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Titane

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Gender Gore durch die Linse von Cronenberg

Titane Kritik

Titane Kritik
18 Kommentare - 23.10.2021 von MB80
In dieser Userkritik verrät euch MB80, wie gut "Titane" ist.
Titane

Die junge Alexia (Agathe Rousselle, die Neuentdeckung 2021) führt ein Leben eher am sozialen Rand als in der Mitte: als Kind bei einem Autounfall schwer verletzt, läuft sie seither mit der titelgebenden Titanplatte im und einer deutlichen Narbe am Kopf herum. Innerlich scheinbar mit Fremdgewebe, äußerlich gezeichnet, das ist jetzt nicht zu abstrakt und da weiß man schon wohin die Reise gehen könnte. Das Verhältnis besonders zum Vater ist zerrüttet, und dort wo sie sich ihre Brötchen verdient ist es auch nicht leicht, Beziehungen aufzubauen die man als gesellschaftlich „normal“ bezeichnen würde: sie arbeitet nämlich als Erotik-Tänzerin auf Auto-Messen und hat dort ein besseres Verhältnis zu den Maschinen aufgebaut als zu den eher zudringlichen männlichen Fans. Werden die letztgenannten dann doch zu nervig, hilft die Haarnadel, dafür hat Alexia in einer vollblütigen „Cronenbergian Horror“ Szene Sex mit einem Ausstellungsmodel (wer kann diesen Scheinwerfern und diesem sinnlichen Motorbrummen schon widerstehen…). Und wer jetzt schon ein flaues Gefühl im Magen hat, das war erst Akt Uno, ab jetzt eskaliert das Ganze.

Titane ist eine wilde Collage an Themen und Bildern, bekam am Anfang kontroverse Kritiken und dann die Goldene Palme in Cannes. Vergleiche zu Crash von David Cronenberg wurden schnell gezogen, und sie zwingen sich auch förmlich auf. Willkommen im neuen Sub-Genre des „Gender-Gores“, einer Wortschöpfung des Spiegels.

Trailer zu Titane

So, „whats all the fuzz about”? Der Film trägt seine Themen eigentlich sehr offen auf der (eingewickelten) Brust, was einen über die diversen Kritiken die danach fragen, worum es hier denn eigentlich gehen soll, wundern lässt. Primär ein waschechter Body-Horror Streifen adaptiert er das Thema aus dem genannten Crash, Transformation oder Weiterentwicklung des menschlichen Körpers durch Technologie. Zum anderen greift der Film, ebenfalls eher offensichtlich, das aktuelle Thema von Gendern und Identifikation auf, fährt (hehe…) hier aber ganz geschickt auf mehreren Schienen. So trifft Alexia, die sich körperlich nicht ganz klar einordnen will und in einem Zustand der Transformation ist, später auf Vincent (Vincent Lindon), der emotional zwar eher traditionell ausgerichtet ist, aber (und das ist wichtig) für sein emotionales Seelenheil seine Toleranzgrenzen erweitert. Ohne Zuviel zu verraten, aber alle Themen laufen am Ende zusammen, ob es einem so gefällt oder nicht.

Dass sich der Film hier klar auf der progressiven Seite verordnet wird nicht nur in der Schlüsselszene am Ende klar. Subtilität ist nicht seine Stärke, und so kreidet er vorher auch in einigen Szenen ganz klar aggressive Zurschaustellung von Männlichkeit an (nicht zuletzt in der Figur des Vincent, der seinen ganz persönlichen „Body Horror“ durchmacht bzw. verhindern will). Würde man allerdings ganz moralisch herangehen müsste an auch mal diskutieren, ob Alexia hier in ihre Morde gedrängt wird, oder schon von Anfang an als Soziopathien geschrieben ist, was ihre scheinbare Position als abstrakte Gender-Ikone natürlich unterminiert. Dann wiederum ist das auch eine Stärke des Filmes, den Horror auf wirklich allen Ebenen zu spielen, sowohl für Alexia (entdeckt zu werden, die eigene Orientierungslosigkeit, körperliche Veränderung) als auch für alle drum herum (das, in dem Film durchaus reale, Gefühl des bedroht seins, die Angewidertheit im Angesicht etwas, was nicht in den eigenen Code passt). Der Film macht das Ganze tatsächlich audio-visuell und durchaus pointiert spürbar, und überrascht dabei immer wieder: Chuzpe!

Titane ist ohne Zweifel einer der interessanteren Filme jüngerer Zeit, aber ich finde immer noch Ducournau’s Erstling Raw eine Ecke besser. Dieser hier ist visuell mit Sicherheit Atemberaubend, fantastisch geschauspielert, fordernd und als Projektionsfläche ambivalenter, aber Raw scheint mir doch der fokussiertere Film zu sein. Zumindest intuitiv verbinden sich die Szenen nicht direkt, was aber auch Teil des Planes sein kann: was wir nicht als gesellschaftlich „Norm“ begreifen, macht vielleicht auf den ersten Blick keinen Sinn. Form und Message des Filmes werden eine Einheit, da habe ich schon schlimmeres auf der Leinwand gesehen.

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18 Kommentare
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MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
23.10.2021 18:52 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.412 | Reviews: 180 | Hüte: 635

Ich merke mir den Film jetzt einfach mal vor. "Raw" empfand ich trotz der Vorschusslorbeeren dann leider als sehr brav und albern, aber die Reviews zu "Titane" wie deines hier lesen sich einfach zu gut. Oder das hier, laut dem die erste Filmhälfte an Cronenberg und die zweite Filmhälfte an Lars von Trier erinnert.

https://www.moviepilot.de/movies/titane/kritik/2531873

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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TiiN : : Goldkerlchen 2019
23.10.2021 16:14 Uhr
0
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 9.072 | Reviews: 173 | Hüte: 609

@MB80
Freut mich, dass du dir den Film nun schauen konntest, ich kam leider noch nicht dazu.
Was du schreibst liest sich durchaus gut und stimmungsvoll. Trotzdem wolltest du dich nicht zu einer Punktevergabe hinreißen lassen? Was würde Raw von dir bekommen?

Deine Kritik liest sich jedenfalls gänzlich anders als die von MJ, was untermauert, dass Titane kein Film für jedermann/jederfrau ist.


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MB80 : : Black Lodge Su
23.10.2021 15:40 Uhr
3
Dabei seit: 01.06.18 | Posts: 2.919 | Reviews: 44 | Hüte: 261

Nachdem ich es gestern Abend dann doch noch spontan geschafft habe ins Kino zu gehen musste ich dann wohl auch noch was schreiben. Eher eine meiner ungeordneteren Kritiken (hoffe ich), einige Gedanken konnte ich noch nicht ganz formulieren. Vielleicht eher ein Diskussionsauftakt als finales Votum...

"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."

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