Bewertung: 1.5 / 5
Mit der Verfilmung des ersten Bandes der Trilogie [i]His dark Materials[/i] von Philip Pullman hoffte man auf einen ähnlichen Erfolg wie bei der Harry Potter Reihe oder Herr der Ringe. Man nahm sich ein Budget von 180 Millionen US-Dollar und ein paar namenhafte Schauspieler und hoffte auf den ganz großen Erfolg. Diesen erreichte man weder an den amerikanischen Kassen noch bei der Meinung vieler Buchkenner. Obwohl das Gesamteinspielergebnis (mit den internationalen Ergebnissen) bei ca. 314 Mio. $ liegt, steht eine Fortsetzung wohl in den Sternen und das ist auch gut so. In einer Welt, ähnlich der unseren, führen die Menschen Dᴂmonen mit sich, welche bis zur Pubertät in wechselnden Tiergestalten auftreten und die ständigen Begleiter ihres zugehörigen Menschen sind. Der Dᴂmon ist seine nach außen sichtbare Seele und ohne sie verlieren die Menschen jeden Willen und jedes Interesse am Leben. In dieser Welt wächst die zwölfjährige Lyra (Dakota Blue Richards) als Weise an dem renommierten Oxford College auf. Ihr Alltag zwischen den Kämpfen mit anderen Kindern aus der Stadt und unregelmäßigem Unterricht durch die Professoren gerät aus den Fugen, als sie sich eines Tages im Ruhezimmer versteckt und dort etwas über Staub hört; nicht den normalen Hausstaub, sondern Elementarteilchen, die auch von ihrem Onkel Lord Asriel (Daniel Craig) erforscht werden. Das große Geheimnis um Staub gerät in Vergessenheit, als Lyra aufbricht, um als Assistentin der eleganten Mrs. Coulter (Nicole Kidman) zu helfen und sie später herausfindet, dass ihre Gönnerin der Kopf einer Organisation ist, die Kinder entführt. Nach einer aufreibenden Flucht aus dem Haus von Mrs. Coulter, begibt sie sich mit einiger Unterstützung auf den Weg in den Norden, um die entführten Kinder zu retten. Dabei erfährt sie auch, um was es sich bei dem geheimnisvollen und seltsamen goldenen Kompass handelt, der ihr vor ihrer Abreise vom College gegeben worden war. Es ist ein Alethiometer, ein Wahrheitsmesser und Lyra kann ihn erstaunlicherweise lesen. Der Film krankt an einem Hauptproblem. Das Buch mag zwar zumeist aus der Sicht eines Kindes geschrieben sein, aber es spricht gleichzeitig gesellschafts- und insbesondere religionskritische Themen an. Regisseur und Drehbuchautor Chris Weitz entschied sich für eine kinderfreundliche Adaption und herauskam ein Kinderfilm, der nicht mehr die Atmosphäre des Buches einfängt, geschweige denn dieselben gesellschaftskritischen Töne anschlägt. Der große Gegenspieler, die Kirche, wird in den Szenen derart stilisiert und klischeehaft dargestellt, dass sie so gut wie keine Gemeinsamkeiten mit der realen Institution Kirche aufweist. Das Wort Kirche wird noch nicht einmal erwähnt, es wird immer nur vom Magisterium gesprochen. Der Autor Philip Pullmann grenzte seine Reihe bewusst religionskritisch von der populären Buchreihe [i]Narnia[/i] ab. Man entschied sich gegen eine ernstere, kritischere Darstellung, da eine solche zu Protesten in streng religiösen Gebieten führen würde. Wie sich Berichten aus der Zeit der Film-Premieren entnehmen ließen, wurde bereits die abgeschwächte und geminderte Version angeprangert. Doch diese geminderte Darstellung entspricht nicht mehr wirklich der Idee des Buches. Der Film wurde zudem als großes Kino voller Effekte beworben. Dies entspricht der Wahrheit, doch unterstützen die Effekte nicht den Film, sondern schaden viel mehr der Atmosphäre und wurden oft zu reinem Selbstzweck eingesetzt. Dazu gehören vor allem die Szenen, in welchen Lyra und Mrs. Coulter sich auf dem Weg nach London befinden. Sowohl der modern gestaltete Zeppelin als auch die futuristische Kutsche wirken fürchterlich künstlich. Die Front des Zeppelins und die Kutschen strahlen und glänzen so stark, dass man sich unweigerlich fragen muss, ob diese Fortbewegungsmittel zum Ersten Mal seit ihrer Herstellung benutzt werden oder ob man sich nicht in einer Parallelwelt, sondern in