Wer Hannibal kennt, wird sich schnell heimisch fühlen in American Gods. Die Musik, die skurrilen Bilder - typisch Bryan Fuller. Nur ist aufgrund des Götterthemas alles noch abgedrehter, blutiger und fantasievoller. Die Serie orientiert sich nah an der Vorlage und geht noch einige Schritte weiter. Neil Gaiman hatte schon in einem Interview verraten, dass er ein Sequel schreiben wird, und so werden bestimmte Details, Orte und Figuren noch näher beleuchtet. Scheinbare Kleinigkeiten sollen dann in der Fortsetzung eine wichtige Rolle spielen, weswegen sie auch in der Serie nicht fehlen dürfen und noch mehr ausgerollt werden als in der Vorlage.
"American Gods" Season 1 Trailer 2
Der Cast ist toll besetzt, Ricky Whittle überzeugt als Shadow Moon und Ian McShane als mysteriöser Mr. Wednesday macht richtig Spaß. Letzterer heuert ersteren als Begleiter und Assistenten an, das erste Mal treffen sie im Flieger aufeinander: Shadow Moon wird aus dem Knast entlassen und befindet sich auf dem Heimweg. Doch dort warten unangenehme Überraschungen auf ihn, die letztlich dazu führen, dass er dem Job zustimmt, den er im Flieger noch ablehnt. Besser gesagt, zustimmen muss, denn Wednesday trickst ihn auch aus.
Skurrile Träume von nach ihm greifenden knöchernen Bäumen und einem Büffel mit äußerst feurigen Augen hat Shadow Moon allerdings schon im Gefängnis wie auch im Flugzeug, und schon bald lernt er auch noch den gefährlichen Technikgott (Bruce Langley) kennen, der es aufgrund seiner Verbindung zu Wednesday auf ihn abgesehen hat. Die Zuschauer bekommen in der ersten Folge auch bereits einen Eindruck von der Liebesgöttin Bilquis (Yetide Badaki), alles andere als eine romantische Erfahrung für ihr Opfer.
American Gods spart weder an übertrieben spritzendem Blut noch an F-Worten, schon der Wikinger-Einstieg erinnert ein bisschen an den Beginn von Macbeth oder auch an den Stil von 300. Eine spätere krasse Metzelszene mit fliegenden Körperteilen und reichlich Blut macht klar, dass neben Fantasy auch düsterer Horror dazugehört. Dabei hat alles einen ganz eigenen Witz durch die absurden Szenerien und Dialoge. Wenn sich ein Hüne wie selbstverständlich als Kobold vorstellt, muss man schon grinsen. Auch die Story selbst wartet mit lauter Überraschungen auf, Stichwort Shadow Moons Frau Laura (Emily Browning) - wer die Vorlage kennt, weiß, was wir meinen.
In American Gods muss Shadow Moon mehrfach seine Schlagkraft und sein Trickster-Geschick beweisen, Herausforderungen, die ihn in der erwähnten Metzelszene wie auch in einem Spiel das Leben kosten könnten. Das Highlight bleibt aber McShanes Wednesday, der einfach schön kauzig daherkommt, aber so gar nicht harmlos ist. Der Wechsel vom Sprüche klopfenden alten Herrn zu bösem Ernst macht den Reiz seiner Rolle aus. Gillian Anderson-Fans können sich freuen, Fuller hat sie nach Hannibal auch für American Gods gewinnen können, sie ist ab Episode 2 als Göttin Media dabei. Man muss schon genau hinschauen, so hat man sie auch noch nie gesehen.
Da man alte und neue Gottheiten von Folge zu Folge in American Gods kennenlernt, springt auch die erzählte Zeit hin und her, neben Wikingern trifft man zum Beispiel in Episode 2 auf den afrikanischen Gott Anansi (Orlando Jones), der im 17. Jahrhundert auf einem Sklavenschiff für Wirbel sorgt, mal dezent ausgedrückt. Der Cliffhanger der ersten Folge klärt sich erst in Episode 4 so richtig auf, diese Sprünge auch in der Gegenwart sorgen für spannende und schön schräge Überraschungen.
American Gods ist düster und skurril und man sieht einen wahrlich derben Kampf der Gottheiten voraus, in den Shadow Moon da verwickelt wird. Die Effekte sind gut, die Inszenierung hochwertig. Das Blut ist bewusst übertrieben künstlich eingesetzt. In dieser Machart mit hochkarätiger Besetzung und Inszenierung könnte wir uns durchaus auch eine Sandman-Serie vorstellen, sie würde ihm und den Ewigen besser gerecht werden können als Filme, die auf mehrere wichtige Charaktere einfach nicht so tief eingehen können.
Die ersten vier Folgen von American Gods, die wir vorab im Original sehen konnten, haben uns jedenfalls gut gefallen, wir können die Serie nur empfehlen. Die US-Premiere bei Starz war gestern, heute ging die erste Folge "Der Knochengarten" auf Amazon Prime online, auch auf Deutsch.
Habt ihr schon reingeschaut?