
Bewertung: 4 / 5
Der Killer ist ein extrem präziser, technisch und formal nahezu perfekt inszenierter Thriller, der zudem mit einem grandios-überragenden Michael fassebnder aufwarten kann, der zudem eine grandiose musikalische und sound-technisch überzeugende Begleitung hat. Insofern liefert der Film genau das, was er verspricht. Trotzdem ist es kein guter Film per se.
Die Story ist denkbar einfach: Ein extrem professioneller und routinierter Auftragsmörder vermasselt einen Job, gerät auf die Abschusslister seiner Auftragsgeber und dreht den Spiess um. Soweit so bekannt. Was Fincher aus dieser denkbar simplen Formel heraus holt - im Übrigen handelt es sich hierbei um eine Comicverfilmung - sieht spektakulär aus, ist spektakulär gespielt und ist auch denkbar fesselnd. Aber es ist nicht das, was der Film andeutet oder verspricht zu sein. Dafür fehlt ihm das, was die anderen Werke von Fincher in der Regel ausmachen: Der gewisse doppelte Boden, der Unterbau, der ihm irgendwann den Boden unter den Füssen wegzieht. Stattdessen ist der Film eine minutiöse Aneinanderreihung von Sequenzen, die teilweise repetitiv sind, aber so sauber inszeniert, ja fast klinisch, dass es trotzdem recht spannend ist, zuzuschauen, und zwar ohne Überaschungsmomente oder tatsächlichem Spannungsaufbau. Auch ist die Auflösung sehr typsich, ja fast konservativ gehalten und steht teilweise in seiner Einfachheit und dem Befolgen ausgetretener Pfade seinem eigenen Potential komplett im Weg.
Trailer zu Der Killer
Auch ist mir persönlich nicht klar, ob der Film eine De- oder REkonstruktion des Auftragskillergenres ist, denn für eine Dekonstruktion ist er nicht subversiv genug und für eine Rekonstruktion ist er tatsächlich zu sehr auf die kleinsten Details versessen, die er wie in einer elendlich langen Bucket List abarbeitet.
Nicht falsch verstehen, der Film ist in einer seltenen Perfektion inszeniert, sowas habe ich vieleicht als Zuschauer ein Dutzend Mal, wenn es hochkommt, gesehen. Aber er macht zu vieles falsch, als dass er vollends überzeugen könnte.
Und ab hier massives Spoiler-Terrain, ihr seid vorgewarnt! Auch wenn es wirklich nichts überraschendes gibt
1. Der Grundtenor des Films: Das Voice-Over. man kann Filmen ein Voice-Over geben, das hat entweder inhaltlich oder stlistische Gründe, und wenn es gut umgesetzt ist, darf dies tatsächlich sogar den Filmgenuss steigern. Da gibt es die Figur, die einem seine Gedanken mitteilt und uns dadurch weiter mitnimmt, da gibt es die Stimme, die quasi göttlich Ergänzungen zur Handlung bringt, da gibt es den nicht-verlässlichen Erzähler, wo das Gesehene nicht dem Erzählten entspricht. Im Grunde gibt es mehr Möglichkeit, aber das sind jetzt erstmal der Einfachheit halber die 3 Archetypen. Type 1 und 3 durchbrechen auch mal die 4. Wand, sprich sprechen mit dem Publikum, und macht dieses zu seinem Komplizen. Killer hat hier eine Symbiose von Type 1 und Type 3, macht uns aber weis, dass er lediglich Type 1 wäre, zumindest versucht er es. Das ist ja ein probates und oft genutztes Mittel beim unreliable Narrator. Und oft genutzt ist auch genau das Stichwort: Man kann wirklich die Uhr danach stellen, dass sobald der Typ anfängt von seinen perfekten Abläufen und wie professionell er ist in seinen Plänen, dass da was schief gehen wird. Und so oft wie da was schief geht, fragt man sich wirklich, wie dieser ach so professionelle Killer bisher nicht aufgeflogen ist. Denn im Grunde genommen, mit einem anderen Regisseur, hätte man daraus auch eine Jean Dujardin Slapstick Komödie über den unfähigsten Clouseuaesquen-Mörder der Filmgeschichte machen können. Das ist insofern ärgerlich, weil das wirklich schon nach dem 2. oder dritten mal repetitiv und vorhersehbar wird. Der Mörder braucht seine Gedanken nicht mal halb zu artikulieren und man weiss im Grunde gleich gehts schief, und siehe da...
