Bewertung: 2.5 / 5
"Braveheart" gilt als Filmklassiker, nicht nur unter den Historien-Epen sondern auch allgemein. Wie oft mir in dieser Hinsicht schon geraten wurde, mir dieses Epos endlich einmal anzusehen! Die meisten Kritiker und normalen Kinogänger mögen den Film, hier im Forum hört man nur Gutes darüber und auch meine Eltern lieben "Braveheart". Wie zur Bestätigung dessen erhielt der Film zehn Oscarnominierungen, von denen er fünf gewinnen konnte. Darunter neben den technischen Auszeichnungen für Kamera, Tonschnitt und Make-Up auch jene für Film und Regie. Die Zeichen für ein großartiges Stück Kino hätten also nicht besser stehen können, im Nachhinein machte sich bei mir aber die Erkenntnis breit: "Braveheart" ist ein zutiefst mittelmäßiger Film.
Wenn ich an andere Genre-Vertreter wie Der Herr der Ringe oder Gladiator denke, die sich durch epische Breite, Komplexität, emotionale Wucht und charakterliche Tiefe auszeichnen, wirkt "Braveheart" im Vergleich dazu geradu einfach und stümperhaft. Auch ein Werk wie Troja macht da einen bedeutend intelligenteren und komplexeren Eindruck. Eine epische Breite findet sich in Mel Gibsons Film zwar auch, aber mehr in Form der Laufzeit und weniger in Form des Inhalts.
Dies liegt vor allem daran, dass Gibson und Wallace die komplexen, realen Begebenheiten rundum William Wallace, Robert the Bruce und Edward Longshanks zu einer simplen Rache- und Freiheitsgeschichte eingekocht haben, in der die Schwarz-Weiß-Zeichung überwiegt. Während Gibson die Schotten als ehrwürdige und aufrechte Freiheitskämpfer glorifiziert, dämonisiert er die Engländer als grausame, hinterlistige Unterdrücker. Besonders ärgerlich wird es dann, wenn man bedenkt, dass auf der Schotten-Seite Brendan Gleeson, James Cosmo und Brian Cox mitspielen, diese dank Gibsons Schwarz-Weiß-Malerei aber keine Möglichkeiten haben, ihr Talent auszuspielen. Im Abspann hätte man sie leider genauso gut als "Romantisierter Schotten-Krieger Nr. X" bezeichnen können. Immerhin wurde Gleeson ein sehr emotionaler Moment gewährt, als sein Film-Vater (Cosmo) starb. Ansonsten verbleibt auch die weitere Charakterzeichnung größtenteils auf einem eindimensionalem Niveau. Zu nennen sind da z.B. der nervige, verrückte Ire, William Wallace Ehefrau, die englische Prinzessin (überfordert: Sophie Marceau) oder der böse Edward Longshanks (hervorragend: Patrick McGoohan). Robert the Bruce (toll: Angus Mcafadyen) kommt lange Zeit zwar auch nicht über sein machtbezogenes Hin-und-Her-Getue hinaus, macht jedoch gegen Ende als einer der wenigen glücklicherweise doch noch eine Entwicklung durch.
Mit seiner Selbstinszenierung als William Wallace setzt Gibson dem Ganzen schließlich die Krone auf, man könnte es durchaus auch als Selbstverliebheit bezeichnen. Aus dramaturgischen Gründen oder der Einfachheit halber stammt sein Wallace anstatt aus wohlhabenden aus bäuerlichen Verhältnissen, um ihn gemäß des Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Prinzips zum Heerführer aufzubauen. Eine durch und durch idealisierte Heldenfigur, die insbesondere gegen Ende zum Fremdschämen einläd, wenn Gibson Wallace als Jesus Christus glorifiziert und mit einem peinlichen "FREIHEIT!!" aus dem Film scheidet. Und als wenn das alles nicht schon schlimm genug wäre, scheitert Wallace Darstellung vor allem an einer Sache: Mel Gibson selbst. Schauspielerisch absolut fehlbesetzt, gelingt es ihm keineswegs, Wallace Charakter oder Motivation irgendwie greifbar zu machen. Nur Kämpfen und Schreien zu können, reicht definitiv nicht aus. Wobei eine Szene emotional tatsächlich sehr stark ausfiel: der Moment, als Wallace erfährt, dass er von Robert the Bruce verraten wurde und zusammenbricht.
Insgesamt hat "Braveheart" eine Laufzeit von 177 Minuten und wenn ein solcher Film aus meiner Sicht inhaltlich und charakterlich kaum etwas zu bieten hat, fällt eine Identifikation mit der Geschichte natürlich ziemlich schwer. Beispielhaft dafür hatte die Ermordung von William Wallace Ehefrau, welche den Stein des Freiheitskampfes ja erst ins Rollen bringt, für mich überhaupt keinen Nachhall. Gibson versucht zwar oft, die Eintönigkeit seiner Geschichte und seiner Charaktere durch Kitsch und Pathos zu übertünchen, die ganz großen Emotionen erzeugt er jedoch so gut wie nie. Abgesehen von den Schlachtszenen hat "Braveheart" daher ebenfalls mit einigen Längen zu kämpfen.
Apropos Schlachtszenen: Wenn Mel Gibson etwas kann, dann das! Ich liebe das Raue, das Dreckige, das Blutige, welches er in die Geschichte und insbesondere in die Kämpfe einfließen lässt. In diesen Szenen liegen die wahren Stärken des Films, wahrlich atmosphärisch! So wenig ich die Oscar-Auszeichungen für Film und Regie bzw. die Nominierung für das Drehbuch nachvollziehen kann, umso mehr sind sie für die technischen Aspekte gerechtfertigt. Die Kamera fängt die Landschaften und das Schlachtengetümmel sehr gut ein, James Horners Soundtrack wertet die fade Geschichte auf, Kulissen, Requisiten und Kostüme verleihen ihr ein mittelalterlich glaubhaftes Aussehen. Dass Kilts im 13. Jahrhundert noch nicht existierten, geschenkt; dafür sorgen sie für ordentlich schottischen Charme! Denn auch das ist "Braveheart": eine Art Werbefilm für Schottland und seine Highlands.
Auf der Pro-Seite stehen für mich nun die überragenden Kampfszenen, die Landschaftsaufnahmen, die raue und dreckige Atmosphäre, der Soundtrack, die technischen Finessen und der Cast in der zweiten Reihe. Auf der Contra-Seite stehen eine simple und flache Schwarz-Weiß-Geschichte, eindimensionale Charaktere, ein fehlbesetzer und sich selbst inszenierender Mel Gibson, zu viel Kitsch bzw. Pathos und zu wenig wahre Emotionen.
Insgesamt macht das 5/10 Punkten. Warum "Braveheart" vom Großteil der Filmliebhaber und Laien so sehr abgefeiert wird, erschließt sich mir nicht so recht.