Bewertung: 2.5 / 5
Die jugendlichen Rocky, Alex und Money verdienen sich ihr Geld damit, in Gebäude einzubrechen, in denen Alex Vater die Sicherheitssysteme installiert hat. Rocky kommt aus schrecklichen Verhältnissen und will mit ihrer Schwester Richtung Kalifornien abhauen. Als ihr letzter Einbruch nicht genug Geld bringt, entschließen sie sich in das Haus des blinden Norman einzusteigen. Dessen Tochter ist vor einigen Jahren überfahren worden und die reiche Familie der Täterin hat sich mit ihm außergerichtlich geeinigt, weswegen Norman 300.000$ zuhause rumliegen hat. Was nach einem leichten Job aussieht, wird durch die Tatsache erschwert, dass Norman ein Golfkriegsveteran ist und trotz seiner Blindheit alles andere als hilflos ist. Schnell wandelt sich der einfache Job zu einer blutigen Schlacht ums Überleben – und Norman hat in seinem Keller noch ein düsteres Geheimnis versteckt...
Regisseur Fede Alvarez hat eine Traumkarriere hingelegt. Nachdem er mit einem eindrucksvollen Kurzfilm Wellen schlagen konnte, wurde er von Kultregisseur Sam Raimi nach Hollywood geholt, um Raimis Klassiker „Tanz der Teufel“ neu aufzulegen. War das Remake „Evil Dead“ vielleicht bei den Kritikern kein durchschlagender Erfolg, so konnte es zumindest an den Kinokassen punkten. Und so kam es, dass Alvarez für Raimis Ghosthouse Pictures einen weiteren Film drehen sollte. Bei „Dont Breathe“ ist Alvarez diesmal Regisseur, Co-Autor und neben Raimi und Bob Tappert auch Produzent. Gar nicht mal so schlecht für jemanden, der gerade mal seinen zweiten Langfilm abliefert. Alvarez selbst will „Dont Breathe“ als Antwort auf die Kritiken an „Evil Dead“ verstanden sehen, die ihm vorwarfen, er würde nur versuchen zu schockieren, aber niemals wirkliche Furcht aufkommen lassen. Ob das funktioniert hat?
Trailer zu Don’t Breathe
Die Prämisse klingt dabei natürlich erst mal gar nicht verkehrt, in etwa eine umgekehrte Home Invasion-Variante, und bietet reichlich Potential für ausgeklügelte Suspensesequenzen. Alvarez gibt sich redlich Mühe, die Abgeschiedenheit des verlassenen Detroiter Stadtteils plastisch darzustellen und eine Stadt zu zeigen, die droht auszusterben. Doch genau hier ergibt sich ein Problem, denn wir wissen zwar, dass Final Girl Rocky aus ärmlichen Verhältnissen stammt und dringend mit ihrer Schwester von ihrer misshandelnden Mutter wegkommt, aber auch der blinde Norman lebt in einer heruntergekommenen Bruchbude in einem verlassenen Stadtteil. Die Wendung, die Norman vom harmlosen Einsiedler zum Bösewicht machen soll, kommt innerhalb der ohnehin schon kurzen Laufzeit so spät, dass die Zuschauersympathien nur noch schwer in Richtung Rocky umschlagen können. Wir sehen zwar etwas von Rockys Zuhause, aber als Grund einen alten, blinden Mann zu berauben, kann das nicht hinhalten: ihre Mutter zwingt sie, Pizza für die Familie zu holen – von ihrem eigenen Geld, welch unaushaltbarer Zustand! Ein paar Szenen später hören wir zwar noch eine, zugegeben, traurige Geschichte aus ihrer Kindheit, aber an dieser Stelle ist man kaum über die Lächerlichkeit der Pizzaszene hinweg.
Aber dieser Twist, über den muss man durchaus ein paar Worte verlieren. Alvarez und sein Autorenkollege Rodo Sayagues hatten anscheinend eine recht simple Idee: was wäre, wenn Daredevil und Josef Fritzl die gleiche Person wären? Denn im Keller entdecken Rocky und Alex die Frau, die Normans Tochter umgebracht. Norman erklärt, er hätte sie gekidnappt, weil das Band zwischen einem Vater und seiner Tochter ein ganz besonderes sei und Cindy, so der Name der Gefangenen, ihm deswegen eine neue Tochter schulde. Aber er sei, so versichert er uns, kein Monster, schließlich hätte er sie nie vergewaltigt, sondern nur künstlich befruchtet. Thematisch lassen sich durchaus Gründe für diesen Twist finden, aber auf reiner Plotebene fällt er mit dem Einsatz simpelster Logik auseinander. Norman, dessen Haus wie eine schmutzige Müllhalde aussieht, soll also nicht nur in der Lage gewesen sein, Cindy zu entführen, sondern hat auch noch ein vergleichsweise ausgeklügeltes Alarmsystem in sein Haus eingebaut, das losgeht, sobald Cindy sich bewegt? Dann soll er es geschafft haben, Cindy beim ersten Versuch (so zumindest deutet er es gegenüber Rocky an) künstlich zu befruchten? Das ganze in einem sauberen Folterkeller, bei dem jeder Torture Porn-Killer anerkennend nicken würde? Wie weit soll Normans relativ kleines Haus denn unterkellert sein, dass dieses Ding darunter passt? Wie hat er diesen gefliesten Keller (der einzige geflieste Raum im Haus) selbst gebaut? Wie hat er eine Grube da reingekriegt, in der man unbemerkt Leichen verschwinden lassen kann? Warum hat er eine Grube, in der man Leichen verschwinden lassen kann, wenn er nie vorhatte, Cindy umzubringen? Und wenn die Frau, die kontrovers im Prozess um Normans Tochter freigesprochen wurde, verschwindet, kommt die Polizei nicht mal kurz bei dem Vater, der trotz seiner Behinderung durchtrainierter ist als mancher Profisportler, klopfen? Das ist alles so weit hergeholt, dass man gar nicht mehr aufhören kann, über die Logistik der ganzen Situation nachzudenken. Allerdings macht der Film auch an dieser Stelle einen Schwenk in Richtung Sleaze, der heutzutage im Kino kaum noch denkbar ist. Das ist unangenehm, aber man muss es schon fast respektieren. Man fühlt sich durchaus an die alten Exploitationkracher der 70er erinnert und auf diese Art betrachtet kann man „Dont Breathe“ fast genießen.
Was man Alvarez lassen muss, ist, dass sein Film recht zügig und effektiv inszeniert ist. Gerade nach dem Einbruch gibt er sich Mühe, alle Elemente der nachfolgenden Handlung in einer einfallsreichen, aber leider offensichtlich mit Hilfe eines Computers entstandenen, Kamerafahrt zu etablieren, die dann nach und nach abgehakt werden. Kein schlechter Ansatz, auch wenn er sich ein bisschen oft auf billige Jump Scares verlässt. Die Darsteller machen ihre Sache meist ordentlich, Stephen Lang muss jedoch hervorgehoben erwähnt werden. Langs Stimme klingt, als hätte er wochenlang nicht gesprochen und wirkt dementsprechend durchaus beunruhigend. Nicht schlecht.
„Dont Breathe“ krankt trotz Alvarez selbstsicheren Inszenierung an seinen unsympathischen Protagonisten und dem wahnsinnigen Twist, kann aber auch als Throwback in alte Exploitationzeiten verstanden werden. Für Freunde der schmutzigen Unterhaltung von (vor-)gestern durchaus einen Blick wert, alle anderen sollten besser fernbleiben.