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Atmen

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Subtiles Porträt eines Ausgestoßenen

Atmen Kritik

Atmen Kritik
0 Kommentare - 17.12.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 4.5 / 5

Ein junger Mann taucht ab ins Schwimmbecken einer Jugendstrafanstalt. Er bleibt lange in der Schwebe, versinkt bis auf den Grund. Aber dann taucht er wieder auf. Wie oft hat man diese Metapher der Lebensmüdigkeit in Filmen gesehen? Fast scheint sie über die Maßen abgenutzt. Doch hier in Atmen, dem ersten Spielfilm des Wiener Schauspielers Karl Markovics hat das Bild, eine der letzten Einstellungen des Films, seine Berechtigung. Markovics zeichnet in leisen hyperrealistischen Szenen die Selbstfindung eines jungen Sträflings nach, der sich zur Bewährung in einem Bestattungsinstitut verdingt.

"Warum gerade dort?", möchte man fragen. Der Film gibt keine Antworten, er berichtet es bloß, in überzeugenden, wohlüberlegten Bildern. Erst nach harten Kommandos eines Wärters, nach allerlei Maßregelungen erfahren wir, dass Roman (Thomas Schubert) einen Menschen auf dem Gewissen hat, den er bei einer Auseinandersetzung tötete. Und dass er sich auf Geheiß seines Bewährungshelfers schon in vielerlei Jobs verdingte.

Nun also versucht er sich im harten Gewerbe eines Bestatters, rau bis zum Mobbing wird er von den neuen Kollegen der Wiener Städtischen Bestattung angefasst. Roman, so wollte es Markovics, ist fast noch ein Kind, mit 19 steht er an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Roman wendet sich weg vom Leben, er widmet sich der Arbeit und der Fürsorge für die Toten. Vielleicht, so hofft er wohl, findet er so ins Leben zurück.

Markovics zeichnet Romans Arbeit mit untrüglichem, genau beobachtendem Blick. Es gibt an den traurigsten, tristesten Stellen jedoch stets eine leise Komik, die aus der Hilflosigkeit gegenüber den letzten Dingen ersteht. Man denke nur an das Ent- und Bekleiden der Leichen, an deren "gefährlichen" oder behutsamen Transport. Nahe am Slapstick ist diese Arbeit mit den Wiener Toten und doch so ernst in der Abkehr vom Leben, im Aufgreifen dessen, was man sonst gerne verdrängt.

Roman, von Thomas Schubert wunderbar unnahbar und in sich verschlossen gespielt, wird irgendwann seine verblüffend junge Mutter (Karin Lischka) wiederfinden, die ihn einst in ein Waisenhaus gegeben hat. Und sie wird ihm die Geschichte erzählen, wie sie ihn als Baby fast erstickte, ihm aber in letzter Sekunde durch Beatmung das Leben wiedergegeben hat. Erschütternder als der Satz: "Es war das Beste, was ich in meinem Leben gemacht habe!" kann kaum eine Sentenz im Kino sein.

Markovics bleibt in seinen Bildern (Kamera: Martin Gschlacht) stets auf Augenhöhe mit seinen Protagonisten, er beobachtet sie mit Empathie, ohne deswegen rührselig zu werden. So schwebt dieser Film zwischen Humor und Traurigkeit, zwischen Tod und Leben, ganz so wie sein Protagonist. Das subtile österreichische Autorenkino hat mit Karl Markovics ganz ohne Zweifel einen neuen sensiblen Filmer gefunden, zu dem man ihm nur gratulieren kann.

Atmen bekommt 4,5 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Wilfried Geldner)

Atmen Bewertung
Bewertung des Films
910

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