einer Zukunftsvision unserer Welt befindet. Durch diese Darstellung soll wohl die Fremdartigkeit und Lyras Faszination für die neue Umgebung verdeutlicht werden. Doch das hätte sich auch anderweitig bewerkstelligen lassen, ohne die Welt allzu künstlich und fast steril erscheinen zu lassen. Diese Künstlichkeit zerstört jede Verbindung, die der Zuschauer zu dieser fremden Welt aufbauen könnte. Das wird auch dadurch verstärkt, dass es in Lyras Welt nur angenehme Wetterlagen zu geben scheint. Es scheint immer die Sonne und im hohen Norden sieht man gefühlt keine Wolke und nicht eine einzige Schneeflocke. Auch die hohen Minusgrade inmitten von Schnee und Eis werden ausgeblendet und teilweise schlicht ignoriert. Dieser Kritikpunkt bezieht sich allerdings nicht auf die Hexen mit ihren Seidenkleidern, welchen die Kälte nichts anhaben kann. Zu den wenigen positiven Gesichtspunkten zählen dagegen die Eisbären, die in ihrer Darstellung nicht albern, sondern bedrohlich und mächtig wirken. Jedoch können sie nicht den gesamten Film tragen. Der Versuch, einen zweiten Herr der Ringe zu schaffen, zeigt sich auch in den obligatorischen Großaufnahmen von schneebedeckten Bergen im Norden und durch ein Trompeten lastiges Thema des Komponisten Alexandre Desplat. Sein Score bleibt zu einem Großteil erstaunlich nichtssagend, keine Melodie bleibt wirklich hängen. Zeigt die Einleitung noch ein paar gute Ideen, verblasst der Rest zu einer unbedeutenden Hintergrundmusik. Film und Buch sind zwei verschiedene Medien und jede Adaption bringt ihre Schwierigkeiten mit sich. Daher ist es für mich vollkommen nachvollziehbar, wenn bestimmte Personen gestrichen werden und ihre Handlungen anderen zufallen. Auch eine generelle Straffung der Handlung ist sinnvoll und oft nötig. Doch die Vereinfachung von Charakteren, wohlgemerkt Hauptcharakteren und die Änderung der Chronologie der Handlung ohne erforderlichen und insbesondere gerechtfertigten Grund, kann und will ich nicht gutheißen. Besonders ärgerlich wird es, wenn durch die Änderungen Logiklücken auftauchen. Ohne die Nicht-Buchleser oder Nicht-Filmkenner unfreiwillig zu spoilern, möchte ich ein Beispiel für die Vereinfachung der Charaktere geben. Für alle anderen gehe ich weiter unten in dem Abschnitt [b]Storyänderungen[/b] genauer auf diese ein. Neben der Reduzierung des Magisteriums auf einfache Bösewichte, wird auch die Protagonistin oft zu einem kleinen Mädchen, das gerne die Heldin spielt, degradiert. Ich sage degradiert, weil im Film keine Wandlung zu erkennen ist. Im Buch bleibt Lyra ein kleines Mädchen und doch erfährt sie durch die verschiedenen Ereignisse eine Wandlung und ist mutiger, klüger und listiger als Erwachsene. Dabei ist sie kein Wunderkind, sondern benutzt einfach ihre angeborene Fähigkeit, komplexe Geschichten zu erfinden und ihre natürliche Begabung überzeugend zu lügen. Darüber hinaus ist sie sehr pragmatisch, was im Film nicht deutlich wird, z. B. als sie mit einer Kinderschar einer Reihe bis zu den Zähnen bewaffneter Tartaren gegenüber steht. Während Lyra im Buch auf die Idee kommt, den Tartaren Schneebälle zwischen die Augen zu werfen, stellt sie sich im Film den Tartaren nur trotzig gegenüber. Diese lächerliche Gegenüberstellung kann ohne fremde Hilfe nur zu Lyras Nachteil ausgehen. Das ist zugleich ein Beispiel dafür, wie ein gelungener Spannungsaufbau geschickt vermieden werden kann. Jüngere Kinder werden sicherlich überrascht, aber Erwachsene können die nachfolgenden Szenen nicht beeindrucken. Die Schauspieler müssen nicht genau ihren Pendants im Buch entsprechen, doch muss für mich die Ausstrahlung und die Idee hinter der Figur stimmen. In diesem Punkt macht der Film nun endlich einiges richtig. Mit der Besetzung von Nicole Kidmann als Marisa Coulter und Daniel Craig als Lord Asriel versucht man sich von dem reinen Kinderfilm zu entfernen und mit Starpower zu punkten. Lord Asriel wird im Buch als herrischer, energievoller