++ Update vom 08.07.19: Via Freeform, ein Tochtersender von ABC, der wiederum zu Disney gehört, ist nun auch ein Statement zur Kritik an der Besetzung für Arielle im Arielle Realfilm da. Das wollen wir euch nicht vorenthalten, danke an unseren User MisfitsFilms für den Hinweis. Ihr findet den Tweet ganz unten angehängt.
++ News vom 08.07.19: Es waren sechs schöne Kinder, aber die jüngste war die Schönste von allen, ihre Haut so klar und so fein wie ein Rosenblatt, ihre Augen so blau wie die tiefste See...
Mit diesem Zitat aus Hans Christian Andersens "Die kleine Seejungfer" möchten wir eröffnen und ihr ahnt, was folgt: MJ lässt sich zu einem Kommentar zur Nominierung der Schwarzen Halle Bailey in Walt Disneys Arielle Realfilm hinreißen - so wie Millionen andere auch, die sich seit dem Casting vor wenigen Tagen dazu öffentlich geäußert haben.
Wir haben wie viele von euch aufmerksam die Kommentare verfolgt, Tweets und Stellungnahmen aus der einen oder anderen Richtung gelesen und festgestellt, dass wir die Kritik an der Wahl nicht so einfach mit "da zeigt jemand bloß wieder seine wahre rassistische Natur" abschmettern können. Und auch nicht wollen.
Wir bemängeln, dass von vielen Menschen, die sich für Bailey aussprechen, reflexartig "Rassismus" gerufen wird, egal bei welchem Argument.
Halle Bailey, gerade mal 19 Jahre alt, besticht mit einem unfassbar herzlichen Lächeln und wirkt für viele - auch uns - auf den ersten Blick wie die perfekte Reinkarnation von Vaiana. Warum also Arielle? Ja, warum Disney? Ist es ihre tolle Stimme, die sie für die Rolle prädestiniert, was man als Vermutung vielerorts lesen kann?
Natürlich hat sich Disney schon 1990 Freiheiten gegenüber der weltbekannten Vorlage herausgenommen und die Geschichte verfälscht - aber doch auf das Erscheinungsbild geachtet. Und deswegen wirkt die aktuelle Wahl willkürlich, beachtet man Disneys sonst so strikte Agenda und vorauseilenden Gehorsam bei ihren Adaptionen. Man bedenke nur, dass in Filmen wie Aladdin sogar auf nahezu 100% ethnisch korrektes Casting geachtet wurde.
Disney hält sich sonst sehr restriktiv an seine Vorlagen und schert hier hingegen unverständlicherweise aus. Klar, wir reden hier immer noch von einer Fantasygeschichte (von irrealen Wesen mit Fischschwänzen...), die ganz viel Interpretationsspielraum bietet und nichts, aber auch gar nichts mit der Realität zu tun hat. Die Figur hat jedoch europäische Wurzeln, man kann sagen, sie ist europäisches Kulturgut, und wurde auf Zeichnungen und in Adaptionen stets als weißes Meermädchen interpretiert. Wieso also ist hier offenbar eine Anpassung vollkommen legitim und dies nicht rassistisch? Wie groß wäre der Aufschrei, würde Mulan europäische Züge haben oder Mowgli? Zu Recht!
Unbestritten wird der Realfilm mit Bailey erfrischend anders und unter dem Aspekt ist es schade, ihr keine Chance zu geben und zu lesen, dass Menschen im Juli 2019 schon meinen, dass sie ihretwegen den Film meiden wollen. Doch abseits dessen ist Disneys Vorgehen eben nicht kritikunwürdig, wenn ansonsten gerne jeglicher Vorlage entsprochen und Diversität so betont wird. Ist es wirklich automatisch rassistisch, wenn bemängelt wird, dass sowohl mit der Quelle als auch mit dem Disney-Original gebrochen wird? Dass Diversität gut ist, solange sie ins Raster passt, hier nur leider zum Nachteil von Rothaarigen und Weißen?
Um zum eingangs erwähnten Zitat aus Andersens Märchen zurückzukommen: Es ist ganz legitim, eine weiße Figur mit einer dunkelhäutigen Person neu zu interpretieren und Kritik im Keim zu ersticken. Alle Fürsprecher sind dann hoffentlich auch still, wenn z.B. mal wieder asiatische Rollen mit europäischen Gesichtern neu interpretiert werden.
Natürlich ist die Frage "Arielle weiß oder schwarz" keine lebenswichtige, aber doch zumindest wert, verschiedene Meinungen dazu anzuhören, ohne direkt mit typischen Vorwürfen zu reagieren, nur weil man eine Ansicht nicht teilt. Denn als FürsprecherIn einer rothaarigen, blassen Arielle muss man sich eben nicht automatisch als Hater und Rassist beschimpfen lassen,
Persönlich verstehen wir nicht, warum die rothaarige Arielle ersetzt werden musste, die so wundervoll anders schien als die sonst blonden und brünetten Prinzessinnen (fast gleichzusetzen mit Pocahontas, Esmeralda oder Mulan, die alle erfrischend aus dem Raster fielen). Speziell vor dem Hintergrund, dass gerade rothaarige Kinder sehr häufig Häme, Spott und Mobbing ausgesetzt sind, hätte hier erneut ein starkes Zeichen gesetzt werden können. Jasmin wird im neuen Aladdin emanzipatorisch als neue Regentin in einer durch und durch maskulin geprägten Männerwelt in den Äther katapultiert, die schwarzen Streiterinnen in Black Panther als perfekte Kämpferinnen und versierte Wissenschaftlerinnen gefeiert, nicht zu vergessen die ganzen sonstigen Superheldinnen mit ihren persönlichen Leidenspäckchen - aber dass ein etabliertes Gesicht, ein bestimmter Typ, im Realfilm-Pendant "ausradiert" wird, das ist zulässig.
Es ist aber in Ordnung, die Neuinterpretation aus sentimentalen Gründen zu bedauern und sich auf eine nahe Interpretation gefreut zu haben. Eine bestimmte Darstellung, die von Millionen von Kindern geliebt wird und mit der Millionen von Erwachsene aufgewachsen sind, einfach so deutlich umzudeuten und dann pauschal keine Gegenstimmen zuzulassen, ist unserer Meinung nach aber nicht in Ordnung.
Solange jemand seine Argumente nicht herablassend äußert und im typischen AfD-Jargon direkt Halle Bailey angreift, solange sollten auch alle, die mit der Wahl zufrieden sind, so viel Größe haben, andere Sichtweisen zu akzeptieren. Denn wo gerne Authentizität als hohes Gut ins Feld geführt wird, sollte sie als Argument der Gegenseite nicht herablassend übergangen werden.
Wir geben Bailey auf jeden Fall eine Chance, denn bei aller subjektiven Empfindung sind wir dennoch gespannt, was uns im folgenden Realfilm erwartet. Gerade weil anzunehmen ist, dass sich die Macher die Wahl nicht leicht gemacht und sich etwas dabei gedacht haben. Es bleibt dennoch schade, dass sich Disney in diesem Fall von seinen sonst üblichen Aussagen entfernt. Eine rothaarige Arielle hätte speziell rothaarigen Mädchen (und womöglich auch kleinen Jungen) in einem Realfilm mit den so typisch modernen Nuancen zurufen können, was heutzutage sonst jeder Disney-Film durchexerziert - glaube an dich, du bist etwas Besonderes.
An open letter to the Poor, Unfortunate Souls:#TheLittleMermaid #Ariel #MyAriel pic.twitter.com/XYJSXKt2BU
— Freeform (@FreeformTV) 6. Juli 2019