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Die Jagd

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Das Fest ist zu Ende, es beginnt die Jagd

Die Jagd Kritik

Die Jagd Kritik
24 Kommentare - 09.11.2018 von MobyDick
In dieser Userkritik verrät euch MobyDick, wie gut "Die Jagd" ist.

Bewertung: 4 / 5

Achtung: Das ist eher ein Vergleich der beiden Vinterberg Filme "Das Fest" und "Die Jagd" als eine astreine Besprechung des Filmes die Jagd. Dazu muss ich sagen, dass es etwas her ist, dass ich beide Filme mal gesehen habe, das Fest nun schon locker mal 15 Jahre, dennoch versuche ich es. Sollten sich hier Fehler einschleichen, gerne im Kommentar-Feld anmerken :-)

Als Vinterberg damls mit "Das Fest" Dogma salonfähig machte, erzählte er gleichzeitig eine Geschichte über sexuellen Kindesmißbrauch an sich und der Gesellschaft, wie sie damit umgeht. Das war eindringlich, teilweise schwer zu ertragen, teilweise sehr platt, aber immer mitreissend, da man mitten im Geschehen drin war - und das mit minimalsten Mitteln.

Die Jagd ist nun sein nächster Film zum gleichen Thema, oberflächlich mit den gleichen Schwerpunkten, nur halt diesmal aus der Sicht des gesetzten Filmemachers, der inszenatorisch keine Sperenzchen mehr machen muss: Eine Geschichte über einen vermeintlichen Kindesmißbrauch und der Umganges der Gesellschaft damit.

Nur könnte es inhaltlich auf den ersten Blick gar nicht unterschiedlicher sein in der Geschichte und der Erzählung an sich. Doch ist Die Jagd tatsächlich eine späte Abkehr vom Fest?

Das Fest erzählt die Geschichte des runden Geburtstages des Patriarchen einer wohlsituierten Familie, welches pompös gefeiert werden soll. Die entfremdeden Kinder treffen ein, und später erzählt ein Sohn vor allen Gästen freimütig, wie er und seine mittlerweile verstorbene Schwester immer wieder als Kinder vom Vater mißbraucht wurden. Er wird ignoriert, das Fest (d.h. alle Gäste) wird unvermindert fortgeführt. Der Sohn wiederholt die Anschuldigungen vehement und wird immer stärker vom eigenen Bruder angegriffen, die Fest-Gesellschaft feiert einfach weiter und ignoeriert den Störenfried.

Die Jagd handelt von einem ehemaligen Gymnasiallehrer, der mittlerweile notgedrungen in einem verschlafenen Nest als Kindergärtner arbeiten muss. Er wird irgendwann fälschlicherweise von einem Mädchen beschuldigt, sie angegangen zu haben, daraus entspinnt sich dann eine Hexenjagd sondergleichen.

Die Unterschiede liegen auf der Hand: Auf der einen Seite findet der Geschädigte kein Gehör, auf der anderen Seite eskaliert aus einer naiven Aussage eines kleinen Mädchens eine Lawine der Empörung, die tief hinter die beschauliche Kulisse einer Dorfgemeinschaft blicken läßt.

So wirkt es auf den ersten Blick, als hätte Winterberg nach Jahrzehnten eine Art Anti-These zum Fest verfasst, da das Fest sehr plakativ war. Die Jagd soll nun leiser, subtiler daher kommen und die Fehler des erstgenannten konter karieren. Doch das ist nur die halbe Miete.

Im Grunde genommen ist die Jagd nämlich eine logische Fortführung des Festes mit den Mitteln eines reiferen Regisseurs, der seine Ansichten eben nicht geändert hat, sondern mittlerweile die reiferen Fragen stellt: Ging es beim Fest darum, dass die Menschen wie Lemminge sind, und aus Bequemlichkeit die Augen verschliessen, geht es jetzt darum, diese Fehler nicht mehr zu begehen, und den Kindern zuzuhören, dabei aber vor lauter Aktionismus nicht wirklich zuzuhören sondern den eigenen inneren Dämonen nachzugeben. Dabei ist das Fest neben der Mißbrauchsgeschichte gleichzeitig auch eine Geschichte über Faschismus und falschen Götzenanbetungen. Die Jagd hingegen ist naturalistischer und eher eine Sozialstudie über Existenzen am Rande und wie dann sich ein Mob organisieren kann. Auch hier also eine Allegorie auf den faschismus, nur subtiler und differenzierter. Ähnlich zur Novelle Andorra wird der Protagonist in eine Rolle gedrängt, aus der er sich aber - im gegensatz zur Novelle - stoisch mit eigener Kraft irgendwie zu retten vermag - oder etwa doch nicht?