und charismatischer Forscher beschrieben, der mit seiner Ausstrahlung einen ganzen Raum bestimmen kann. Dies gelingt Daniel Craig absolut und gerade seine kantige Seite passt besonders. Allerdings bekommt er noch eine zusätzliche Actionszene, die nicht im Buch vorkommt. Diese passt zunächst nicht sonderlich gut zu dem Charakter und lässt die kritische Frage aufkommen, ob die Macher Craig nur die Möglichkeit geben wollten, seine Rolle als James Bond zu perfektionieren. Daneben glänzt Nicole Kidman als intrigante und schmeichelnde Beauftragte des Magisteriums. Ihre Nettigkeit und Eleganz täuschen geschickt über ihre wahren Beweggründe hinweg. Dakota Blue Richards als Lyra ist ein trotziges, wildes Mädchen mit einer großen Klappe. Damit entspricht sie zwar der Beschreibung im Buch, aber für mich muss die Hauptfigur eine Beziehung zum Zuschauer aufbauen, eine gewisse Sympathie erzeugen können, so dass man mit ihr leidet. Das ist bei mir einfach nicht der Fall gewesen, denn wo Lyra im Buch mit ihren Herausforderungen wächst, habe ich im Film das Gefühl, die ganze Zeit ein quengeliges Mädchen zu sehen. Nicht umsonst werden häufig ältere Schauspieler genommen, die mit ihrem Alter, die Rollen besser ausfüllen können oder eben besser Sympathiepunkte ergattern können. Aber das ist ein subjektiver Kritikpunkt, den jeder letztendlich für sich selbst bewerten muss. [b]Storyänderungen[/b] [i][b](Achtung Spoiler!)[/b][/i] Die wohl größte Änderung, die auch am meisten aufstößt, ist der Tausch des Kampfes in Bolvangar mit dem Zweikampf der Eisbären. Lyra wird von den Samojeden nach dem Überfall auf die Gypter zu den Eisbären nach Svalbard gebracht. Da Bolvangar im Buch auch auf der Insel Svalbard ist, stellt dies zunächst kein Problem dar. Doch wird sie mit den Worten „Sie könnte nützlich sein“ bei den Eisbären abgeliefert. Da stellt sich die Frage, wofür nützlich sein?! Die Samojeden haben mit den Panserbjørne nichts am Hut und bekommen auch kein Geld von den Eisbären, wie sie es im Buch von den Verantwortlichen in Bolvangar bekommen haben. Diese Änderung ergibt keinen Sinn. Der Vogel wird aber meines Erachtens mit der Unterschlagung des Endes abgeschossen. Der Film endet mit einem wunderbar nichts aussagenden Cliffhanger, als Lyra sich mit Scoresby, Roger und Iorek auf dem Weg zu Lord Asriel befindet. Das ganze dramatische Ende mit dem Tod Rogers und der Erschaffung der Brücke in die andere Welt wird einfach weggelassen. Der Grund? Womöglich wollte man dem Zuschauer nicht Rogers Tod zumuten und wollte mit einem fröhlicheren offenen Ende auskommen. Auch das Buch hat ein offenes Ende, wenn Lyra über die Brücke in die andere Welt geht. Doch hat man einen besseren Abschluss, denn der Handlungsabschnitt in Lyras Welt und auch die Geschichte mit der General-Oblations-Behörde ist damit beendet. Das jetzige Ende des Films ist angesichts der Tatsache, dass die Geschichte in der Form wohl nie weitergeführt wird, umso ärgerlicher. [b]Fazit[/b] Dieser Film ist mein persönliches Negativ-Beispiel einer Buchverfilmung. Ich kann nur darauf hoffen, dass man sich in ein paar Jahren an ein Reboot traut. Vielleicht kann der Film dann die Atmosphäre des Buches richtig wiedergeben, denn Chris Weitz Interpretation schafft dies nicht einmal ansatzweise. Ich habe versucht, positive Punkte zu finden, nur überwiegen für mich dann letztendlich immer die negativen. Der Film wirkt eigenartig leer und ohne die thematischen Schwerpunkte bleibt es nur ein anspruchsloser Kinderfilm. Für einen Familienabend mit seichter Unterhaltung ist der Film vielleicht geeignet, doch da gibt es weitaus bessere Vertreter dieses Genres. Man kann von der Buchvorlage abweichen, doch dann sollte der Film für sich alleine stehen und gut unterhalten können. Diesen Anspruch erfüllte der goldene Kompass meiner Meinung nach nicht. Daher gibt es von mir nur enttäuschte 3 von 10 Punkten/ oder 1,5 von 5 Hüten.
Der Goldene Kompass Bewertung
