Wir wissen, viele Trekkies mögen Star Trek - Discovery nicht, vielleicht ist es gerade deshalb, weil die Serie einerseits mit der Vergangenheit bricht, tatsächlich neue Wege beschreitet in so Vielem - und dabei jedoch so den Entwicklungen unser Zeit hinterher hinkt, dass es wie ein trendiges "auf den Zug aufspringen" wirkt. Die Serie ist emotionaler als jede vor ihr, sie ist bunter und diverser in allem - im Look, den Charakteren, dem Team vor und hinter der Kamera der Serie, der Sci-Fi-Technik, die mehr mit dynamischen Schwarm-Lebewesen und Emotionen zu tun hat als je zuvor in Star Trek. Keine Sorge, wir erklären im Verlauf, was das mit dem Finale der Staffel zu tun hat. Die werte Autorin betont, dass Discovery auch in der Redaktion ein Streitfall ist, dies also eine sehr subjektive Review und Kritik ist, aber auch das muss mal sein. ;-)
"Star Trek - Discovery" Season 4 Trailer 1
Das Problem
Star Trek - Discovery hat im Star Trek-Kosmos einige Neuerungen eingeführt, die einfach schon viel früher und (auch in der eigenen Serie noch) konsequenter hätten passieren müssen. Bis heute lobt sich Star Trek dafür, die erste Schwarze an Bord der Enterprise in der Hauptcrew gehabt zu haben, auch in so vielem anderen immer wieder der Zeit voraus gewesen zu sein. Discovery dagegen wirkt immer mehr wie eine Wiedergutmachung (nicht zufällig auch das Thema von Star Trek - Picard) für das, was auch Star Trek in unserer Zeit eben nicht geschafft hat vor dieser Serie auch weiterhin zu sein: Ein Vorreiter zu sein. Alte beliebte Muster wurden immer wieder aufs Neue bedient. Und genau die wollen viele Trekkies auch weiterhin genau so bedient sehen:
Eine hoffnungsvolle Föderation, die der Welt - äh - ganzen Galaxien und derweil auch anderen Dimensionen im Handumdrehen den Frieden bringt, wohin sie auch kommt. Ein klares Schwarz-Weiß-Bild mit hier und da ein bisschen Grau, Konflikt in kurzer Zeit gelöst, Happy End.
Ja, sie dürfen auch mal kurzfristig scheitern, aber richtig versagen, über den Verlauf einer ganzen Staffel statt nur einer oder weniger Folgen wie früher - nein, das geht nicht. Zu deprimierend, zu sehr "kein Star Trek". Ja, es darf auch eine PoC-Frau ein Captain sein, aber nicht, indem sie einen bösen weißen Captain verdrängt und dann auch noch nicht so knallhart ist gleich wie diverse Captains vor ihr. Ja, sie weint, wenn sie traurig ist, na und? Trifft sie deswegen schlechtere Entscheidungen? Warum gilt das immer noch als Zeichen von Schwäche? Und oh, auch Book ist nicht nur ein Schwarzer, sondern auch noch sehr emotional (seine Spezies hat Empathie auch noch als besondere Fähigkeit), vermisst wird ein "typischer Kerl" in dieser Serie, das ist offensichtlich, und wird auch oft kritisch kommentiert.
Das war vielleicht tatsächlich der Anfangsfehler von Star Trek - Discovery, denn grundsätzlich darf ein moralisch eher guter, aber unreifer zukünftiger Captain durchaus einen bösen verdrängen, hat man früher oft genug gesehen im Aufbau eines solchen Charakters - wenn es ein weißer Mann ist. Oder eine moralisch gute noch unreife Frau eine böse dominante Frau. Aber so mancher Zuschauer ist noch nicht soweit, dies auch einem noch unreifen emotional schwankenden weiblichen PoC-Charakter zuzugestehen, der sich über drei Staffeln hinweg erst noch finden musste auf dem Weg zum Captain. Und in der aktuellen Season sich in dieser Position nun ebenfalls erst einmal neu reinfinden muss.
Oder Entwicklung auch einer Serie zuzugestehen, die sich selbst im Verlauf, und damit ihre Kerncrew, noch irgendwie finden musste. Der Zeit voraus wäre gewesen, den Part zu überspringen, wäre Star Trek - Discovery 50 oder auch nur 20 Jahre früher im TV gelaufen, wäre die Serie bahnbrechend gewesen in allem. Doch aktuell spiegelt die Serie eher schmerzhaft erinnernd die Realität wieder als unserer Zeit gefühlt wirklich voraus zu sein. Und so wird ein weiblicher PoC-General, und auch eine PoC-Präsidentin, als Vertreterin der gesamten Erde, wieder auch negative Trend-Zug-Kommentare erzeugen.
