Bewertung: 4.5 / 5
Timur Bekmambetov sorgte in Mütterchen Russland kurz nach der Jahrtausendwende mit seiner Wächter der Nacht Trilogie (welche allerdings nur aus zwei Teilen bestand) derart für Furore, dass die Filme auch außerhalb jenes Landes international für Furore sorgten und ihn auf eine Schlag auf dem Radar von Hollywood landen liessen. Und sein Hollywood-Erstling ist eine ausgezeichnete Vistienkarte, sich für höhere Weihen zu bewerben...
Ungefähr zur Jahrtausendwende sorgte Mark Millar mit seinen Comics für Furore, zollte er mit seinem vulgären Stil doch dem klassischen Superheldenmythos einerseits Respekt, andererseits dekonstruierte und modernisierte das Genre gleichzeitig mit. Seine Geschichten waren zumeist recht kinetisch und eigentlich prädestiniert für die große Leinwand, wäre da nicht der enorm hohe Gewaltgrad (sowohl graphisch als auch verbal), was man halt so gemeinhin unter Modernisierung versteht.
Trailer zu Wanted
Ungefähr zur Jahrtausenwende bewegten sich eine junge Dame mit dem Nachnamen Jolie und ein junger Mann mit dem etwas komplizierteren Nachnamen McAvoy auf ihre Popularitätshöhepunkte zu bzw waren schon dort, beide galten in ihrem Bereich als Superstars mit sowohl einer starken Aura als auch darstellerischem Können.
Diese vier Leute wurden also in eine Topf geworfen, um ein Hollywoodvehikel namens Wanted zu generieren. Verdelt wurde das Ganze auf schauspielerischer Seite vom damaligen Go-To-Deutschen Kretschmann und dem distinguierten Quoten-Gentleman Mr Freeman.
Heraus kam etwas, was man so in der Form eigentlich schon sehr lange nicht mehr auf Hollywoodleinwänden gesehen hatte, denn was Bekmambetow bereits mit den Wächter der Nacht Romanen veranstaltet hatte, machte er auch mit Wanted: Er destillierte die Story für die Leinwand derart, dass es möglichst massenkompatibel und wuchtig ist, vieles was aber auf der Leinwand oder mit der MPA nicht so recht funktionieren würde, lässt er links liegen, so dass wir hier grafisch zwar eine Art Millar Light haben, aber dennoch immer noch ganz klar Millar. Hauptsächlich ist das Ganze aber ein typischer Bekmambetov.
Man kann über Bekmambetov denken und halten was man will, vor allem nachdem er sich in der Öffentlichkeit mit seinem Abraham Lincoln Vampirjäger und diesem Ben Hur Remake lächerlich gemacht hat. Aber das wäre tatsächlich nur an der Oberfläche gekratzt. Sowohl Lincoln als auch Hur waren durchaus ambitionierte Werke, die beide dem Studiosystem zum Opfer gefallen sein dürften, denn vor allem bei Lincoln sieht man ganz klar, dass da eine epische Absicht dahinter steht, wo aber der Erzählfluss durch einen seltsamen Schnitt und eine nicht zum Inhalt passende Laufzeit denunziert werden, so dass ich da sehr sicher bin, dass das nicht Bekmambetovs ursprünglich gedrehter Film sein kann. Bei Ben Hur mögen sich die Geister scheiden - und da kann es eigentlich keine zwei Meinungen geben, dass der Film in jeglicher Hinsicht den "Originalfilmen" (Jawohl, Mehrzahl ihr Banausen!) unterlegen ist - aber ich finde zum einen, dass man durchaus nach so langer Zeit mal sich auch bei solchen Epen an ein Remake wagen darf und dann eben auch andere Herangehensweisen an den Tag legen darf. Und Bekmambetov war eben mutig genug, sich der überlebensgroßen und undankbaren Aufgabe zu stellen und eben nicht sklavisch sich an den Verfilmungen abzuarbeiten sondern eben einen völlig eigenene Spin - inklusive einem von mir extrem willkommenen anderen deutlich versöhnlicheren Ende! - an die Geschichte zu legen. Dass der mann seitdem in Hollywood nur noch als Großmeister der Desktop-Filme angesehen wird und als Produzent von aufstrebenden Gewaltregisseuren angesehen wird, ist möglicherweise die Konsequenz dieser wahrscheinlich im Nachhinein Arroganz seinerzeits, dass er als fähiger Filmemacher tatsächlich sein Ding durchdrücken kann ohne Lobby, aber auf der anderen Seite wird es ihm als talentierter Geschichtenerzähler eben nicht ganz gerecht.
