Bewertung: 4.5 / 5
Es ist rückblickend erstaunlich zu sehen, wie man 2017 Zack Snyders Version zerschnitten hat und wie sehr ein Film im Schnitt verändert werden kann. Dies ist dabei nichts Neues, in der Filmindustrie ist es üblich, dass Produzenten und Studios das Recht auf die finale Schnittfassung besitzen und so öfters ein anderer Film am Ende entsteht als vom Regisseur ursprünglich vorgesehen. Doch noch nie war dies so deutlich zu sehen wie im Falle von Zack Snyder’s Justice League. Dieser Film sollte ein Mahnmal für Hollywood sein, Regisseure einfach ihre Arbeit machen zu lassen. Reine Mutmaßung, aber hätte Warner Bros. seinerzeit den Mut gehabt, sowohl Batman v Superman als auch Justice League in den langen, von Zack Snyder ursprünglich geplanten Versionen in die Kinos zu bringen, die Geschichte des DCEU wäre eine wesentlich erfolgreichere gewesen.
In vielen Kritiken wird das Wort kohärent verwendet. Und es passt tatsächlich gut. Snyders Version hat eine nachvollziehbare Story. Es macht nun alles wesentlich mehr Sinn und es gibt viel mehr Hintergründe zu einzelnen Themen. Gab es 2017 Szenen, die merkwürdig wirkten, keinen Sinn ergaben oder nicht zusammen zu passen schienen, ist dies hier gänzlich anders. Auch Anschlussfehler, die wohl aus den damaligen Nachdrehs resultierten, sind in Zack Snyders Fassung nicht mehr vorhanden.
Trailer zu Zack Snyder’s Justice League
Die ganze Story und die Welt, die Snyder erschaffen hat, erhalten mehr Hintergründe und damit Tiefe. Sogar die Mutterboxen haben plötzlich eine Geschichte. Die Charaktere werden greifbarer und jeder von ihnen begibt sich auf eine eigene, persönliche Reise, die nachvollziehbar ist und auf verständlichen Motiven basiert. Sicherlich muss man hier bedenken, dass dies alles auf einem Film basiert, der so 2017 hätte in die Kinos kommen müssen. Noch vor Aquaman oder Wonder Woman 1984.
Dies hilft nur nicht, dem ganzen DCEU mehr Ordnung zu verpassen, eher im Gegenteil. Dies kann man den Produzenten vorwerfen, jedoch nicht dem Film. Denn wäre er seinerzeit wie geplant erschienen, hätte er die Tür für so manchen weiteren Film eröffnet. So war eine Kritik von damals, Warner Bros. wolle es Marvel mit den Avengers direkt gleichtun, ohne die einzelnen Figuren im Vorfeld gerecht einzuführen. Ein Schnellschuss eben. Und in der Tat war dies ein Problem in der Fassung von 2017. In zwei Stunden lernte man die Charaktere kaum kennen, das Team konnte nicht glaubhaft zusammenfinden. Doch jetzt ist endlich ersichtlich, warum Zack Snyder so vorgehen wollte.
Aquaman, Flash und Cyborg durchleben während Zack Snyder´s Justice League ihre jeweils eigenen Geschichten mit eigenen Problemen. Am Ende entscheidet sich jeder von ihnen, welchen Weg er von nun an gehen will. Und das ist auch befriedigend zu sehen, denn sie alle durchlaufen einen nachvollziehbaren Charakter-Arc. Wirklich keine der Figuren kommt hier zu kurz und auch die Dynamik des Teams entwickelt sich logisch. Es ist schön zu sehen, wie sich einzelne Charaktere mit der Zeit näherkommen. Vor allem wegen dieser Punkte macht die Laufzeit von knapp vier Stunden auch Sinn, sie ist einfach nötig.
Auch der Bösewicht des Films, Steppenwolf, macht in dieser Fassung einen großen Sprung nach vorne. Fiel es 2017 schwer, ihn wirklich als Bedrohung ernst zu nehmen, ist dies nun anders. Sogar er erhält nun eine eigene Geschichte und durchläuft während des Films seine ganz eigene Reise. Aus dem uninteressanten Abziehbild eines Bösewichts ist ein echter Charakter mit Hintergrund und Motivation geworden, auch dank seines veränderten Designs.
Daran sieht man auch, dass die Effekte wesentlich besser aussehen als noch vor vier Jahren. Hier und da hat es immer noch eine deutliche Videospieloptik, vor allem Darkseid fällt leider negativ auf. Aber ist ein Film gut, verzeiht man ihm gerne den einen oder anderen Kritikpunkt. Auch die Musik hätte gerne präsenter sein können. Mitunter liefert sie tolle Momente, größtenteils plätschert sie aber im Hintergrund vor sich hin. Wir wollen nicht lügen, eine der wenigen von uns geschätzten Momente 2017 war das Einbinden des bekannten Batman und Superman-Themes und wir finden es schade, dass Snyder nicht zumindest dies mit übernommen hat. Ein wenig meckern müssen wir eben doch.
Vier Stunden von einem Film, das muss erst einmal verarbeitet werden. Und das wird sicher auch noch einige Tage dauern. Wie bei neuen Musikstücken braucht man auch bei Filmen oft eine Zeit, um sich über seine endgültige Wertung im Klaren zu sein. Unsere Wertung ist also mehr eine Momentaufnahme kurz nach der Sichtung des Films. Und vor allem das Ende hinterlässt bei uns noch einige Fragezeichen, über die in den kommenden Tagen und Wochen sicher noch oft gesprochen werden wird.
Der Film endet anders als 2017, soviel können wir wohl sagen. Und nicht nur das, am Ende finden auch einige der Szenen statt, die Zack Snyder extra neu drehen ließ. Genau das wird für Kontroversen und Mutmaßungen sorgen. Möchte Zack Snyder die Fans damit quälen? Oder Druck auf das Studio aufbauen, um doch noch die Fortsetzung drehen zu dürfen? Oder deutet dieses Ende vielleicht sogar etwas an, was längst feststeht, aber noch geheim gehalten wird?
Zack Snyder’s Justice League hat uns wirklich überrascht. Er beweist, was alles möglich ist, wenn man einem Regisseur mit einer Vision vertraut. Und Zack Snyder hat hier wirklich einen großartigen und unterhaltsamen Film abgeliefert. So gut, dass es schade wäre, wenn dies wirklich das Ende bedeuten würde. Eine Fortsetzung scheint zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich. Aber hey, sagte man dies nicht auch mal über den Snyder Cut?