Die Jagd macht auch nicht den Fehler, zu moralisch zu sein oder irgendwen als astreinen Bösewicht auszumachen, dazu ist der Film einfach zu reif, das ist die gesichtslose Menge, die sich schon ein Urteil gebildet hat. Selbst das Mädchen wird zwar als kleiner Lolita-Verschnitt präsentiert, aber nie als böse dargestellt, sie gerät in dieser Erwachsenenwelt zwar auch irgendwie zwischen die Fronten, aber zum Glück - und das muss ganz klar gesagt werden - nie zwischen die Mühlen.

Und wo man beim Fest fassungslos einfach weiter schaute bis zum bitteren Ende erwischt man sich bei der Jagd immer wieder bei Gedanken wie "Was hättest du getan?"

Und die Antwort fällt sehr erschreckend aus: "Zum Schutze deines Kindes bist du einfach bereit ihm zu glauben und ein fremdes Leben zu zerstören, als den Fehler zu begehen, deinem Kind nicht zu glauben, und sich dann Jahre später heraus stellt, dass da doch was war!"

Wie schon angedeutet bilden beide Filme aber eine Einheit und Die Jagd macht auch in erster Linie da weiter, wo das fest aufhörte. So ist immer noch ein sozialer Kommentar aus beiden Filme ableitbar: Der Patriarch im Fest ist unantastbar, weil stinkreich und noch voll im Saft, es scheint gewisse Abhängigkeiten zu geben, so dass die Leute (inkl. dem Bruder des Protagonisten) einfach mal alle Anschuldigungen überhören. Der Fall des Monsters resultiert letztendlich aus Innen heraus, als die Hunde des Faschismus ihre eigenen Herren fressen. Der Kindergärtner in der Jagd ist ein Eigenbrötler, von dem niemand abhängig ist, selbst sein Sohn lebt bei der Ex-Frau, und der am rande des Existenzminimum lebt. Da ist es ein Einfaches, diesen Nichtsnutz zu opfern. Im Grunde genommen ist beides eine Einheit.

Das Fest ist ein Schalg in die Magengrube in innovativer Verpackung: 8 Punkte

Die Jagd ist eine kontemplative Weiterführung derselben Themen, oberflächlich eine Antithese, aber im Grunde genommen das Pferd nur von hinten aufgezäumt: 8 Punkte

Und beiden Filmen ist gemein: Zuhören, aber richtig... und Konsequenzen, aber die richtigen

Die Jagd Bewertung
Bewertung des Films
810

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24 Kommentare
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MobyDick : : Moviejones-Fan
12.11.2018 16:58 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Yup, Drive ist auch ziemlich cool, erinnert mich sehr stark an Thief mit James Caan, wobei Refn immer noch sein Ding durchzieht und auch konsequenter ist, aber danach - ?

Dünyayi Kurtaran Adam
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Silencio : : Moviejones-Fan
12.11.2018 16:28 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

luhp:

Man kann ja nicht alles gesehen haben. Man kann es nur versuchen. ;)

Abgesehen davon ist "Klassiker" für "Das Fest" wohl ein bisschen hochgegriffen, oder? laughing

Moby:

Uff, also "Drive" mochte ich noch sehr gerne, "Only God Forgives" halte ich dafür für kinematischen Auswurf. Es stimmt aber schon, dass sich Refns Filme beim Wechsel von Mikkelsen zu Gosling arg geändert haben. Aber der scheint auch irgendwie mit seinen letzten beiden Filmen (wobei "Neon Demon" zumindest für ein ganz tolles Musikvideo für den Soundtrack von CliffMartinez halte - nicht mehr, nicht weniger) den Touch verloren zu haben.

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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MobyDick : : Moviejones-Fan
12.11.2018 16:07 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

luhp:

Erstmal danke für den Hut. Sehr gut möglich, dass das Fest besser als in meiner Erinnerung ist, vor allem da er ja schon inhaltlich ganz klar offensichtliche und hidden messages parat hat. Aber bei aller Qualität hat es mich nie gereizt, den Film ein zweites Mal zu schauen. Und auch das (Wiederholtes Schauen) ist für mich immer auch ein Zeichen für eine gewisse Qualität. Die Jagd hingegen könnte ich durchaus noch ein weiteres Mal schauen.

Aber wie du schon sagtest, es ist glaube ich Geschmackssache, was einem besser gefällt, und auch abhängig davon, wo man sich gerade selbst befindet.

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
12.11.2018 15:05 Uhr | Editiert am 12.11.2018 - 15:15 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.397 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@MobyDick
Ein schöner und in großen Teilen treffender Vergleich, allerdings würde ich nicht sagen, dass Vinterberg in "Das Fest" plakativ und unreifer als in "Die Jagd" vorging. Er wusste meiner Meinung nach schon genau, was er tat (die Dogma-Einschränkungen sind hier Gold wert), und ihm gelingt da eine vielschichtige, komplexe Gesellschaftsstudie mit einem ordentlichen Schlag in die Magengrube.

