Bewertung: 3.5 / 5
Nun habe ich auch endlich mal "Taxi Driver" nachgeholt.
Nun, mir erschließt sich nicht so ganz, wofür genau dieser Film so hochgelobt wird. Ja, der Film hat eine Stärke: Seine Authentizität und die recht gute Atmosphäre, die dabei entsteht. New York der 70er und das Leben in den ärmeren Vierteln wird hier recht anschaulich, wenn auch sehr oberflächlich gezeigt.
Aber da haben wir auch schon das erste Problem: Der Film kratzt nur an der Oberfläche, und zwar bei ALLEN Themen, die er anspricht oder zeigt: Ob nun die Gesellschaft bzw. das Leben in New York der 70er als Taxifahrer oder auch das Leben einer Prostituierten oder auch das Leben im Ghetto oder das Leben der Wohlhabenderen. Alles wird hier nur angeratzt.
Achtung, es folgen Spoiler!
Klar, der Fokus liegt auf Robert De Niros Charakter Travis. Doch leider bleibt auch sein Charakter äußerst blass. Man erfährt, dass er im Vietnamkrieg war, und zwar bei den "Ledernacken", also den Infanteristen. Er ist gleichermaßen ein Gentlemen und respektiert andere Menschen, egal von welcher Hautfarbe. Er ist also kein Rassist. Aber hinter der Fassade befindet sich ein Mann, der einfach nichts mit sich anzufangen weiß, quasi fast durchgehend als Taxifahrer arbeitet, der kaum schlafen kann und der ein echtes Problem hat, das er selbst offenbar nicht richtig beschreiben kann. Einmal ist es der Dreck und der Abschaum in den Slums oder das Gesocks, was sich nachts auf den Straßen herumtreibt, andererseits aber auch irgendwie jeder Mensch, der nicht wie er selbst denkt. Travis hält sich selbst für den Mittelpunkt der Welt, der alles scheiße findet und dei Welt besser machen will. Er ist offensichtlich ziemlich gestört und radikal.
Leider nur wird all das kaum wirklich gezeigt, nur oberflächlich. Leidet er an PTBS? Oder ist er einfach so? Ich meine, er geht mit einer Frau, die er wie ein Gentlemen respektiert und behandelt, in ein Pornokino und hält das für normal? Wo bitte hat er seinen Verstand verloren? Das ist ein Wiederspruch in sich. Wenn er Frauen so sehr respektiert und den Dreck und die Prostitution so verurteilt, wesahlb schaut er sich dann solchen "Dreck" an und geht sogar mit einer netten Frau in ein solches Kino?
Komisch finde ich vor allem auch, weshalb er am Ende den Senator umbringen will. Das ergibt einfach keinen Sinn. Er hat was gegen das Gesocks, und dann will er den Senator umbringen? Irgendwie total bescheuert. Und noch bescheuerter ist, dass er trotz dreifachen Mordes einfach wieder frei herumlaufen darf, obwohl er auch versucht hat, den Senator umzubringen. Klar ist er der Held des Tages für die Presse, der Held, der das Mädchen aus der Prostitution gerettet hat. Aber dreifachen Mord und versuchter Mord am Senator kann man doch nicht einfach so ignorieren.
Komisch fand ich auch die Situation mit dem Bodyguard bzw. Secres Service. Travis fragt nach Arbeit, sieht aber selbst irgendwie gestört und militant aggressiv aus, und der Bodyguard fragt ihn nach seiner Adresse für die "Bewerbungsunterlagen". Als ob das so laufen würde. So auffällig, wie Travis sich verhalten hat, hätte man ihn eigentlich eher durchsuchen und vom Platz entfernen müssen.
Zudem der Film ist auch ziemlich naiv mit dem Ende. Also ob Iris nach all der Scheiße kein Trauma davongetragen hätte, ist sie einfach so wieder bei ihren Eltern eingezogen, geht wieder zur Schule und lernt fleißig. Sie wurde unter Drogen gesetzt, sie wurde von Dutzenden Freiern sexuell benutzt, sie hat die brutalsten Morde miterlebt. Und dann soll sie wieder normal sein? Sehr unrealistisch und unglaubwürdig.
Übrigens ist es auch unrealistisch, wie der Fernseher wegen der minimalen Sturzes von der Kiste direkt völlig zerstört wird. Die Scheibe zerplatzt, als wäre sei aus Porzellan und die innere Technik geht im Funkenwerk kaputt. Das ist zwar eigneltich unwichtig, doch ich musste echt lachen, wie wenig diese doch eigentlich sehr robusten Ferseher in dem Film aushalten.
Robert De Niros Schauspiel war okay, aber auch nichts, was ich besonders hervorstechend finde. Da habe ich von ihm und vielen anderen schon deutlich bessere Leistungen gesehen. Die Rolle verlangte von ihm auch nicht sonderlich viel Mimik oder Gestik, und dialogtechnisch ist er auch immer recht einseitig. So richtig heftige Gefühle kommen da nur wenige zum Vorschein. So richtig kaufe ich ihm seine Rolle nicht ab, nur bedingt.
Auch emotional hat der Film mich recht kalt gelassen. Mit niemandem konnte ich mitfiebern und niemand ist mir ans Herz gewachsen. Und die "bösen" Leute wie der Zuhälter waren zu unterpräsent, um sie wirklich "hassen" zu lernen.
Für mich doch ziemlich überbewertet, weil andere Filme diese Themen wie PTBS, Kriegstrauma, Prostitution, Gesellschaftsprobleme und dergleichen schon besser dargestellt haben. Aber sehenswert ist er dennoch allemal wegen seiner Authentizität, Kameraführung und Atmosphäre.
Bewertung: 7/10 Punkte
Wiederschauwert: Gering
Nachhaltiger Eindruck: Gering
Emotionale Tiefe: Gering
