Bewertung: 4 / 5
Auch als CGI-Animationsfilm versprüht Der König der Löwen noch immer eine gewisse Magie, denn die zeitlose Geschichte ist robust genug und funktioniert auch als Neuauflage. Die Trickeffekte sind fantastisch und die Musik so schön wie eh und je. Es ist Geschmackssache, ob man handgezeichnet oder computeranimiert vorzieht, aber losgelöst von der Darstellung bleibt der Der König der Löwen 2019 letztlich nur eine Kopie eines überlegenen Originalfilms, die in allen Bereichen zwar auf hohem Niveau, aber dennoch konsequent den Kürzeren zieht. Ein Film, der visuell beeindruckt, die Welt in keiner Weise schlechter macht, den nur niemand gebraucht hätte.
Der König der Löwen-Kritik
Eine neue Zeit bricht im geweihten Land an, als der zukünftige Löwenkönig Simba zur Welt kommt. Voller Stolz zieht König Mufasa seinen Sohn groß und lehrt ihn all die Tugenden, die eines Tages aus Simba einen würdigen Nachfolger machen sollen. Doch wie alle Jugendlichen steckt auch Simba voller Tatendrang und bringt sich und seine beste Freundin Nala gerne in Schwierigkeiten. Als dann Mufasas Bruder Scar auf den Plan tritt und selbst nach dem Thron strebt, kommt es zu einem folgenschweren Ereignis, welches Simbas Leben für immer verändern wird...
Trailer zu Der König der Löwen
Die Ära 1989 bis 1999 wird heute als Renaissance von Walt Disney bezeichnet, in der das Studio mit fantastischen Trickfilmen der Welt den Atem raubte. Was mit Arielle, die Meerjungfrau begann, steigerte sich jährlich und für viele stellt das 1994 veröffentlichte Der König der Löwen den Höhepunkt dieser Ära da. Nachdem sich Disney zuvor vor allem an bekannten Märchen versuchte, positionierte man die Geschichte von Simba als originale Idee, direkt der Magie von Disney entsprungen.
Die Wahrheit sah natürlich schon damals etwas anders aus, denn selten zuvor hatte sich Disney so schonungslos an der Kreativität anderer gütlich getan. Die Story von Simba war ein freches Plagiat von Osamu Tezukas Kimba (Kimba, der weiße Löwe) - manch bissige Zunge behauptete gar, der Titel "The Lying King" wäre treffender gewesen. Doch diese Umstände änderten nichts daran, dass Disney mit seiner Geschichte ein visuell und musikalisch beeindruckendes Werk geschaffen hatte, welches die Zuschauer in seinen Bann zog und die Geschichte wollte es so, dass jener Film zum erfolgreichsten Trickfilm jener Epoche avancieren sollte.
25 Jahre sind seitdem vergangen und Der König der Löwen hat nichts von seiner Faszination verloren und nachdem Disney seit Jahren alle seine Trickfilme einer Generalüberholung als Animationsfilm oder Realfilm unterzieht, ist nun diese Geschichte dran. Dabei kann man es ziemlich kurz machen, denn kennt man den Trickfilm, kennt man die Neuauflage. Zwar wird die Handlung um knapp 30 Minuten gestreckt, um auf eine zeitgemäße Laufzeit zu kommen, die Dramaturgie und Ablauf bleiben aber identisch, denn Neues wird nicht geboten.
Visuell ist Der König der Löwen im Jahr 2019 dabei über fast jeden Zweifel erhaben, denn die gestochen scharfen Bilder über die Flora und Fauna in Afrika sind erstaunlich. Zwar wirken in einigen Szenen die Animationen der Tiere etwas plump, wenn die Kamera nicht direkt auf diese fokussiert ist, aber in der Mehrzahl der Fälle ist das, was gezeigt wird, umwerfend. Zwar versucht man nicht, das technisch Machbare zu verschieben, aber der Status Quo wird wunderbar präsentiert und besonders die Darstellung von Fell und Haaren ist grandios. Die Geschichte fesselt dabei wie eh und je, mit ihren lustigen wie auch sehr traurigen Momenten. Einmal mehr muss in diesem Zusammenhang die Freigabe durch die FSK ab sechs Jahren kritisch gesehen werden, denn bereits das Original beinhaltete für Disney untypisch düstere Elemente. Durch den deutlich gestiegenen Realitätsgrad könnte die Darstellung für viele Kinder noch weitaus verstörender sein. Eltern mit kleinen Kindern würden wir davon abraten, diesen Film ohne vorherige Sichtung zu besuchen.
