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Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins

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Eine Ergründung von Eskapismus als Aufschlüsselung künstlerischer Motive:

Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins Kritik

Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins Kritik
2 Kommentare - 29.07.2023 von Entenverlag
In dieser Userkritik verrät euch Entenverlag, wie gut "Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins" ist.
Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins

Bewertung: 3.5 / 5

Spoiler- & Triggerwarnung:
Gewalt, Tod, Selbstjustiz

"Mission: Impossible" ist der perfekte Eskapismus. Die Gelegenheit, zu vergessen, wer man ist. Und das nicht, weil sich die Reihe vor filmischer Bedeutung scheuen oder gar nur oberflächliche Emotionen adressieren würde. Sondern weil sie die Flucht aus unserer Realität als Auseinandersetzung mit ebendieser versteht.

Trailer zu Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins

Eskapismus als Wechselspiel zwischen Film und Zuschauenden. Ob über namenlose Killer*innen oder makellose Kämpfer*innen: "Mission: Impossible" bietet uns eine Projektionsfläche. Wir identifizieren uns mit den Figuren. Wir haben Platz in ihnen. Sie sind weniger eigenständiger Charakter als viel mehr Träger einer Funktion - Held statt Protagonist, Bösewicht statt Antagonist, Stuntman statt Mensch. Es ist der Reihe nicht fremd, in andere Rollen zu schlüpfen; die Masken zeigen es uns sogar. Eine Provokation, diesen Schritt mitzugehen.
Doch Identifikation ist auch immer eine moralische Frage. Filme wie "Mission: Impossible" sind auf Recht und Unrecht angewiesen, auf Charisma und Sympathie. Wir müssen die Motive der Helden nachvollziehen können, um uns in ihnen zu sehen. Und die Pläne der Bösewichte verurteilen, um gegen sie zu sein. Weil uns jeder Zweifel an der (Un-) Rechtmäßigkeit ein Stück aus der Immersion reißt - wenn die Gedanken wieder der Realität gelten, statt ebendiese zu vergessen. Ein verfrühtes Erwachen aus dem Traum, dass das Schicksal der Menschheit, der ganze Menschheit, in unseren Händen läge.
Erst diese Immensität des Konfliktes gibt ihm seine eskapistische Bedeutung. Alltägliche Spannungen fühlen sich auch alltäglich an - sie sind uns nah, zu nah. Geht es hingegen um alles oder nichts, scheinen gewöhnliche Probleme plötzlich irrelevant. Wir werden unserer Welt enthoben, indem wir uns zu ihrer Rettung aufmachen. Indem alles besonders, dramatisch und überzeichnet ist. Ablenkung durch Beschäftigung, durch Irreführung. Jeder Dialog gibt sich bedeutungsschwanger, jede Szene wird bis zum Zenit ausgereizt. Atempausen gibt es kaum, und wenn doch, sind sie nur die Ruhe vor dem Sturm. Alles spitzt sich zu, lädt sich emotional auf, wird erst in der letzten Sekunde gelöst. Mit dem Ziel, nichts banal wirken zu lassen. Denn was ist wichtiger als das, was sich auch wichtig anfühlt?
"Mission: Impossible" ordnet unsere Prioritäten neu. Die Reihe konstruiert ein Bedrohungsszenario, das im Grunde zwar abstrakt ist, dessen Auswegslosigkeit in Verknüpfung mit den Identifikationsfiguren jedoch umso greifbarer erscheint. Wir begeben uns in eine Realität, die unserer voraus, aber doch nicht fern ist. Weit genug, um fantastisch zu wirken, aber nicht so weit, als dass sie dystopisch wäre. In ihr sind futuristische Technologien sowohl Hilfe als auch Gefahr, und erst gewagte Stunts während überwältigender Actionszenen können die Herausforderungen bezwingen. Menschliche Urinstinkte, das Behaupten im Zweikampf, werden somit zum probaten Mittel der Konfliktlösung. Aus Notwendigkeit, als Notwehr. Eine Legitimation unseres Bedürfnisses, zugleich Richter, Geschworener und Henker zu sein.
Ohne sich zu ernst zu nehmen, versteht sich. Physikalische Grenzen, Wahrscheinlichkeiten, Kollateralschäden; all das ist irrelevant oder inexistent neben dem Bestreben, das Unmögliche auf Film zu bannen. Mission: Impossible eben, ein Titel, welcher die Selbstironie der Reihe als ihr zentrales Element erklärt. Emotionale Unterhaltung: Witz, Spannung, Aufregung - und Trauer, im richtigen Moment. Ergriffenheit ob Zwischenmenschlichkeit. Mit Fortschreiten des Franchises bieten uns die Filme mehr und mehr ein Zuhause, erzählen von familiärem Zusammenhalt unter Einzelkämpfern*innen. Jeder ist im Team von Ethan Hunt willkommen - auch du und ich.