"Die Jagd" ist aber natürlich ebenfalls ein hervorragender Film, nur hat mir "Das Fest" in Sachen Spannung und Durchschlagskraft noch ein bisschen besser gefallen, das ist aber Jammern auf ganz hohem Niveau. "Das Fest" ist für mich eine klare 10/10, "Die Jagd" eine 9-9,5/10.

@Silencio
Wie? Was? Ich habe einen Klassiker gesehen, den du noch nicht gesehen hast?
Das überrascht mich jetzt etwas^^

@Mads Mikkelsen
Da könnte man im Bezug auf US-Produktionen abseits von "Hannibal" auch noch seine Schurkenrolle in "Casino Royale" nennen. Mir hat er aber ebenfalls als Tristan - einer der Ritter der Tafelrunde - in "King Arthur" gefallen, auch wenn er hier schauspielerisch natürlich nicht sonderlich gefordert war.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MobyDick : : Moviejones-Fan
12.11.2018 15:05 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Wo er mir auch ungemein gefällt ist die Pusher Trilogie, vor allem wie er in Teil 2 diesem strunzdoofen Chaoten aus dem ersten Teil so eine Tiefe verleiht, war damals der Hammer. Seitdem bin ich auch ein Fan von ihm.

A Propos Refn, heute scheint er ja Gosling als seinen Alter Ego anzunehmen, als er noch Mikkelsen dafür hatte, fand ich seine Filme irgendwie zugänglicher.

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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Raven13 : : Desert Ranger
12.11.2018 13:54 Uhr | Editiert am 12.11.2018 - 13:55 Uhr
0
Dabei seit: 13.02.16 | Posts: 7.223 | Reviews: 108 | Hüte: 640

@ MobyDick

"Mikkelsen ist der absolute Hammerdarsteller, und von den ganzen Hollywoodsachen wo er mitgemischt hat und noch tut, war einzig Hannibal in den Regionen, die ihm was abverlangen, ansonsten wird der gute Mann ziemlich unter Wert gehandelt."

Kann ich nur bestätigen. Schaue gerade die Hannibal-Serie und bin gerade bei Staffel 3 angelangt. Sehr geile Serie und extrem spannend. Mads Mikkelsen ist einfach ein genialer Schauspieler.

"Die Jagd" klingt auch ziemlich interessant. Mal sehen, ob ich mir den demnächst auch mal anschauen werde.

Ein Zauberer kommt nie zu spät. Ebenso wenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es beabsichtigt.

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Silencio : : Moviejones-Fan
12.11.2018 13:36 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

Moby:

Ja, in "Hannibal" (das muss ich auch endlich mal zu Ende schauen...) darf er ja ordentlich vom Stapel lassen und so ziemlich alle Register ziehen. Sonst kriegt Hollywood den aber leider nicht geknackt, dabei könnte der so manchen A-Lister locker in die Tasche stecken. Alleine was der beim Refn für eine Wandlungsfähigkeit zeigt (von seinen anderen Rollen in der Heimat ganz zu schweigen...), ist beeindruckend.

Ich leih den heute Abend mal bei Amazon aus, dann bin ich gezwungen den in den nächsten 30 Tagen zu schauen, dann kann ich gegebenenfalls Rückmeldung geben. ;)

(Und ja, bei der riesigen Auswahl im Streamingdschungel muss ich Mittel und Wege finden, mich zu etwas zu zwingen...)

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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MobyDick : : Moviejones-Fan
12.11.2018 12:57 Uhr
2
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Freut mich, dass ich dich für das Fest gewinnen konnte :-)

Kannst da bei Gelegenheit berichten, wie du ihn empfunden hast, auch gerne als Vergleich. Wie gesagt, bei mir ist es schon ewig her, daher kann es sein, dass nicht alles was ich schrieb akurat ist und einiges aus meiner Erinnerung heraus Einbildung war (siehe daher auch den Disclaimer am Anfang), also falls da Korrekturbedarf ist, auch immer gerne her damit :-)

Mikkelsen ist der absolute Hammerdarsteller, und von den ganzen Hollywoodsachen wo er mitgemischt hat und noch tut, war einzig Hannibal in den Regionen, die ihm was abverlangen, ansonsten wird der gute Mann ziemlich unter Wert gehandelt.

Dünyayi Kurtaran Adam
Avatar
Silencio : : Moviejones-Fan
12.11.2018 08:32 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

Hm. "Das Fest" habe ich noch nicht gesehen, aber du hast mir den gerade verkauft. Zur "Jagd" braucht man eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, das ist ein sehr toller Film, der eben nicht den einfachen Weg gehen mag und der auch nicht den Finger hebt. Mir hat vor allem die Schlüsselszene mit der Anschuldigung außerordentlich gut gefallen, in der die Kindergärtnerin (WENN der Film sowas wie einen Bösewicht hat, ist sie das) quasi über dem Mädchen zu schweben scheint. Und der Mikkelsen beweist mal wieder, dass er richtig Reichweite hat.

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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