Bewertung: 2 / 5
Uff. Die technische und filmhistorisch einflussreiche Meisterleistung in allen Ehren. Aber als antidemokratische und antisozialistische Lobeshymne, in die sich darüberhinaus diverse völkische Tendenzen einschleichen und die Gedanken an den Nationalsozialismus wach werden lässt, hat mich "Metropolis" erstmal fassungslos und ratlos zurückgelassen. Ich versuche hier mal, meine Gedanken zu ordnen.
Metropolis ist eine Stadt oder ein Stadtstaat, die/der wortwörtlich von einem kapitalistischer Diktatur regiert wird. Die gesamte Bevölkerung arbeitet für den Konzern, der Geschäftsführer ist gleichzeitig das alleinherrschende Oberhaupt der Stadt bzw. des Staates. Zwar wird der Industriekonzern zu Beginn als ein seine Arbeiter fressender Moloch dargestellt, im Verlauf des Films wird dies allerdings noch in ein anderes Licht gerückt und relativiert. Irgendwann geht die Arbeiterklasse auf die Barrikaden, sowohl angelehnt an die sozialistisch-bolschewistische als auch an die französisch-republikanische Revolution, der Kapitalstaat geht dadurch - sinnbildlich und wortwörtlich - nicht einfach nur unter, die Revolutionäre handeln hier darüberhinaus aus einem blinden, egoistischen Aktionismus heraus, der den Tod der Gesellschaft zur Folge hat. Die Revolutionäre haben nämlich ihre Kinder (also die Zukunft und der Lebenserhalt der Gesellschaft) auf der untersten Stadtebene vergessen, die massenweise krepiert wären, hätte sie nicht ausgerechnet der protagonistische Sohn des Alleinherrschers (dazu unten mehr) gerettet. Die Revolution frisst ihre Kinder, als Industriearbeiter werden sie zwar verwertet und ausgebeutet, sind im Vergleich dagegen aber immerhin am Leben und erfüllen einen systemstabilisierenden Zweck.
Die Filmmusik ist durchzogen von flüchtigen Anklängen an die Melodie des Deutschlandliedes, die Revolution der Arbeiter im Speziellen wird musikalisch von einer verkrüppelten, verzerrten Version der Melodie der Marseillaise untermalt, im historischen Kontext der deutsch-französischen Beziehungen nicht nur ein ärgerlicher Umstand, konkret wird dadurch eben auch das Bild einer kranken, nicht funktionsfähigen Revolution geschaffen. Generell erscheint die Revolution wie ein heidnisches Teufelswerk, das ausgetrieben werden muss, auch dazu unten mehr. Während die Arbeiter noch in Divisionen aufgeteilt und in Reih und Glied zur Arbeit marschierten, tanzen sie als Revolutionäre zu Kreisen formiert wild durch die Stadt, als sei das eine Sekte, die Revolutionsführerin ist eine manische, spastisch herumzuckende Irre. Zu allem Überfluss etabliert "Metropolis" auch noch einen jüdisch anmutenden Wissenschaftler, der eifer- und rachsüchtig die Revolution anzettelt, weil er und der Diktator dieselbe Frau liebten.
Dem gegenüber stehen dann zwei Heilsbringer. Zum einen eine friedliche Reformerin, angelegt als christliche Marienfigur, die von einer Aussöhnung des Kapitals (des Hirns) und des Proletariats (der Hände) predigt und auf den Messias, das verständigende Bindeglied (das Herz) zwischen Kapital und Proletariat, wartet. Der jüdisch anmutende Wissenschaftler kopierte das Aussehen der christlichen Reformerin auf einen Androiden und erschuf so die teuflische Revolutionsführerin, welche dann die Arbeiterklasse manipulierte und aufhetzte. Sobald sich die Arbeiter von der Revolution emanzipieren, lässt "Metropolis" die Arbeiter einen Scheiterhaufen errichten und die falsche Revolutionsführerin als Hexe verbrennen, als befände man wieder in vorindustriellen Zeit des Mittelalters beziehungsweise der frühen Neuzeit.
Der andere Heilsbringer ist der oben schon genannte Sohn des Diktators, der sich als das erlöserische Herz entpuppt und Herrscher/Kapital und Beherrschte/Arbeiter versöhnen soll. Dem Staatsvolk wird hier also von außen ein Volksvertreter zugewiesen, der zwar im Verlauf des Films seine soziale Ader entdeckt hat, der aber gleichzeitig der sogar blutsverwandten (erblichen) Herrscherklasse angehört. Bezeichnenderweise wird im Film die Geschichte des Turmbaus zu Babel umgeändert, hier verstehen die Arbeiter den Baumeister nicht und revoltieren, weshalb das Bauprojekt scheitert. "Metropolis" charakterisiert das Staatsvolk regelrecht als unmündig und unfähig, sich selbst zu regieren, der Film propagiert einen Staat, in dem die Macht vom Kapital und/oder von einem dauerhaft existenten Alleinherrscher ausgeht.
Zu gleichen Teilen lässt sich diese Versöhnung als Schulterschluss zwischen den eigentlich widerstreitenden Gesellschaftsschichten verstehen. Im Kontext der antidemokratischen und alleinherrschenden Ausrichtung, des Kampfes gegen den bolschewistischen Sozialismus, der antisemitischen und antifranzösischen Tendenzen sowie des Wiedererstarkens eines völkisch-traditionellen und mörderischen Fanatismus erscheint "Metropolis" wie ein filmischer Wegbereiter des Nationalsozialismus.