Und "Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins" weiß das zu gestalten. Es ist der längste Film des Franchises, der reifste, der formvollendetste. Ein weiterer Beweis, dass guter Eskapismus über künstlerisches Feingefühl funktioniert. Teil 7 ist im Rahmen der Reihe immerhin schon die dritte Zusammenarbeit von Christopher McQuarrie mit Tom Cruise, und wenn er auch nicht an "Mission: Impossible - Phantom Protokoll" heranreicht, sieht man ihm die Erfahrung dennoch an.
Narrativ wie audiovisuell: Was von der Erzählung vorbereitet wird, zahlt sich in der Inszenierung aus. Weil alles in Wechselwirkung steht, weil jedes bildliche Detail mit Bedeutung versehen wird. Klaut jemand eine Büroklammer, werden mit dieser später Handschellen geknackt. Steht eine Prophezeihung im Raum, steuern alle Handlungen auf diese zu. Und nimmt ein Sandsturm den Figuren die Sicht, führt der Film darüber auch die Zuschauenden in die Irre. Sehen als mehrdimensionales Konzept. Ein immersives Sounddesign und eine charakternahe Kamera, um uns aus unserer Teilnahmslosigkeit zu reißen. Wir werden zu einer der Figuren - ganz dem Wesen des Franchises nach.
Umso zielgerichteter wird mit unserer Aufmerksamkeit gespielt. Das Leading des Filmes orientiert sich bewusst an dem, was wir sehen und hören; rückt relevante Charaktere ins Zentrum, unterstreicht Bedrohungen und konstruiert Plottwists, ohne plakativ verwirren zu müssen. Es ist die Subjektivität der Gestaltung, die uns beschäftigt. Weil es kaum Szenen außerhalb der Figurenperspektiven gibt, weil Auslassungen und Täuschungen den Zuschauenden die Übersicht nehmen. Und darin, dennoch nicht unübersichtlich zu werden, liegt die wahre Qualität von "Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins".
Viel mehr kann die Filmsprache narrative Situationen aufgreifen und in ausgeklügelte Ästhetik verwandeln. Schließlich sind die Actionszenen nicht nur atemberaubend choreografiert, sondern auch von filmischem Gehalt: In der Mitte des Filmes begleitet eine wackelige, oft schiefe Kamera eine Prügelei auf engem Raum, während eine distanzierte, fast statische Kamera einen anmutigen Degenkampf einfängt. Per Parallelschnitt wird beides gegenübergestellt, ein Kontrast, der die räumlichen Gegebenheiten im Visuellen verankert. Sogar die Tiefenschärfe verschiebt sich dynamisch mit den Bewegungen der Kontrahenten*innen; und trennt eine Glaswand die Charaktere, erzeugt auch die Kamera ein Gefühl davon, ausgesperrt zu sein.
Die Reife des Filmes spiegelt sich eben nicht bloß in der Umsetzung des eskapistischen Leitmotivs. Sie findet sich ebenso in jedem Shot - deren Bildkomposition und Farbgebung -, in jedem treibenden Musikstück - Lorne Balfe weiß den Wiedererkennungswert der Titelmelodie pointiert zu nutzen - und jeder noch so absurden Actionszene. Kein Film der Reihe vermag seine Motive so weit auszureizen, so sehr zuzuspitzen wie "Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins". Sei es über die Inszenierung, wenn die Musik am Höhepunkt eines Kampfes rauschhaften Umgebungsgeräuschen weicht, oder per Emotionen, wenn das Ende des Konfliktes ein geliebtes Menschenleben fordert.

Nur verpasst "Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins" hin und wieder seine Grenzen. Während man den Slapstickhumor noch als eskapistisches Element würdigen kann, will man bei all den Rückblenden und verschiedenen Charakteren teils zu viel. Die Kapazitäten von Zuschauenden sind nicht unbegrenzt - der Film erkennt das und opfert Ilsa, vergisst es aber im Angesicht überflüssiger Widersacher*innen. Deren Rehabilitierung und Todesszenen ziehen sich somit nur in die Länge; man verliert sich zum Schluss gar in einem prätentiösen Voiceover. Ein gelungenes Ende findet Teil 7 nicht, zu sehr gibt er sich der Vorbereitung auf Teil 8 preis. Welcher jedoch, wenn man eben daraus lernt, der beste Part der Reihe werden könnte.

7 von 10 Enten.

Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins Bewertung
Bewertung des Films
710

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2 Kommentare
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Entenverlag : : Moviejones-Fan
26.08.2023 23:36 Uhr
0
Dabei seit: 20.02.23 | Posts: 103 | Reviews: 21 | Hüte: 17

@TiiN:

Ohne eine Diskussion über Kunstdefinitionen anstacheln zu wollen - ich definiere grundsätzlich jeden Film, der nicht in erster Linie dokumentarischen Zwecken dient, als Kunst und verwehre mich dem Wort als wertenden Begriff; insofern hätte das wahrscheinlich ohnehin keinen Zweck :p -, würde ich dennoch behaupten, dass hinter "Mission: Impossible" inklusive "Mission: Impossible - Dead Reckoning Teil Eins" durchaus interessante und komplexe künstlerische Visionen bzw. Motive stecken. Welche das sind, habe ich hier zu begründen versucht. ^^

Falls du also Interesse daran hast, kannst du meinen Text ja gern einmal lesen. Wenn nicht, auch kein Problem; ich habe dich auch extra nur hier verlinkt statt die Analyse unter der ursprünglichen Diskussion zu teilen, weil es natürlich nicht darum gehen soll, Werbung zu machen. Schönen Abend dir!

"Je poetischer, je wahrer."
~Novalis

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Entenverlag : : Moviejones-Fan
29.07.2023 19:38 Uhr
1
Dabei seit: 20.02.23 | Posts: 103 | Reviews: 21 | Hüte: 17

Da ich (bisher) nichts zu den anderen Teilen geschreiben habe und im Moment auch nicht vorhabe, das zu ändern, habe ich mich bewusst darum bemüht, diesen Beitrag auch als einen Beitrag zur gesamten Reihe zu gestalten. Ich hoffe, das ist mir mehr oder minder gelungen. c:

"Je poetischer, je wahrer."
~Novalis

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