Außerdem ist der Typ für einen schweigsamen Top-Killer einfach extrem geschwätzig in seiner Gedankenwelt und lässt uns an allem teilhaben, was ihm durch den Kopf geht, und diese ach so abgeklärten/ abgefuckten Binsenweisheiten sind irgendwann ziemlich nervig und trotz aller vermeintlicher Pseudo-Nihilistischer Tiefe banale Pseudoweisheiten. das hat der französische Film Die Killer von Kassovitz etwa vor 25 Jahren deutlich prägnanter, treffender und tatsächlich auch virtuoser hinbekommen. und damit sind wir auch schon beim 2. Problem:
2. Der Film kommt einfach zu spät in Finchers Vita. man merkt ihm deutlich an, dass er etwa zur Zeit von Fight Club, vielleicht ein Tick später, hätte gedreht werden sollen und dass er die Finanzierung nicht gestemmt bekommen hat. Ja klar, er hat ein paar inhaltliche Anpassungen an die Jetzt-Zeit vorgenommen, aber im Grunde ist dasselbe Skript von damals, man hat vermutlich altersbedingt Pitt durch Fassbender ausgetaucht, und fertig ist der eigentlich aus der Zeit gefallenene, soll positiv gemeint sein, Film. Aber leider ist es in Film, der in seiner Zeitebene gefangen geblieben ist: Das ist Fincher von vor Jahren, mittlerweile hat er sich eigentlich weiter entwickelt, hat dem genre mit Zodiac und den Mindhunters, ja sogar Gone Girl, neue und spannende Facetten hinzugefügt und ist der Grundlage des Skriptes entwachsen, aber will es nicht wahrhaben und verfilmt es so, wie er es vermutlich damals auch getan hätte, so geradlinig wie er es höchstens noch mit dem Panic Room tat. Und das merkt man. Nicht falsch verstehen, das gibt dem Film eine Zeitlosigkeit und das Gefühl eines Instant Classic, und der Film wird ganz sicher über die Zeit seine Fans haben und das irgendwie auch zu Recht, aber been there done that ist keine innovative Story. Und damit sind wir bei Problem 3 (ACHTUNG GANZ FETTER SPOILER FÜR DIE AUFLÖSUNG!):
3. Die Story: Bereits recht früh lässt uns der Killer an seinen Gedanken teilhaben, dass er das Nahkampftöten irgendwie vermisst und dass es durch diese Sicherheit, die er ja perfektioniert hat, schon langweilig geworden ist. und der Film macht auch keinen hehl daraus, dass er nicht irgendwie moralinverseucht daher kommen will, insofern ist auch klar, dass der Killer davon kommen wird. Es gibt da diesen einen Moment im Film, kurz bevor der Auftrag schief geht, wo er inne hält und sich fokussiert, um seinen Puls runter zu bringen.. Gleich dazu mehr...
Am Ende steht er dem Auftraggeber gegenüber, nachdem er sich durch den Film gemetzelt hat, auch unschuldige Leute hat er nicht verschont, und lässt ausgerechnet diesen Typen am Leben, mit der Warnung, dass er jederzeit an ihn rankommen kann, wenn er will. Typische Killer-Film-Trope, zigmal gesehen, und nie auch nur nachvollziehbar, hat wohl was mit Ehre unter Mördern, machtspiele etc. zu tun, aber es passt mal so gar nicht zu einem professionellen Killer, der keine Fehler macht. Den am Leben zu lassen, ist der einfachste Weg für den Erzähler/regisseur, da dieser Pfad unzählige Male beschritten wurde, erfolgreich beschritten wurde. Und hier kommt wieder die Frage auf: Dekonstruktion? Nope. Die logischste geradlinige Auflösung wäre gewesen, dass er auch jenen tötet und dann einfach weg ist. Der Film kann dann auch einfach abrupt enden und cool ist...
Eine andere Auflösung hätte sein könne, dass dies alles nur ein Tagtraum war, während sein Puls vor dem vermasselten Auftrag langsam runter geht, er sich über all die Unprofessionalitäten dort amüsiert und dann absolut professionell doch sein Ziel trifft, und damit auch Ende. So ein Ende ist auch nicht super originell, hätte sich aber durchaus angeboten, und hätte die ganzen vielen Fehler, die er im verlauf des Films gemacht hat, einfach mal in ein anderes Licht getaucht: Solche Fehler mache ich nicht wirklich ;-)
Und dies hätte auch die geradlinigekit des Films komplett unterlaufen.
Hätte mir der Film dann besser gefallen? Wer weiß das schon. Wäre es ein besserer Film geworden? Das auf jeden Fall. Denn die letzte nun im Film vorliegende Szene ist wieder ein innerer Monolog, der banaler nicht sein kann, gefolgt von einer Mimik, die das ganze zwar ein bicßhen unterwandert aber eben nicht organisch.
Fazit:
Alles in allem ist Der Killer ein formal perfekt gemachter Film. Er atmet ein bißchen die Größe eines Eiskalten Engels von Melville. Aber er ist kein wirklich überzeugender Film, er kommt tatsächlich zu spät - zumindest in Finchers Vita. und es gibt deutlich ambitioniertere und bessere Werke zum genre, als dass das hier als Definitiv durchgehen könnte - einen Namen nannte ich ja sogar weiter oben aus unserem Nachbarland!
Dennoch bockstarke 8 Punkte undeigentlich definitiv was für im Kino geniessen. Damit hat netflix also tatsächlich mal was grutes geschaffen.
Trotzdem: Meiner meinung nach sollte Fincher tatsächlich ein bißchen weiter ziehen und endlich seine Mindhunter Serie wieder aufleben lassen und beenden.
Ach ja: Der Humor ist tatsächlich ziemlich gut versteckt, aber es gibt ihn, und manchmal ist er ziemlich gut. Aber der eine Witz, der ist wirklich ein extrem alter Hut.