Sehen wir vom Aspekt "Alter Wein in neuen Schläuchen" einmal ab, stellt sich wie bei allen Disney-Neuauflagen natürlich auch die Frage nach dem Warum. An wen richtet sich der Film? Und ist er besser oder schlechter? Die erste Frage lässt sich ganz leicht mit finanziellen Gründen erklären, leichter als hier dürfte Disney wohl lange keine Milliarde mehr eingenommen haben. Dies hängt mit Frage 2 zusammen, denn hier wird der Nostalgieeffekt ausgespielt, der vor allem Fans des Originalfilms erreicht, die aus Neugier einen Kinobesuch wagen. Gleichzeitig richtet man sich aber an ein deutlich jüngeres Publikum, welches keinen Zugang mehr zu handgezeichneten Trickfilmen hat, entweder weil sie es ablehnen, nicht kennen und heutzutage kaum Möglichkeiten haben, solche Filme zu erleben. Die Frage nach der Qualität ist etwas schwieriger zu beantworten.
Denn ungeachtet der optischen Präsentation, bleibt die zugrundeliegende Geschichte weiterhin robust und zeitgemäß. Da wir es ebenfalls mit einem nahezu 1:1-Remake zu tun haben, stimmt auch die Qualität. Man kann Der König der Löwen nicht schlecht finden, nur weil es eine Kopie ist: Aber hier findet sich auch die Begründung, warum die Neuauflage schlechter als das Original ist. Ungeachtet eines möglicherweise historisch verklärten Blickwinkels gibt es einige Probleme, die 1994 einfach nicht existierten. Dem Original merkte man das Streben nach neuen Höhen an, musikalisch, visuell und ein wenig anders, als das, was man sonst von Disney kannte. Der König der Löwen hat auch in seiner neuen Inkarnation bewegende Szenen, mitreißende Momente und emotionale Achterbahnfahrten, aber all das haben wir nicht nur schon alles gesehen, es ist auch der Arbeit anderer kreativer Köpfe entsprungen.
Nirgendwo merkt man Der König der Löwen an, dass er versucht, das Original in irgendeiner Art und Weise zu übertreffen. Schonungslos werden die gleichen Szenen nur in neuem Gewand identisch abgespult, dieselbe Dramaturgie verwendet und auch wenn sich diese Version nicht langatmig anfühlt, die zugefügten 30 Minuten bieten keinen echten Mehrwert. Hinzu kommt die Musik, vor allem die Lieder, die zwar auch in den neuen Abmischungen gelungen sind, aber etwas fader klingen. Was vor allem dem verwendeten Stil geschuldet ist, denn durch die realistische Darstellung wirken singende Tiere oft befremdlich, die Darstellung der Emotionen ist generell weitaus eingeschränkter als es bei dem Trickfilm der Fall war. Der Tiefpunkt ist tatsächlich mit Beyoncés "Spirit" als einziges neues Lied erreicht, welches vom Stil her wie ein Fremdkörper wirkt.
Doch auch die alten Klassiker haben ein paar Probleme. Wenn die Protagonisten mitreißende Lieder intonieren, die zeitlose Ohrwürmer sind, der Ausdruck der Sänger aber gelangweilt wirkt, will der Funke nicht wie einst überspringen. Bestes Beispiel hierfür sind nicht nur Timon und Pumbaa, sondern auch Scar. Letzterer war im Trickfilm generell markanter, hinterhältiger und kurz gesagt, überzeugender. Natürlich wurden die Figuren 1994 viel stärker vermenschlicht, aber sie lebten von ihrer Mimik und Gestik, all dies ist durch den neuen Realitätsgrad nicht mehr machbar, wodurch Der König der Löwen etwas an Qualität einbüßt. Auch die Farbgebung und Kontraste wirken monotoner, die Farbenpracht von einst ist hier nicht mehr in dem vollen Umfang zu finden.
So bleibt festzuhalten, dass die technischen Errungenschaften, die Der König der Löwen verdeutlicht, wirklich eine respektable Leistung sind und die Geschichte noch heute funktioniert. Aber wie so oft bei Kopien bleibt ein fader Beigeschmack. Man kann ein Werk von Da Vinci abfotografieren und nachbearbeiten, die Ausdrucksstärke und Bedeutung des Originals wird in diesem Prozess aber immer auf der Strecke bleiben, egal wie viele Filter man darüber legt. So ist es auch mit Der König der Löwen, der für sich ein überdurchschnittlich guter Film geworden ist, dessen Daseinsberechtigung aber durchaus angezweifelt werden kann.