverschmutzung durch den Menschen (Faulgott-Szene). Sie kommt zwar nicht frontal und penetrant daher aber dennoch versucht er dem Zuschauer klarzumachen, dass ein harmonisches Leben in Einklang mit der Natur möglich sein muss/ist. Diese Thematik greift er in fast allen seiner Filme auf und geht für mich als Zuschauer in Ordnung, so lange man nicht in übermäßiges Belehren verfällt.
Was mir noch bei mehrmaligem gucken aufgefallen ist: Audi scheint Schleichwerbung bekommen zu haben. Als der Vater die Abkürzung nimmt äußert Chihiro Bedenken diese Landstraße zu fahren. Der Vater erwidert stolz, dass das kein Problem sei da ihr Auto ja Allrad habe. Tatsächlich fährt die Familie einen alten Audi A4...wahrscheinlich mit Quattro. Aber das nur als kleines Ding am Rande :D
Zum Schluss bleibt mir eigentlich noch zu sagen, dass auch die deutsche Synchronfassung sehr gut ist. Ich kenne zwar die japanische oder englische Fassung nicht, aber die deutsche wirkt auf mich wirklich sehr lebendig und glaubhaft (u.a Nina Hagen als böse Hexe)
Fazit:
Ich hab es ja schon vorweggenommen: Eigentlich sollte jeder Cineast diesen Film angucken. Natürlich ist das immer noch ein Film aus dem Land der aufgehenden Sonne, wo die Uhren etwas anders ticken und bei all seiner Genialität ist er vielleicht trotzdem nicht für jedermann zugänglich.
Insgesamt ein wahrlich herzerfrischender, poetischer und leichtfüßiger Trickfilm, der mich sehr berührt hat (was wirklich selten ist) und mittlerweile mein absoluter Lieblingsfilm im Zeichentrickgenre ist.
Begebt euch mit Chihiro auf die Reise und ihr werdet merken, ob ihr euch dafür begeistern könnt oder nicht...
Chihiros Reise ins Zauberland Bewertung