Star Trek - Discovery erinnert also uns Zuschauer stattdessen immer wieder daran, was man alles versäumt hat und eigentlich schon lange wieder gut hätte machen müssen, welche Neuerungen und Veränderungen schon lange überfällig sind, sich aber immer noch in einem Entwicklungsstadium befinden, wobei sich der "echte Kerl", das Bild von einem solchen, immer noch ungern komplett ausradiert sieht, sich eher selbst (immer) noch neu (er-)finden muss, und Entwicklungszeit dabei zugestanden bekommen will. Das gilt aber ebenso für das Frauenbild unserer Zeit. Imgrunde also das, was sich Frauen, die LGBTQ+-Community und die PoC-Community ebenfalls wünschen.
Weg von Schubladen, aber doch dabei mehr gleichberechtigt gesehen und anerkannt zu werden als zuvor. Sich selbst so viel oder wenig definieren zu dürfen, wie man es möchte, nicht wie es andere vordefinieren, auferlegen - ein gegenseitiger Respekt, eine immer wieder offene Suche nach gegenseitigem Verständnis, aber auch die offene Suche nach individuellem Selbstverständnis.
Um Wiedergutmachung geht es auch im Staffelfinale der neuen Season.
Star Trek - Discovery Staffel 4 erzählt über 13 Episoden hinweg eine Geschichte von Verlust, Trauer, Wut, Angst, Hass - und schließlich Akzeptanz und Reue, die hin zu was führen? Wiedergutmachung und tatsächlicher Veränderung. Stadien der Trauer im universellen Ausmaß:
Die Föderation muss mit dem durch Emotionen ausgelösten Fehlverhalten einzelner umgehen, das wiederum zum Konflikt mit einer neuen Spezies namens 10-C aus einer anderen Dimension führt, die wiederum ihre zuvor bereits zerstörerischen Taten auslöst, weil sie die Konsequenzen ihrer die eigene Spezies absichernden Technik unterschätzt hat, die Opfer dieser Ressourcen-Beschaffung unterbewertet, und damit als vernachlässigbar ansieht. Ihr erkennt sicher den Spiegel der Realität. ;-)
Gibt es eine Lösung? - Spoiler
Die Lösung von all dem schmerzhaften Leid, Zerstörung, Chaos, Hass, kriegerischen Konsequenzen daraus in Star Trek - Discovery Staffel 4 lautet am Ende wie? Kommunikation, das Beseitigen von Missverständnissen, Aufbau von gegenseitigem Verständnis, sich auf das verbindend Gemeinsame statt das entfremdend Trennende zu konzentrieren. Und ein Kompromiss, bei dem auch die technisch überlegene Seite auf etwas verzichten muss, sich deutlich einschränken muss, und: Wiedergutmachung.
Nicht bahnbrechend neu, aber eine immer wieder nötige typische Star Trek- Botschaft, die aktuell mehr gebraucht wird denn je. Denn wenn man nur noch im Modus der Selbstverteidigung, Wut, Trauer und Hass agiert auf allen Seiten, ist das Spiel schon verloren, für alle Seiten. Vielleicht ist das auch das Problem von Star Trek - die Wiederholung des Immergleichen, egal, ob im Kleinen oder Großen, Mini- oder Makrokosmos, alles ist eins und doch individuell, ein dauerhaftes Dilemma, eine ewige Suche nach Balance zwischen diesen Polen. Kreisläufe, die schwer zu durchbrechen sind, und wenn durchbrochen, zum nächsten Kreislauf führen - es gibt kein Entrinnen, nur ein Lernen im Umgang damit.
Gibt es ein Darüber-Hinaus, was es noch für Star Trek zu entdecken gibt und uns menschlich immer noch ansprechen würde? Kann unser Verstand, können unsere Emotionen ein Darüber-Hinaus überhaupt denken und fühlen, sich in der Fantasie vorstellen? So viel zur generellen Auseinandersetzung.
Ja, es gäbe auch einiges zu Meckern, vor allem visuell wirkten die Desaster-Szenen mit den Flammen und Explosionen oftmals zu künstlich an Bord, dafür bot das Finale wie auch manch frühere Episode einige visuelle Highlights. "Es passiert nicht viel" schlich sich gefühlt über die Staffel hinweg bei manchem ein, dabei passiert ziemlich viel auf symbolischen Ebenen über die Staffel hinweg und pro Episode auch im Kleinen:
Saru ist verliebt und kämpft wie sein Love-Interest mit Schutzmauer versus jemanden an sich heran lassen. Book ist im Rachewahn, Michael muss damit umgehen, dass ihr Love-Interest zum Feind Nummer 1 der Föderation avanciert und sich zugleich als Captain bewähren. Bordcomputer Zora, vereint mit all den Sphärendaten, entwickelt sich zu einem anerkannten Lebewesen, weil sie Gefühle hat, und tritt als solche offiziell der Sternenflotte bei.