Wanted vereint seine besten Elemente und zeigt auch im Nachhinein ganz klar auf, dass es vielleicht eben doch nicht Vaughn war, der Kick-Ass und Kingsmen so kongenial zu verfilmen wusste, sondern dass es möglicherweise die Vorlage, war, die es ihm so einfach machte, derart rotzfreche und coole Filme zu drehen. (Zu Vaughns Ehrenrettung, natürlich stimmt das nicht, der Mann hat oft genug vor- und nachher bewiesen, dass er es eben doch kann, dennoch ... ;-) )
Denn einerseits gelingt es Bekmambetov mühelos, seinen in der Wächter-Trilogie etablierten übertriebenen Action-Bombast nach Hollywood zu verlagern, dass einem die Spucke teilweise weg bleibt. Die Action-Set-Pieces sind auch heute noch sehenswert. Vor allem bleibt einem aus aktuellem Anlass auch ein Zugsetpiece in Erinnerung, was uns aufzeigt, dass eben nicht Tom Cruise das Patent für sowas gepachtet hat und es auch offensichtlich billiger inszeniert werden kann und trotzdem fesseln kann. Andererseits gelingt es ihm aber auch die sarkastischen Spitzen und die comichafte Inszenierung damit in Einklang zu bringen und dies für einen nicht-englisch-Muttersprachler auch noch perfekt in Szene zu setzen. Die Charakterisierung seitens McAvoy ist auf den Punkt, sowie seine Entwicklung, inkl. einiger sehr ulkig gemachter Dialogspitzen, was sowohl den Geist der Vorlage perfekt einfängt als auch aufzeigt, mit welcher Spielfreude man sich an sowas ransetzen kann. Daher kann man ganz klar festhalten, dass die Inszenierung das eigentliche Prunkstück des Films ist, mit seinen ganzen Spielereien und eben Freiheiten, die er sich nimmt.
Komplettiert wird das Ganze durch den hervorragenden Cast, wo eigentlich nur eine Person sowohl positiv als auch negativ hervorsticht: Angelina Jolie. Die Frau ist ganz klar eine Naturgewalt gewesen in ihrem Prime, es gibt kaum eine Frau, die jemals so eine Ausstrahlung auf der Leinwand hatte, und so ziemlich jeder Kerl auf der Leinwand, der mit ihr als Partner erscheint, wirkt alleine dadurch, dass er Jolies Partner ist, auf der Leinwand als wäre er die Personifizierung von Cool. In gewissen Momenten gelingt es hier dadurch McAvoy teilweise sogar cooler als Mr Pitt zu wirken, der auch mal neben seiner damaligen Partnerin glänzen durfte. Darüberhinaus ist sie auch eine extrem souveräne Darstellerin. Insofern wäre ja alles paletti, wenn sie nicht in gewisser Hinsicht vieleicht etwas zu falsche Signale senden würde: Denn sie ist einfach teilweise arg dürr, man mag fast meinen magersüchtig. Ob dem tatsächlich so war, ist schwer zu sagen, aber das reisst einen teilweise schon aus dem Film heraus. Abgesehen davon hat sie eine elektrisierende und knsiternde Chemie mit McAvoy und alleine ihr Konterfei auf dem Poster trägt dazu bei, dass der Film noch erfolgreicher als ohnehin schon wird.
Der Plot ist ebenfalls einwandfrei und gut von vorne bis hinten, etwas entobzöniert, damit der Massengeschmack getroffen wird, lediglich der Gewaltgrad ist für damalige Verhältnisse, wenn auch over the Top überzeichnet, schon dramatisch hoch.
Der Film war dann glücklicherweise auch ein voller finanzieller (Überraschungs-)Erfolg und es begann sehr früh schon für etwaige Fortsetzungen geplant zu werden, ehe diese Film dann in der Entwicklungshölle landeten. Nichtsdestotrotz eröffnete dieser Film solchen Reihen wie Kick-Ass und Kingsmen die Tür, und dürfte auch was damit zu tun haben, dass es sowas wie Invincible und The Boyz überhaupt gibt: Nämlich gewalttätige Comicverfilmungen eben nicht nur von den Big 2!
Alles in allem sehr gut gealterter visuell berauschender Actionfilm, der das Wort cool eigentlich fast definiert...
9 Puntos