Reno ist als Commander zurück und haut ihre Sprüche cool und trocken raus - und erfüllt damit Aspekte, die sich so mancher Zuschauer wohl eher von einem vermissten "echten Kerl" in der Crew wünscht... Tilly feierte schon früh ihren Abschied von der Crew und wechselte zur Akademie der Sternenflotte. Auch sonst tat sich viel in der Crew, weshalb man eher sagen muss, vielleicht passierte auch zu viel.
Denn ein Kritikpunkt war und ist immer noch, dass man die Crew insgesamt zu wenig kennt, der Fokus zu sehr auf Michael liegt statt einer festen Crew insgesamt, die man kennenlernt und dauerhaft lieb gewinnen kann. Fallen einem alle Namen der aktuellen Crew der Discovery gleich ein? Nein, dafür gab es zu viel Wechsel und Single-Fokus im gesamten Verlauf der Serie, auch wenn die aktuelle Staffel in den letzten Folgen da einiges nachgebessert hat. Das Sich-Entdecken und neu Erfinden betrifft alle Aspekte der Serie, wodurch der Serientitel symbolisch noch mehr passt als zu Beginn vielleicht mal angedacht war.
Was passierte als Plot in Staffel 4? Ein Planet wird in der Premiere von Star Trek - Discovery Staffel 4 zerstört, eine dimensionale Anomalie im Staffelverlauf entdeckt und erforscht, eine neue Spezies entdeckt und nach Kommunikation und Verständnis gesucht, um die deutlich überlegene Spezies von ihrem aktuellen Weg abzubringen, während Book mitsamt einem ähnlich emotional motivierten Wissenschaftler die DMA einfach nur zerstören will - sowie nach einer Art Erlösung von der Trauer sucht. Ja, der Plot klingt so, als würde er auch für eine Folge oder auch drei ausreichen. Oder für einen Kinofilm.
Doch will man auch anderen stärker einen Fokus geben in der Crew, sie sich weiter entwickeln lassen als zuvor, braucht es eben mehrere Folgen. Das Problem: Eine Makrostory versucht im Verlauf Mikroprobleme zu lösen, das wirkt immer gestreckter als eine Folge oder wenige mit einem geschlossenen Plot und der Auseinandersetzung der gesamten Crew mit eben diesem und dabei sich selbst. Und in den nächsten Folgen dann eben einer komplett neuen Story, in der also wieder etwas "ganz Neues" passiert, in der man sich zudem weiter mit sich selbst auseinandersetzt, als Crew und individuelles Mitglied.
Ja, vielleicht braucht es neben Star Trek - Discovery auch etwas mehr episodisch Gestaltetes wie wohl mit Star Trek - Strange New Worlds kommen wird, damit nicht zu viel Neues auf einmal das Star Trek-Universum erschüttert. Das ist auch durchaus legitim, erklärt aber auch den schweren Stand von Discovery wie auch Picard. Vielleicht wollte man hier auch einfach zu viel auf einmal, und hat sich dabei verzettelt. Wäre Star Trek perfekt, wäre es seiner Zeit voraus, wahrlich. Aber das ist auch das Star Trek-Universum eben nicht.
Dabei verlangt es uns derzeit doch so nach gelösten Problemen, einer besseren Welt - und das ist vielleicht das größte Problem, das Bedürfnis so vieler Zuschauer befriedigen zu wollen. Denn Star Trek - Discovery ist für Viele, die sich endlich mehr im TV repräsentiert sehen, genau dieser noch etwas chaotische Beginn und der Weg hin zu einer besseren, längst überfälligen Welt. Die Lösung dabei ist genau das, was auch die Lösung im Finale von Star Trek - Discovery ist. Bis das nächste Problem auftaucht...
Eine schöne Anton Yelchin-Hommage noch zum Abschluss, die wir nicht unterschlagen wollen: Die USS Yelchin wird bei der Evakuierung der Erde erwähnt - zum zweiten Mal (danke für den Reminder an unseren MJ-User Timelord79), auch in Staffel 3 gab es eine Erwähnung. :-)
Universe: Hat euch die Form der 10-C-Aliens auch an gewisse Schädel in Picard Staffel 2 erinnert?
This is a President of United Earth appreciation post. Thanks to @staceyabrams for visiting our universe this season on #StarTrekDiscovery! pic.twitter.com/Sq5Qttik4n
— Star Trek on Paramount+ (@StarTrekOnPPlus) March 20, 2022
After all this time, face to face for the first time ever. What was your reaction to that big moment with the Ten-C in the season finale of #StarTrekDiscovery? pic.twitter.com/V9e0YjuEPb
— Star Trek on Paramount+ (@StarTrekOnPPlus) March 25, 2022